4. April 1875 Smetanas "Die Moldau" uraufgeführt
Smetanas sinfonische Dichtung "Die Moldau" zeichnet nicht nur den Lauf des gleichnamigen Flusses nach, sondern gehört auch zu den berühmtesten Werken der Programmmusik. Smetanas bekannteste Komposition ist es gelungen zu einer Ikone der tschechischen Musik zu werden, obwohl das Stück gerade mal zwölf Minuten dauert. Autor: Frank Halbach
04. April
Montag, 04. April 2022
Autor(in): Frank Halbach
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Die Kaiserstadt Wien liegt an der schönen blauen Donau - und der gleichnamige Walzer von Johann Strauß Sohn ist die Hymne Österreichs. Von der schönen blauen Donau aus herrschten die Habsburger im 19. Jahrhundert, der Franz und seine Sisi, über Österreich, Ungarn und Böhmen - ein Vielvölkerstaat.
En vogue war es damals in ganz Europa allerdings nicht nur sich zum Klang des Wiener Walzer zu wiegen, sondern ganz besonders, sich national zu bewegen.
An der schönen blauen Moldau
Die Böhmen etwa hatten zwar kein Wien und keine Donau, aber dafür ein Prag und eine Moldau. Und so beschloss Bedřich Smetana nicht weniger als "der Schöpfer des tschechischen Stils der Musik" zu werden. Dazu komponierte Smetana eine Art klingendes Bilderbuch, das er schlicht "Mein Vaterland" nannte. Neben dem Walzer war musikalisch damals nämlich noch etwas sehr "in": Sinfonische Dichtungen, Musikstücke für Orchester, die Außermusikalisches schilderten, also zum Beispiel Inhalte, Menschen, Sagengestalten oder eben Landschaften. Smetanas Musik beschrieb so die Landschaft seiner Heimat in sechs sinfonischen Dichtungen.
Das berühmteste Stück des Zyklus geworden ist zweifellos: Die Moldau. Ein so wundervoller Fluss, dass der Komponist selbstbewusst auf das "schöne blaue" verzichtete. Seine Moldau erzählt tönend von den beiden ersten Quellen, der kalten und der warmen Moldau, dem Lauf des Flusses durch Wälder und Flure, vorbei an fröhlichen Festen und mondbeschienenem Nymphentanz und von Stromschnellen, bis der majestätische Strom schließlich Prag erreicht.
Für immer im Fluss
Und im dortigen Sophiensaal erklang "Die Moldau" auch zum ersten Mal, am 4. April 1875. Allerdings nicht für ihren Schöpfer. Denn Smetana teilte das Schicksal Beethovens: Als er die "Moldau" schrieb, war er bereits ertaubt.
So musste er allerdings wenigstens auch das Gemecker nicht mehr hören. Denn die sinfonische Dichtung war zwar "in", aber erfunden hatten sie nicht die neutralen Schweizer, sondern Franz Liszt. Der war zwar europäischer Weltbürger, aber auch der Schwiegervater des nur zwei Jahre jüngeren Richard Wagner. Und Wagner war… nun ja: schrecklich deutsch! Schon hielten einige von Smetanas Landsleuten ihn für einen volksfeindlichen Gefolgsmann Wagners. In dieses Horn blies auch der wohl gefürchtetste Kritiker seiner Zeit und Erzfeind Wagners: der aus Prag stammende Wiener Kritiker Eduard Hanslick. Der schwärmte für die schöne blaue Donau von Strauß als ein "patriotisches Lied ohne Worte".
Smetanas "Moldau" aber verspottete Hanslick als "patriotisch übertreibendes Getöse, das den Moldau-Wirbel für einen zweiten Niagara-Fall ausgeben möchte." Die beschreibenden Worte zur Komposition hatte er anscheinend nicht gelesen: im Finale erreicht die Moldau in triumphalen E-Dur nicht Prag, sondern mündet in die Elbe.
Seit Hanslick Kritik ist viel Wasser die Moldau runtergeflossen. Die zwölf Minuten lange Moldau von Smetana aber fließt und tönt, immer, und immer wieder von Außergefild und dem Bayerischen Wald bis zur Elbe.