30. Oktober 1938 Orson Welles‘ "Krieg der Welten" löst Panik aus
Die Radioreportage war nur ein genial inszeniertes Hörspiel: "Der Krieg der Welten" inszeniert von Orson Welles. Bis heute ein Beispiel für die Leichtgläubigkeit der Menschen.
30. Oktober
Mittwoch, 30. Oktober 2019
Autor(in): Thomas Grasberger
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Es gibt immer gute Gründe, Radio zu hören. Das war schon 1938 so – allerdings nicht in Deutschland, sondern in den USA. Dort war´s von Anfang an ein ganz besonderes Musikjahr. Mitte Januar hatte der Swing-Klarinettist und Bandleader Benny Goodman mit hochkarätigen Jazzern die altehrwürdige New Yorker Carnegie Hall erobert. Was damals so ungewöhnlich erschien, dass Trompeter Harry James vor dem Konzert gesagt haben soll: "Ich fühle mich wie eine Hure in der Kirche." Also irgendwie fremd; um nicht zu sagen – außerirdisch.
Das sollte sich bald ändern: Der Swing schaffte in jenem Jahr den endgültigen Durchbruch in der US-Popmusikindustrie. Seine Stücke wurden im Radio rauf und runter gespielt, nicht zuletzt Benny Goodmans Opener vom Carnegie Hall-Konzert: "Don´t be that way".
Sie kommen!
Es gab also gute Gründe, Radio zu hören. Auch am 30. Oktober 1938. Zahlreiche Hörer saßen vor ihren Geräten und genossen entspannt die Tanzmusik, die die Radiosender des CBS-Netzwerks an jenem Sonntagabend zu bieten hatten. Bis das Programm plötzlich für eine Eilmeldung unterbrochen wurde. Auf dem Planeten Mars habe es Explosionen gegeben, Gaswolken bewegten sich auf die Erde zu. Dann wieder Tanzmusik. Wenig später die nächste Eilmeldung: Sonderbares Flugobjekt in New Jersey gesichtet. Und wieder Musik. Kurz danach berichtet ein Reporter live, wie ein Außerirdischer seiner Kapsel entsteigt und mit einem Feuerstrahl alles umnietet. Fliehende Menschen, Schreie, und … Ende der Übertragung .
Während des Programms wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um Fiktion handelte. Nämlich um das Hörspiel eines 22-Jährigen namens Orson Welles. Der junge Regisseur hatte den Roman "Der Krieg der Welten" aus dem Jahr 1898 in eine für damalige Zeit geniale Radiofassung gebracht. Welles hatte mit der Crew des New Yorker Mercury Theaters die Invasion von Außerirdischen als Reportage inszeniert.
Ein vermeintliches Musikprogramm wurde von Eilmeldungen, Augenzeugenberichten und Experten-Interviews unterbrochen, was dem Hörspiel so große Glaubwürdigkeit verlieh, dass mancher Hörer tatsächlich meinte, die Aliens stünden an der Freiheitsstatue. Irgendwie auch kein Wunder, diese Kriegsangst, schließlich hausten drüben in Europa die Germans – oder wie auch immer diese Aliens mit den komischen Schnauzbärten heißen mochten.
Fake News
Jedenfalls kontaktierten ein paar hundert besorgte Hörer ihre Sender und Polizeistationen, konnten aber schnell beruhigt werden. Anders die Redakteure der Zeitungen. Die produzierten in den folgenden Tagen buchstäblich "fake news"! Das Radiostück, hieß es, habe Tausende in Angst und Schrecken versetzt. Hysterie, Massenpanik, ja Suizide seien die Folge gewesen. Selbst gestandene Medienwissenschaftler sprangen später auf dieses ziemlich schmale Faktenbrett und balancierten über ihre sogenannten Fachpublikationen. In Wahrheit gab es keine Panik. Nur ein gut gemachtes Radio-Stück. Was die allermeisten Hörer durchschauten, um nach kurzer Hörspiel-Aufregung wieder die Musik zu genießen. Zum Beispiel Benny Goodmans "Don´t be that way". Auf gut Bairisch: "Geh, sei ned so!"