22. Januar 1660 Samuel Pepys trägt zum ersten Mal die neuen Schnallen an den Schuhen
Als Beamter führt er auch privat akribisch Buch über sein Leben, das der anderen und den ganzen Rest. Samuel Pepys ist wohl einer der bekanntesten Tagebuchschreiber seiner Zeit, bis heute stützen sich Historikerinnen und Historiker auf seine Ausführungen. Autorin: Carola Zinner
22. Januar
Montag, 22. Januar 2024
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Er muss um die Bedeutung der Tagebücher gewusst haben: Am Ende seines Lebens sorgte Samuel Pepys dafür, dass die unscheinbaren Bände zusammen mit seiner kostbaren Bibliothek als Stiftung an das Magdalene College gingen. Irgendjemand dort würde sie schon entdecken und entschlüsseln. Aber eben erst lange nach seinem Tod: Alles andere hätte seinen Ruin bedeutet.
Einfach mal ehrlich
10 Jahre lang, von 1660 bis 1669, schreibt Samuel Pepys jeden Abend detailliert auf, was der Tag gebracht, wen er getroffen, welche Lieder er gesungen, was er gegessen, wie er sich gekleidet, sein Haus ausstaffiert, seine Förderer umschmeichelt, was er mit seiner Frau besprochen hatte. Und was er da in Kurzschrift notiert – am Ende werden es 3.000 eng beschriebene Seiten sein – passt nur wenig zum gesetzten Ehrenmann, als der er sich in der Öffentlichkeit präsentiert. Es sind bewegte Zeiten in England: die Hinrichtung von Jakob I. ist noch nicht lange her - Pepys selbst hat damals, wie er dem Tagebuch anvertraut, begeistert zugeschaut. Aber das darf natürlich niemand wissen, jetzt, wo der Puritaner Cromwell tot ist und England wieder zur Monarchie zurückkehrt.
Schon wieder Monarchie
Ausgerechnet Pepys´ "Gnädiger Herr", sein entfernter Verwandter Sir Edward Montagu, hat die Heimreise König Karls II. aus dem Exil organisiert und ihn, den Sohn eines einfachen Webers, in die Arbeit eingebunden.
Alles, was er dabei erlebte, hielt Pepys in seinem Tagebuch fest, so wie er später auch den großen Brand von London festhält oder den Ausbruch der Pest, in Texten, die es bis in die Geschichtsbücher späterer Generationen bringen werden.
Der Großteil der Aufzeichnungen aber betrifft die kleinen Alltäglichkeiten, aus denen das Leben nun mal besteht: der Ärger im Büro, die Freude über einen gelungenen Kauf, Besuche bei Freunden oder Verwandten, "Nachmittags in den Gottesdienst von Mr. Henning, wo es eine langweilige und nichtssagende Predigt gab", heißt es etwa am 22. Januar 1660. "Dann zu meinem Vater, wo wir sehr vergnügt zu Abend aßen. Dann mit der Kutsche nach Hause. Trug heute zum ersten Mal die Schnallen an den Schuhen, die ich gestern bei Mr. Weston gekauft habe." Alles ist auf wundersame Art von Bedeutung, nichts soll in Vergessenheit geraten, und sei es auch nur, damit man nochmal nachlesen kann, wie sich die Sache damals ereignet hat - und eventuell auch, welche Geschichte man den anderen dazu auftischte. Denn ach, so emsig der hohe Beamte auch die Predigt besucht, betet und Gott dankt, er ist ein arger Sünder, eitel und herrisch, eifersüchtig, untreu und so verlogen, dass sich die Balken biegen. Aber eben nur seinen Mitmenschen gegenüber, nie im Tagebuch, wo er alles getreulich und oft recht genüsslich beichtet, und auch immer wieder reuig gute Vorsätze fasst, vor allem, wenn er mal wieder erwischt worden ist. Was aber vergleichsweise selten geschah. Denn Pepys besaß nicht nur wie alle guten Lügner ein exzellentes Gedächtnis, sondern eben dazu auch noch ein sorgfältig geführtes Tagebuch.