26. April 1717 Untergang des Piratenschiffs "Whydah"
Das englische Schiff Whydah wurde als Sklaventransporter gebaut, dann jedoch von Piraten gekapert. Unter Piratenflagge wurde sie zum Flaggschiff von "Black Sam" Bellamy und beförderte schließlich den größten bekannten Piratenschatz aller Zeiten. 1717 warf ein Hurrikan die Whydah nur 150 Meter von ihrem Zielhafen auf eine Sandbank. Autorin: Ulrike Rückert
26. April
Mittwoch, 26. April 2023
Autor(in): Ulrike Rückert
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Die Whydah war ein prächtiges Schiff: ein großer Dreimaster, aber wendig und schnell, bestückt mit achtzehn Kanonen. Sie gehörte Humphry Morice, Kaufmann, Parlamentsmitglied, Direktor der Bank von England und einer der größten Sklavenhändler Englands.
Im Sommer 1716 segelte einer seiner Kapitäne mit ihr an der Küste Westafrikas entlang und tauschte Kupferpfannen, Glasperlen und Musketen gegen Elfenbein, Gold und einige hundert entführte Menschen. Dann nahm er Kurs auf die Karibik. Auf Jamaika verkaufte er die Afrikaner, lud dafür Zucker, Indigo und Silber ein und machte sich auf den Heimweg.
Zwischen Kuba und Hispaniola tauchten hinter der Whydah die Segel zweier Schiffe auf, und der Kapitän sah eine schwarze Flagge mit Totenkopf im Wind flattern. Die Piraten jagten ihn drei Tage lang, dann holten sie ihn ein. Sie nahmen sich die Whydah, gaben deren Besatzung eins von ihren Schiffen und ließen sie ziehen.
Unter schwarzer Flagge
Für "Black Sam" Bellamy war die Whydah mit ihrer kostbaren Fracht sein bester Fang. Ein Jahr zuvor war er noch ein englischer Matrose ohne einen Penny in der Tasche. Jetzt kommandierte er zwei Schiffe mit hundertachtzig Mann und raubte alles aus, was ihm vor den Bug kam, vom Fischerboot bis zum großen Handelsschiff. Seine Bande nannte sich "Robin Hoods Männer". Einem Kapitän, den er gerade überwältigt hatte, hielt Bellamy eine Rede: Hühnerherzige Hohlköpfe seien alle, die sich den Gesetzen unterwarfen, die reiche Männer zu ihrem eigenen Vorteil gemacht hätten. Die Reichen beraubten die Armen unter dem Deckmantel des Rechts, und die Piraten plünderten die Reichen aus.
"Ich bin ein freier Fürst", verkündete er, "mit demselben Recht, Krieg gegen die ganze Welt zu führen, wie einer, der hundert Kriegsschiffe hat." Mit der Whydah plünderte sich Bellamy die Ostküste von Nordamerika hinauf. Einmal enterten seine Leute drei Schiffe an einem Tag. Am Abend des 26. April 1717 geriet er vor Cape Cod in einen Sturm. Die Whydah krachte auf eine Sandbank. Der Hauptmast brach, die Kanonen rissen sich los. Bellamys Männer wurden zermalmt, erschlagen, von Brechern ins Meer geschleudert. Im Morgengrauen schlug die tobende See die Whydah in Stücke. Binnen Stunden waren die Strandräuber von Cape Cod zur Stelle und schleppten alles davon, was die Wogen an Land spülten.
Krieg den Piraten
Nur zwei Mann überlebten den Untergang der Whydah und wurden gefangen genommen. Sieben andere hatte Bellamy als Wache auf ein gekapertes Schiff geschickt, das im Sturm an der Küste strandete. Sie wurden auch verhaftet. Sechs der Piraten wurden zum Tode verurteilt und im Hafen von Boston gehängt.
Das war ein Auftakt zu vielen Spektakeln dieser Art. England erklärte den Piraten den Krieg. Die treibende Kraft dahinter waren die Plantagenbesitzer und Sklavenhändler, und Humphry Morice war ihr Sprachrohr. Als dieser ehrenwerte Mann starb, hatte er zehntausende Menschen als Handelsware ge- und verkauft. Und wie sich herausstellte, hatte er auch die Bank von England um eine gewaltige Summe betrogen und das Treuhandvermögen seiner eigenen Tochter gestohlen.