10. Juni 1865 Wagners "Tristan und Isolde" wird uraufgeführt
Eigentlich sollte das Werk ja ursprünglich in Rio de Janeiro, dann in Karlsruhe, dann in Paris und schließlich 1863 in Wien, Dresden beziehungsweise Weimar uraufgeführt werden: Wagners "Tristan" und alles drum rum: Dreiecksgeschichten zwischen König, Komponist, Ehefrau, Geliebter, Dirigent und dem Münchner an sich. Autor: Frank Halbach
10. Juni
Montag, 10. Juni 2024
Autor(in): Frank Halbach
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Richard Wagners "Tristan und Isolde": Eine tragische Liebesgeschichte, eine schier endlose Melodie mit Leitmotiven und einer Harmonik, die alle Grenzen des zuvor dagewesenen auf das Äußerste dehnt, ... ach, wie schon der Kritikerpapst Joachim Kaiser bemerkte, es ist irgendwie banausisch den "Tristan" des Bayreuther Meisters erklären zu wollen.
Dreiecksgeschichten
Bayreuther Meister? Das führt zu einer ganz anderen Liebesgeschichte. Denn die Uraufführung des "Tristan“ fand keineswegs in Franken, sondern in der bayerischen Landeshauptstadt statt, und zwar am 10. Juni 1865 im Hoftheater. Der Grundstein zum berühmten Festspielhaus in Bayreuth wird erst sieben Jahre später gelegt, was irgendwie auch wieder damit zu tun hat, dass nicht nur Wagners Musikdrama, sondern auch alles drum rum eine Dreiecksgeschichte ist. Da ist die große Liebe des Märchenkönigs Ludwig II. zur Kunst und ganz besonders zu Richard Wagner. Auf der anderen Seite die große Liebe Richard Wagners zum bayerischen König, ganz besonders zu dessen Geld. Und dann ist da die Liebe der braven Untertanen, ganz besonders die der Münchner, zu ihrem "Kini". Abzusehen, dass ein Eifersuchtsdrama daraus wird. Den Münchnern will es nicht schmecken, dass Wagner:
Erstens bei der Revolution von 1848 politisch recht links orientiert auf den Barrikaden rumhopste, weshalb er steckbrieflich gesucht ins Exil in die Schweiz flüchtete.
Zweitens, dass der gute Richard - so die Meinung des Münchners - sich finanziell schnell als Fass ohne Boden erwies.
Drittens: Wagner war Sachse!
Viertens: diese doch sehr unüberschaubaren Liebeslebenverhältnisse des Komponisten - die nächste Dreiecksgeschichte. Denn der verheiratete Wagner lebt in wilder Ehe mit der ihm nicht angetrauten Cosima, die ihrerseits nicht nur die Tochter des wagnerbegeisterten Franz Liszt ist, sondern auch noch die sehr wohl angetraute Gattin des nicht minder wagnerbegeisterten Dirigenten Hans von Bülow, der, seine Hörner - nein, nicht die Blechbläser - ignorierend, die Uraufführung des "Tristan" leiten wird.
Ein paar Schweinehunde mehr oder weniger
Sodom und Gomorra! Jegliches Mitgefühl für den betrogenen von Bülow schwand schnell. Weniger weil Bülow auch ein Preiß war, sondern, weil er sich beim Proben seinerseits wieder in eine Liebesbeziehung einmischte, nämlich die zwischen dem Münchner und seinem Hoftheater. In dessen Orchestergraben passte zwar eine königliche Kapelle, aber kein knapp hundert Mann starkes Wagnerorchester. "Nun ja, was liegt denn daran, ob dreißig Schweinehunde mehr oder weniger hereingehen!", meint Bülow und bittet den König zur Vergrößerung des Orchesterraums ein paar Sperrsitzreihen aus dem Hoftheater herausreißen zu lassen. Zu Bülows Pech entgeht der Schweinehundesatz der bayerischen Presse nicht. Und nicht nur, dass a Preiß den Münchner Theaterbesucher beleidigt, nein, weil: wenn Preißn, sei es aus Berlin oder sonst wo, einem bayerischen Herrscher dreinreden wollen, also das wird bis heute nicht geschätzt.
Uraufgeführt worden ist der "Tristan" dann natürlich trotzdem. Aber das von Wagner gewünschte Festspielhaus in München, am Ufer der Isar, da hat sich Ludwig II. dann doch für die Liebe seiner Untertanen entschieden und Wagner lieber ein Theater in Franken finanziert. Für den Münchner waren die ganzen preißischen Wagnerleut damit weit, weit weg - außerhalb Bayerns.