Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

13. Dezember 2004 Robert Gernhardt erhält Heinrich-Heine-Preis

Robert Gernhardt: Schriftsteller, Dichter, Zeichner und Maler, berühmt besonders durch seine Satiren, seine komischen Gedichte und seine Zeichnungen in der Tradition von Wilhelm Busch. Als einer der wichtigsten zeitgenössischen Dichter deutscher Sprache wurde er 2004 mit dem Heinrich-Heine-Preis ausgezeichnet. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 13.12.2024 | Archiv

13.12.2004: Robert Gernhardt erhält Heinrich-Heine-Preis

13 Dezember

Freitag, 13. Dezember 2024

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Eine der großen Fragen zeitgenössischer Kultur lautet: "Ist das Kunst oder kann das weg?" Zum geflügelten Wort ist diese Frage vermutlich auch deshalb geworden, weil sie sich in der Tat manchmal nur schwer beantworten lässt. Was nicht nur für moderne darstellende Kunst gilt, sondern auch für die Literatur. "Der Künstler geht auf dünnem Eis. / Erschafft er Kunst? Baut er nur Scheiß?", fragte der Dichter Robert Gernhardt, der dem Humor keineswegs abgeneigt war. Auch Gernhardt hat viel "Scheiß gebaut", schon von Berufs wegen. Schließlich war er Mitbegründer jener Gruppe von Schriftstellern, Zeichnern und Satirikern, die in den 1960er Jahren aus der Redaktion der Satirezeitschrift "Pardon" hervorgegangen war und später das Satiremagazin "Titanic" gegründet hat. "Scheiß bauen" gehörte da quasi zum guten Ton, war Arbeitsgrundlage und oberste Tugend in einem.

Neue Frankfurter Schule

"Neue Frankfurter Schule" nannten sich die Satiriker seit Anfang der 1980er Jahre, in Anspielung auf die altehrwürdige philosophische Frankfurter Schule um Theodor Adorno und Max Horkheimer. Die hatten scharfsinnige Gesellschaftskritik betrieben, und das taten auch die Neuen, aber eben humorvoll, leicht und spielerisch – mit Hilfe von Cartoons, Satiren und Nonsens-Gedichten.
Robert Gernhardt beherrschte all diese Fächer. Er hatte Malerei und Germanistik studiert und lebte seit 1964 als freiberuflicher Maler, Zeichner, Karikaturist und Schriftsteller in Frankfurt am Main. "Wer nicht auf tausend Hochzeiten tanzt, / wird vom Gedicht nicht erwählt", spottete der 1937 im estnischen Tallinn geborene Deutschbalte. Das hohe Feuilleton rümpfte anfangs noch leicht verschnupft die Nase – aber vom Gedicht erwählt wurde am Ende dann doch Robert Gernhardt.

"Ein Heine für unsere Kreise!"

Und wie! "Der legitime Erbe Brechts!", jubelten die Kritiker: „Von ringelnatzschen Gnaden!“ – "Ein Heine für unsere Kreise!" Die Elogen waren kein Wunder, denn Gernhardt konnte immer beides: satirisch-komisch und ernsthaft-poetisch.
Daher war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis er einen Anruf von der Stadt Düsseldorf bekam. Am 13. Dezember 2004, seinem 67. Geburtstag und eineinhalb Jahre vor seinem Tod, erhielt Robert Gernhardt den Heinrich-Heine-Preis. Verliehen wird diese Auszeichnung an Persönlichkeiten, die sich wie Heine für Grundrechte und Völkerverständigung einsetzen. Als vielseitiger Künstler und kritischer Beobachter hatte Gernhardt stets mit spitzer Feder die "deutschen Zustände" kommentiert. Und war damit ein würdiger Nachfolger jenes Heinrich Heine, der als deutscher Jude zum Protestantismus konvertiert war und ins katholische Frankreich emigrieren musste. Heine, der Heimatlose, zählt zu den bedeutendsten deutschen Dichtern, Schriftstellern und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Gernhardt schätzte ihn sehr, auch wenn er das Gesamtwerk erst spät, im Alter von 60 Jahren für sich entdeckte. Von da an aber war Heine stets im Gernhardtschen Gepäck, auch wenn´s mal wieder darum ging, unter italienischen Zypressen den deutschen Nebel und die deutschen Knödel zu vergessen. "In dem Herzen der Toskana/ will vom Deutschtum ich genesen / und um meinen Sinn zu festgen / werde ich Heinrich Heine lesen."


1