Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. Mai 1933 Oskar Maria Graf: Verbrennt mich!

Da ist er ins Exil gegangen und kritisiert den NS, wo es geht. Prompt empfiehlt ihn Hitlers Partei als Autor und schreibt ihn neben Blut-und-Boden-Textern auf die weiße Liste. Allerdings auf der schwarzen Liste steht er auch, das wiederum freut Oscar Maria Graf. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 12.05.2023 | Archiv

12.05.1933: Oskar Maria Graf: Verbrennt mich!

12 Mai

Freitag, 12. Mai 2023

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Vielleicht saß er - um mal alle Klischees zu bedienen - in der Lederhose in einem Wiener Kaffeehaus. Den Berliner Börsen-Courier vor sich auf dem Tisch. Oder er saß in seinem Logis in der Siebensterngasse, noch im Schlafanzug auf dem Bett, mit verstrubbelten Haaren, die Zeitung in der Hand? Jedenfalls muss ihn ziemlich getroffen haben, was er da las:
"Bücher, empfohlen", hieß es auf Seite 6. Und zwischen dem völkischen Autor Otto Gmelin und dem Blut-und-Boden-Apologeten Friedrich Griese, da stand tatsächlich sein Name: Graf, Oskar Maria.

Auf der Liste

Er muss es nochmal lesen: Er, Oskar Maria Graf, bayerischer Schriftsteller, Sozialist, Pazifist, Privatfeind Hitlers steht auf der Weißen Empfehlungsliste für Schöne Literatur der Nationalsozialisten?
"Diese Unehre habe ich nicht verdient! "
Graf lebt seit knapp drei Monaten in Wien. In seinem ersten Exil. Von einer Vortragsreise ist er nicht mehr nach München zurückgekehrt. Oskar Maria Graf, das nehmen wir jetzt mal an, packt die kalte Wut. Er setzt sich an die Schreibmaschine und haut eine Protestschrift von 70 Zeilen in die Tasten. Fünf Tage später, am 12. Mai 1933, erscheint sie unter anderem in der Wiener Arbeiterzeitung, unten auf Seite eins, Überschrift: "Verbrennt mich!"
Oben auf der Seite der aktuelle Bericht von den Bücherverbrennungen in Deutschland. Zwei Tage vorher haben vor allem rechte Studenten die Bücher von 400 Schriftstellern eingesammelt und in die Flammen geworfen. Von jüdischen, linken, sozialistischen, sozialdemokratischen oder auch nur kritischen Geistern. Und seine - waren nicht dabei?
"Ich bin also dazu berufen, einer der Exponenten des "neuen" deutschen Geistes zu sein! Vergebens frage ich mich, womit ich diese Schmach verdient habe."

Sowohl als auch

Dabei war die Wahrheit hinter dieser historischen Fehleinordnung wahnsinnig banal: Graf stand auf beiden Listen. Auf der Weißen Liste der empfohlenen Literatur. Und auf der Schwarzen Liste der ab sofort geächteten Schriftsteller, ordentlich archiviert vom Bundesarchiv, da findet sich sein Name genauso.

In ihrem Feuer- und zugleich Reinheitsfuror der Literatur hatten die Nazis Nägel mit Köpfen gemacht, in dem Fall mit zwei. Der Börsen-Courier hatte das offenbar nicht mitgekriegt, und Graf in Wien natürlich auch nicht. Sein wütender Text, der gleichzeitig der bekannteste öffentliche Protest gegen die Bücherverbrennungen an sich war, fand Aufmerksamkeit in der ganzen Welt.

"Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!"

Erstaunlich ist, dass Graf solch pathetische Worte wählt. Ist einfach die Wut mit ihm durchgegangen? Wollte er die Nazis mit ihren eigenen Waffen, sprich, ihrer eigenen Sprache bekämpfen - oder wollte er einfach nur sichergehen, von ihnen diesmal auch wirklich verstanden zu werden ...  


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