Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. April 1962 Star-Club im Haus Große Freiheit 39 eröffnet

Adresse: Große Freiheit 39, Hamburg, Sankt Pauli. Hier fand sich einst das beliebte Stern-Kino. Dann baute man nur ein bisschen den Eingang und um, und aus dem Kino wurde der Star-Club. In dem Musikclub gastierten fortan die Größen der Rockmusik. Vor allem Auftritte der Beatles machten den Club weltberühmt. Autorin: Julia Zöller

Stand: 13.04.2022 | Archiv

13.04.1962: Star-Club im Haus Große Freiheit 39 eröffnet

13 April

Mittwoch, 13. April 2022

Autor(in): Julia Zöller

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Und dann haben sich die Beatles ein Schweinchen gekauft. Auf dem Hamburger Fischmarkt, morgens um sechs im Jahr 1962. Sie nennen es Bruno und führen es mit einer Hundeleine spazieren.

Wenig später sitzen Paul, John, George und Ringo, verkatert, mit Schwein auf der Davidwache in Sankt Pauli. Anzeige wegen Tierquälerei. Der diensthabende Beamte telefoniert, jemand muss diese halbstarken "Piedels", nur so viel hat er verstanden, abholen, und zwar samt Schwein.  

Schwein gehabt

Also schwingt Horst - genannt Hoddel - Fascher sein Bein aus dem Bett an der Reeperbahn und tut, was ein guter Band-Betreuer tut: er holt die "Piedels" vom Revier und verfrachtet sie in die Stockbetten. Später zieht er ihnen den Strafbefehl über 750 Mark von der Gage ab. Strafe muss sein.
"Die Beatles und das Schwein" -  ist in den umfangreichen Erinnerungen von Horst Fascher, dem Mitbegründer des legendären "Star-Club" in Hamburg, eine der sehr wenigen Geschichten, in der niemand Schläge kassiert, Sex hat oder Sex will.

Ansonsten müssen wir uns offenbar die Nächte im Star-Club genau so vorstellen wie die Adresse, Große Freiheit 39, und die Nachbarschaft: Striptease "a la bonheur". Was will man auch anderes erwarten, wenn ein musikverrückter, nachtaktiver Boxer - Fascher - finanziert von einer Rotlichtgröße - Manfred Weißleder - einen Club auf Sankt Pauli eröffnet. Mit dem festen Vorsatz, dass es dort krachen soll. Entsprechend teuer ist die Sound-Anlage. Entsprechend groß der Stern an der Fassade.

Schluss mit Dorfmusik

"Die Not hat ein Ende", versprechen Plakate, die Fascher nachts heimlich klebt und die die Eröffnung des Star-Club am 13. April 1962 ankündigen. "Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei."

Dorfmusik, das sind deutsche Schlager, Conny Froboess oder Peter Alexander. Lustig, und nett. Im neuen Star-Club, darf nur auf die Bühne wer rockt, und zwar auf Englisch. Twist ist auch ok. Die Beatles können rocken, das zeigen sie schon beim Eröffnungsabend, und das Kreischen der Fans beweist den vieren, dass sich die Investition in neue Lederjacken und Pilzkopf-Frisuren wirklich gelohnt hat. Horst Fascher, der extra nach Liverpool gereist war, um Paul, John und die anderen an die Elbe zurück zu locken, ist zufrieden, genauso wie Weißleder, sein Chef.

Vom ersten Tag an ist der Star- Club rappelvoll. Zu voll - nach dem Geschmack des Ordnungsamts, das es gar nicht gern sieht, wenn Hamburger Jugendliche im Rotlichtmilieu herumstreifen. Um 22 Uhr kontrollieren deshalb die Kellner penibel die Ausweise, und: keine Mädchen auf den Zimmern!  Noch gilt der Kupplelparagraph. Glaubt man den Erinnerungen von Horst Fascher, hat so gut wie jeder internationale Star trotzdem ein einschlägiges Sankt Pauli-Erlebnis gehabt. Ob die Rock’n Roller Bill Haley, Little Richard, Fats Domino oder der schüchterne Twist-König Chubby Checker.

Originell waren diese After-Work-Partys nicht mal mit Nostalgie-Filter. Vom Frauenbild gar nicht zu reden: Groupie, Bardame, Putzfrau. Ende.
Die Beatles haben sich in der Star-Club-Zeit noch deftigere Scherze geleistet, als den mit dem Ferkel. Harmlos war nur ihr Aussehen. Das Schwein, Bruno, ist bei Heinz, dem Schlachter, gelandet.
Und dann womöglich von Paul, John, George und Ringo im Frikadellenbrötchen verspeist worden.


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