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24. Oktober 1929 Virginia Woolfs "Ein eigenes Zimmer" erscheint

Einer der meistrezipierten Texte der Frauenbewegung: Virginia Woolfs "Ein Zimmer für sich allein". Es geht um Feminismus, Geschlechterdifferenz, Poetik und Psychologie. Virginia Woolf schätze Sigmund Freud. Ziemlich klar also, was mit der riesigen Gartengurke gemeint ist, die das Wachstum aller anderen Pflanzen hemmt. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 24.10.2023 | Archiv

24.10.1929: Virginia Woolfs "Ein eigenes Zimmer" erscheint

24 Oktober

Dienstag, 24. Oktober 2023

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Eine riesige Gurke macht sich da im Garten breit, sie bügelt Rosen und Nelken so platt, dass von Vielfalt oder Diversity keine Rede mehr sein kann. Tja, für was könnte diese Gurke wohl stehen? Na??? Kleiner Tipp: die Autorin hatte ihren Freud gelesen. Ein Phallussymbol, genau.

Die Riesengurke

Die Metapher stammt aus Virginia Woolfs brillantem Essay "A Room of One's Own", der am 24. Oktober 1929 erstmals erschien. Zu einer Zeit, als man den europäischen Frauen die Freiheiten wieder abknöpfte, die sie sich während des Ersten Weltkriegs herausgenommen hatten, als die Männer mit Krieg führen beschäftigt waren. Zurück an den Herd, hieß es auch in England, dem Heimatland der Suffragetten. Aber Virginia Woolf statuierte lieber ein Exempel und trug die Gründe zusammen, warum es bis dato so wenig weibliche Kunstschaffende gab.

Nicht, dass Frauen von Haus aus weniger begabt seien als Männer. Nein, nein! Die raumgreifende Gurke war schuld. In der Vergangenheit hätte man Frauen nicht gerade ermutigt, Malerinnen oder Komponistinnen zu sein, schreibt Virginia Woolf. Sie wurden "brüskiert, geohrfeigt, belehrt, ermahnt" und verachtet. Warum bloß? Heutzutage wird das Phänomen weitaus weniger witzig-elegant mit der "Denke alter weißer Männer" umschrieben. Man kann auch einfach von scheinbar unausrottbaren patriarchalen Strukturen sprechen. Nicht, dass Virginia Woolf das Bild mit der Gurke damals überstrapaziert hätte, es ist nur eine kleine Bemerkung auf Seite 85 in der deutschen Reclam-Ausgabe des Essays, der als der "meistzitierte Text der Frauenbewegung" gilt.
Ein bisschen hat sich deshalb wohl bewahrheitet, was die Schriftstellerin am Tag vor seinem Erscheinen in ihrem Tagebuch notierte:
Man werde es gönnerhaft als Buch abtun, das in die Hände eines jeden Mädchens gehört.

Weibliche Literaturgeschichte

Umso interessanter, dass der Text unter dem Titel "Ein Zimmer für sich allein" auf Deutsch erst fast 50 Jahre später, also 1978 herauskam, als die zweite Welle der Frauenbewegung bereits abklang. Immerhin. Ob das Büchlein allerdings je auf dem Nachtkästchen eines Topmanagers oder Staatslenkers lag, ist in der Tat fraglich, aber auch ein bisschen egal. Denn Frauen haben sich in der Kulturwelt mittlerweile gute Positionen erkämpft. Trotzdem gibt es keinen Grund, sich auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen. Vor allem, wenn man nicht nur in der dominanten Gurke, sondern auch in der unterdrückten Literatin eine Metapher sieht, eine Metapher für marginalisierte gesellschaftliche Gruppen und beiseite geschobene Ideen.

Ob es sich um elitäre Feuilleton-Debatten oder eurozentrische Beste-Bücher-Listen handelt - bis heute braucht es ja Menschen, die darauf hinweisen, dass da schon wieder eine riesige Gurke ins Bild ragt. Upps! War irgendwie vorher gar nicht aufgefallen. Aber Entschuldigungen und aufgeheizte Debatten füllen eben noch nicht die Leerstellen, die durch die jahrhundertelange Verdrängung nicht gurkenförmiger Gewächse entstanden sind. Da müsste etwas Neues wachsen können, jenseits vom Konformitätsdruck angesagter Themen, jenseits von Geschlechtsdefinitionen. Dafür braucht es außer Platz auch Mut, sagte Virginia Woolf. Wobei unterm Strich die Frage leider offen bleibt: Wie kriegt man bloß die Luft raus aus den Riesengurken dieser Welt?


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