20. August 1980 Reinhold Messner bezwingt den Mount Everest
Am 8. Mai 1978 stand Reinhold Messner auf dem Gipfel des Mount Everest. Erstmals stand da ein Bergsteiger ohne zusätzlichem Sauerstoff. Aber er war nicht allein. Peter Habeler war bei ihm. Und deshalb musste Reinhold Messner nochmal hinauf, allein, solo, einsam. Autorin: Julia Zöller
20. August
Freitag, 20. August 2021
Autor(in): Julia Zöller
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Die meisten Menschen sind nicht gern allein. Das wusste schon (der liebe) Gott, und hat bekanntermaßen gleich am Anfang zwei Menschen erschaffen. So will es jedenfalls die Bibel.
Wäre der Bergsteiger Reinhold Messner der erste Mensch der Welt gewesen, wäre Eva vermutlich erstmal eine Weile allein gewesen. Nicht, dass Messner keine Frauen mag, aber manche Dinge macht er gern "solo".
Ohne alles
Zum Beispiel auf den Mount Everest steigen. Ohne Sherpas, ohne Träger, ohne Sauerstoff-Flaschen.
Am 20. August 1980 hockt Reinhold Messner oben auf dem höchsten Berg der Welt, seine Freundin wartet unten im Lager. Zum Beweis macht er ein Gipfelfoto mit Selbstauslöser. Es zeigt eine einzelne daunenverpackte Gestalt im Schnee. Man erkennt nicht, ob sie lächelt. Vermutlich nicht, denn glücklich, sagt Reinhold Messner, war er auf über 8800 Metern erstmal nicht.
Klingt komisch, denn Messner wollte ja unbedingt allein da hoch. Hätte er auch sein lassen können, schließlich war er schon mal auf dem Gipfel des Mount Everest, gerade mal zwei Jahre zuvor, im Mai 1978: "Erste Everest-Besteigung ohne Luft aus Sauerstoff-Flaschen". Viele hatten geglaubt, der menschliche Körper hält das gar nicht aus in der Höhe. Er aber hatte bewiesen: Es ist hart, es tut weh, aber: es geht.
Im Team, denn der Extrem-Bergsteiger Peter Habeler war auch mit dabei. Außerdem stand unten eine ganze Hilfsmannschaft bereit. Aber Erster waren sie trotzdem.
Das aber reicht einem Reinhold Messner ja nicht lange. Im Sommer 1980 ist er also wieder im Himalaya. Für die Solo-Besteigung. Ohne die ganze Entourage und das Material. Sogar das Funkgerät bleibt unten.
Solo
Das Basislager liegt diesmal in Tibet auf der Nordseite des Everest, erst seit kurzem lassen die Chinesen überhaupt wieder Touristen ins Land.
Messner, der den Berg gern mit seinem tibetischen Namen Qomolangma nennt, startet am 18. August. Er lässt seine Freundin Nena auf über 6500 Metern allein im Zelt zurück und steigt im Dunkeln los. Wenig später bricht ihm unterhalb des Nordsattels unvermittelt der Boden weg. Messner rutscht 8 Meter tief in eine Eisspalte. Nur weil er einen Vorsprung findet und ein erfahrener Kletterer ist, kann er sich unverletzt nach oben stemmen. Solo mit Schutzengel? Messner fühlt sich mehr wie Sisyphos, wenn er sich Schritt für Schritt und Atemzug für Atemzug durch Sturm und Nebel Richtung Gipfel arbeitet. Ob Sisyphos auch mit seinem Stein gesprochen hat, wie er jetzt mit seinem schweren Rucksack? Die Last erscheint ihm in der dünnen Luft über 8000 Metern wie ein treuer schweigsamer Freund. Bei aller Mühe und Überwindung: Messner genießt beim Steigen auch diese absolute Konzentration auf den Berg, und sein eigenes, kompliziertes Ich.
Hätte der liebe Gott statt Adam tatsächlich einen Reinhold geschaffen, er wäre wohl ein glücklicher erster Mensch gewesen. Solo auf der Welt die noch niemand vor ihm erkundet hat. Vielleicht hätte Eva aber irgendwann die Geduld verloren, und wäre selbst losgezogen. Auch solo…