Bayern 2 - Das Kalenderblatt


14

6. April 1980 Die Sommerzeit wird eingeführt

Im 19. Jahrhundert hatte jedes Dorf noch seine eigene Zeit, dann machte die Eisenbahn den gemütlichen Verhältnissen Beine. Erst erfand man Zeitzonen, dann trickste man mit der Sommerzeit. Seit dem 6. April 1980 läutet der Wecker im Sommer wieder eine Stunde früher.

Stand: 06.04.2010 | Archiv

6. April 1980: Die Sommerzeit wird eingeführt

06 April

Dienstag, 06. April 2010

Autor: Kristina Krüger

Redaktion: Thomas Morawetz

Früher Morgen, der Wecker schrillt. Träge auf die Schlummertaste. Das war ja nur ein Nickerchen. Geht der Wecker falsch? Nein, der macht alles richtig. Aber irgendetwas ist verkehrt. Stimmt! Es ist mal wieder Sommerzeit!

Früher hat es so einen Unsinn natürlich nicht gegeben. Da hatte man in Deutschland noch nicht einmal eine einheitliche Zeit. Bis ins 19. Jahrhundert hinein hatte sogar jeder einzelne Ort seine eigene Zeit, denn die richtete sich überall nach der Sonne. Stand die in ihrem höchsten Punkt, war es eben Mittag, und der Pfarrer zog am Glockenseil. So einfach war das. Im nächsten Dorf war dieser Zeitpunkt um einige Minuten versetzt - und so weiter. Heute natürlich undenkbar - damals gar kein Problem. Wenn man nämlich unterwegs war, dann per Kutsche, und die minimalen Zeitverschiebungen waren bei Reisen kaum spürbar. Erst als mit der Industrialisierung die Eisenbahn aufkam, wurde die Zeitdifferenz zum Ärgernis. Wie sollte man Fahrpläne zusammenstellen? Und so wurden Fahrpläne plötzlich ein weltweites Problem. 1884 beschlossen deshalb in Washington 27 Nationen die Einführung der Zeitzonen. Sie einigten sich darauf, jeweils die mittleren Ortszeiten zu verwenden. Neun Jahre später wurde dann auch in Deutschland eine Einheitszeit eingeführt, die mitteleuropäische Zeit - MEZ.

Also, Problem gelöst! Doch schon hatte man ein Neues: Der Tagesablauf richtete sich nun nicht mehr nach dem Licht der Sonne! Wie lässt sich nun das Tageslicht wieder besser ausnutzen? Da kam der Geistesblitz: Sommerzeit! Man brauchte doch nur zwischen März und September die Uhren eine Stunde vorstellen, und schon hatte man eine Stunde Tageslicht gewonnen. 1916 wurde das zum ersten Mal ausprobiert, prompt gab es eine Stunde mehr natürliches Licht am Tag, und das hieß sofort auch eine gesteigerte Produktion. Auf die kam es gerade jetzt besonders an, denn Deutschland befand sich mitten im Ersten Weltkrieg, und die Rüstungsindustrie boomte. Sommerzeit hieß also unterm Strich - elende Schufterei. Kein Wunder, dass sie gleich nach dem Krieg wieder abgeschafft wurde.

Und noch weniger verwunderlich ist, dass sie im nächsten Krieg gleich wieder da war. Und diesmal blieb sie auch danach im Frieden - und zwar zum ersten Mal, um Strom zu sparen! Sogar die Hochsommerzeit hatte man deshalb erfunden - alle Uhren zwei Stunden vor. Aber nein, das war dann doch zu viel: Anfang der Fünfziger war die "Turbo-Sommerzeit" gleich wieder Geschichte, und jetzt konnte man es sich auch leisten. Wirtschaftswunder! Zwei Jahrzehnte lang sorgte sich niemand mehr um Stromverbrauch - bis zum dicken Ende, der Ölkrise! Was also tun? Man ahnt es: Am 6. April 1980 um Punkt 2 Uhr morgens hieß es plötzlich wieder - Sommerzeit, dritter Versuch.

War jetzt alles gut? Die Ernüchterung folgte noch im selben Jahr. Die deutschen Elektrizitätswerke meldeten: "Ein Minderverbrauch ist nicht nachweisbar." Im Gegenteil: Es tat sich das sogenannte "Kälteloch" auf. Je früher man aufsteht, umso kälter ist es, und umso mehr muss man heizen. Zerknirscht meldete das Bundeswirtschaftsministerium: "Kosten und Nutzen der Zeitumstellung halten sich die Waage".

Dabei ist es bis heute geblieben, und daran wird sich auch in nächster Zukunft nichts ändern. Denn inzwischen haben wir Energiesparlampen, und der Stromverbrauch sinkt ohnehin. Dafür kommt eine neue zeitgeistige Frage dazu: Was ist mit dem Biorhythmus? Experten raten: in der Umstellungsphase früh aufstehen, joggen, Morgenlicht tanken. Je mehr man sich nämlich dem Licht aussetzt, umso leichter lässt sich auch die innere Uhr umstellen. Die innere Uhr, also die ureigene. Und wir merken - ob Wecker oder Biorhythmus - eine Stunde fehlt, und die wollen wir zurück!


14