Beziehungsberatung Keine "Schuld-Stullen" schmieren!
Am Buß- und Bettag dreht sich für evangelische Christen alles um Reue und Schuld. Darum geht es auch in den meisten Beziehungskrisen, zeigt ein Besuch im Evangelischen Beratungszentrum München.
Evangelische Christen denken am letzten Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag, also kurz vor Ende des Kirchenjahres, traditionell über Umkehr nach, über das Bereuen von begangenen Sünden und einen Kurswechsel.
Seit 1995 ist der Buß und Bettag kein gesetzlicher Feiertag mehr und damit auch etwas aus dem allgemeinen Blickfeld gerückt. Vielen ist das nur recht, denn Buße klingt etwas archaisch nach Selbstkasteiung und Strafe. Dabei soll der Buß- und Bettag eigentlich etwas Positives bewirken, nämlich reinen Tisch machen und das Verhältnis zu Gott wieder ins Lot bringen.
Der große "Schuldenschnitt"
Schuld und Reue, das sind zentrale Themen auch in vielen ganz irdischen Beziehungskrisen, weiß die Psychologin Brigitte Hauner-Münch vom Team der Ehe- und Familienberatung im Evangelischen Beratungszentrum München: "Die meisten Paare kommen mit Schuldzuweisungen zu uns. Wenn ein Beratungsprozess sehr gut läuft, dann kann es sein, dass die Partner vielleicht irgendwann auch Schuld auf die eigene Kappe nehmen."
Schuld ist natürlich nicht gleich Schuld, erzählen die Berater. Aus Gesprächen mit ihren Klienten wissen die Berater: Besonders schwere Schuld kann sich sogar vererben. "Ich glaube, das gibt es", sagt eine Beraterin, "gerade in der Nazizeit, wo oft gerade Kinder und Enkelkinder Schuld ausgelebt haben."
Im Alltag aber spielen vor allem die kleinen Schuldigkeiten eine Rolle, die in der ein oder anderen Form jeder von uns mit sich herumschleppt und die man wahlweise totschweigen kann, Gras drüber wachsen lassen oder sie ausführlich besprechen. Die Strategien sind vielfältig.
Schmieren Sie bloß keine "Schuld-Stullen"!
Hochgefährlich für Beziehungen ist die klassische "Aufs-Brot-schmier-Methode". Man sammelt im Hinterstübchen seines Elefantengedächtnisses alle Alltagssituationen, in denen der andere schuld war oder mir etwas schuldig geblieben ist. Beim nächsten Streit zückt man triumphierend das Brotmesser und schmiert dem Partner quasi eine "Schuld-Stulle". Für viele Beziehungen ist das der Anfang vom Ende, warnen die evangelischen Eheberater, denn die Partner bewegen sich von einer gemeinsamen Augenhöhe in ein Machtgefälle, das Nähe unmöglich macht.
Ein Buß- und Bettag käme da eigentlich gerade recht. Die evangelische Kirche hat für ihren Buß- und Bettag erst seit dem 19. Jahrhundert ein festes Datum. Davor beging man Bußtage nach Bedarf. Eben dann, wenn es eine Schuld zu beseitigen gab.
Privater Buß- und Bettag - "Zerknirschung des Herzens"
Für Paare wäre vielleicht ein privater Buß- und Bettag eine Option. Für eine gemeinsame Umkehr, gibt es sogar mögliche Rituale die Psychologin Brigitte Hauner-Münch. "Zwei Fragen, die jeder getrennt für sich beantworten muss: Was hab ich von Dir bekommen und was bin ich dir schuldig geblieben. Es berührt die meisten sehr, das beides nebeneinander zu sehen", so Brigitte Hauner-Münch.
Wichtig für eine erfolgreiche Umkehr in der Beziehung ist aber nicht nur ein Schuldeingeständnis, sondern vor allem der Wille, es besser zu machen. Schon in der altkirchlichen Tradition waren diese Elemente absolute Grundvoraussetzungen für die Vergebung von Sünden: echte Reue, wörtlich "Zerknirschung des Herzens" und Satisfaktion, also Wiedergutmachung. Ein Schuldeingeständnis ist eben kein Blanko-Schein zum fröhlichen Weitermachen wie gehabt, meinen die Eheberater. "Ein Schuldeingeständnis bleibt an der Oberfläche. Dass einer sagt: So und was kann ich jetzt ändern, das ist mir viel wichtiger als dass einer betont offiziell sagt: Ich bin schuld."