27. März 1990 In London wird Sherlock Holmes Museum eröffnet
Anfang des 20. Jahrhunderts erschütterte Großbritannien der Raubmord an der reichen Miss Gilchrist. Bis heute ist er nicht vollständig geklärt. Hobby-Detektiven, die sich nun herausgefordert fühlen, könnten im Sherlock Holmes-Museum in London in Sachen Ermittlungskunst fündig werden. Autorin: Isabella Arcucci
27. März
Montag, 27. März 2023
Autor(in): Isabella Arcucci
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Schottland, 1925. William Gordon wird aus dem Knast entlassen. Die Wächter ahnen nicht, dass er etwas hinausschmuggelt. Unter seiner Zunge steckt ein Fetzen Papier. Eine Notiz seines Knastbruders Oscar Slater. Er sitzt wegen Raubmords.
Wäscheleinen und ein Mord
An einem Abend im Dezember 1908 war die 21-jährige Helen Lambie ausgegangen, um ihrer wohlhabenden und betagten Herrin Miss Gilchrist die Zeitung zu holen. Als Helen heimkommt, läutet der Nachbar Mr. Arthur Adams bereits sturm. Er ist besorgt, in Miss Glichrists Wohnung habe es laut gepoltert. Ach, wahrscheinlich ist die Wäscheleine gerissen, beschwichtigt Helen. Polternde Wäsche? Adams lässt nicht locker, Helen öffnet die Tür. Ein Fremder kommt ihnen aus der Wohnung entgegen, geht gelassen an ihnen vorbei ins Treppenhaus. Helen reagiert gar nicht. Ist er ein Freund des Hauses? Helen stellt nun als erstes fest, dass die Wäsche in der Küche, gottlob! noch hängt. Aber wo ist ihre Herrin? insistiert Adams. Die liegt mit eingeschlagenem Schädel im Wohnzimmer. Ihre Schmuckschatulle ist offen, eine Brosche fehlt.
Mr. Adams stürmt dem fremden Mann nach - zu spät. Er ist weg. Mit welcher Chuzpe der Mörder an ihnen vorbei geschlendert ist! Ganz klar, es war Oscar Slater, der deutsche Jude, der ein paar Häuser weiter wohnt. Gleich am nächsten Tag reist der mit seiner Geliebten nach New York, zuvor hat er noch eine kostbare Brosche beim Pfandleiher versetzt. Slater wird in New York festgenommen und Helen Lambie erkennt ihn bei der Gegenüberstellung. Doch Slater ist unschuldig und der Einzige, der ihm noch helfen könnte, ist jemand wie Sherlock Holmes.
Die erste Adresse für Freunde des gepflegten Mordes
Sherlock Holmes! Seine internationale Fan-Gemeinschaft ist bis heute riesig. Und seit dem 27. März 1990 ist es Kriminostalgikern möglich, die kuschelig mörderische Welt der Bakerstreet 221b real und doch gefahrlos zu erleben. Denn da öffnete das Sherlock Holmes Museum in London an eben jener Adresse seine Tore und lädt seitdem ein, in das heimelig viktorianische Ambiente von Sherlocks Wohnung - inklusive Andenkenshop. Hier können Mord und Totschlags-Enthusiasten Sherlock-Quietscheentchen oder einen Sherlock Holmes-Hut für Hunde erwerben. So ist man bestens gerüstet, um die kniffligsten Fälle zu lösen.
Wie jenen von Oscar Slater. Doch Slaters Fall war nicht Fiktion. Auf dem Zettel, den sein Kumpel unter der Zunge schmuggelte, stand: «vergiss nicht, Conan D. zu schreiben oder ihn zu sehen.» Arthur Conan Doyle, der Bestsellerautor und geistige Vater von Sherlock Holmes, hatte sich Slaters Fall angenommen und deckte zahlreiche Ermittlungsfehler auf: die Brosche, die Slater versetzt hatte, gehörte gar nicht Miss Gilchrist, Helen Lambie verstrickte sich bei ihren Aussagen in Widersprüche und die Tatwaffe war ein Stuhlbein und nicht jener Hammer, den man bei Slater fand. Durch die Bemühungen von Doyle und anderen Unterstützern kam Slater frei. Nach 18 Jahren Haft. Doch wer war der echte Mörder? Der enterbte Neffe des Opfers, der ein Verhältnis mit Helen Lambie hatte? Dieses Rätsel konnte auch Conan Doyle nicht lösen. Dazu hätte es eben doch Sherlock Holmes gebraucht.