Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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Kalenderblatt World Wide Web vorgestellt

1989 entstand das Web - als Projekt an der Forschungseinrichtung CERN, in der Nähe von Genf. Der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee baute ein Hypertext-System auf, mit sogenannten Webseiten, die wieder untereinander verknüpft sind. Eine Erfindung, die die Welt grundlegend verändert hat. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 06.08.2024 | Archiv

06.08.2024: World Wide Web vorgestellt

06 August

Dienstag, 06. August 2024

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Frank Halbach

Stell Dir vor, Du hast DIE Erfindung Deiner Zeit gemacht. Eine, die die Welt von Grund auf verändert. Du hattest das Gute im Sinne. Und dann: ohne es zu wissen, die Büchse der Pandora geöffnet. Und Du musst miterleben, wie Deine Erfindung von Menschen missbraucht wird: um andere zu manipulieren, zu beklauen, zu verunsichern, niederzumachen, zu mobben – sie wird sogar dazu benutzt, um Demokratien zu unterwandern, Menschen zu überwachen und Krieg zu führen. Aus Deinem Traum, Deiner Vision, ist ein Alptraum geworden.

Schluss mit der Zettelwirtschaft

Die Realität ist gewiss nicht ganz so dystopisch. Denn die Erfindung des britischen Physikers Tim Berners-Lee hat auch manch Gutes in die Welt gebracht. Menschen auf der ganzen Welt können sich connecten, Wissen und Bildung wird für viele leichter zugänglich, neue Berufe entstehen, neue Unterhaltungsformen, ein einfacher Austausch von Informationen und Nachrichten ist möglich. Wir können uns daten und verlieben, trotz Lockdown unsere Freunde treffen und arbeiten, wir können einen Supermarkt-Einkauf nach Hause bestellen, uns weiterbilden, Reisen buchen, die ganze Welt mit der virtuellen Lupe anschauen und in Straßen und auf Marktplätze zoomen. Dank Internet. Anfangs wäre es fast nicht über das Stadium einer Idee hinausgekommen. Tim Berners-Lee arbeitete in den 1980ern in der europäischen Forschungseinrichtung Cern in der Nähe von Genf. Was ihn damals total nervte: Die Zettelwirtschaft. Jeder erstellte seine wissenschaftlichen Paper am eigenen Rechner, druckte sie dann aber aus und verteilte sie von Hand. Denn das französische und das schweizerische System waren einfach nicht miteinander kompatibel, ein Datenaustausch nicht so ohne Weiteres möglich – nur über ‘ne Menge Totholz auf den Konferenztischen eben.

Wenn er doch nur digital auf alles zugreifen könnte! Berners-Lee setzte sich hin und überlegte: Wie kann das klappen, dass jede Forscherin und jeder Forscher auf die Dokumente des anderen digital zugreifen kann? Seine simple Idee: per "Verflechten", per Web – per Hyperlink! Ein "Universum von Dokumenten" wollte er schaffen, zu dem jeder Zugang hat. Seinen Chef gefragt, wie er das findet, meinte der: "vage, aber aufregend." Nicht wirklich viel Unterstützung!

www

Trotzdem schuf Berners-Lee binnen drei Monaten, was nach wie vor die Basis des Internets ist: HTML, http und URL. Und er vergab die Adresse für die erste Webseite: info.cern.ch. Am 06. August 1991 stellte Tim Berners-Lee sein Projekt "www" dann der Öffentlichkeit vor. Alles ging rasant schnell. Die Welt veränderte sich im Zeitraffer durch Hyperlinks. Mittlerweile hat sein damaliger Chef eingesehen, dass die Idee echt was taugte und Berners-Lee hat auch jede Menge Anerkennung fürs World Wide Web bekommen: Geld zwar nicht, aber eine Ehrung bei den Olympischen Spielen in London und eine Adelung zum Ritter. Immerhin. Wirklich glücklich hat Berners-Lee seine Erfindung aber nicht gemacht. Datenmissbrauch, Desinformationen, Hassrede und Zensur bereiten ihm schlaflose Nächte. Sie sind mit dem World Wide Web in ungeahntem Ausmaß in die Welt gebrochen. Berners-Lee bleibt nur noch ein Appell an die moralische Verantwortung. Doch wer mag es hören? Die Erfindung ist inzwischen größer und mächtiger geworden als ihr Erfinder selbst es sich je hätte vorstellen können.


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