Bayern 2 - Nachtmix


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Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von The Avalanches, M. Ward und Belle and Sebastian

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von u. a. Landshapes, Kills, Belle & Sebastian, Afrodeutsche, Late Night Final, Kacy & Clayton, Marlon Williams, M. Ward, Salami Rose Joe Louis und Kamasi Wahington.

Von: Angie Portmann

Stand: 10.12.2020

The Avalanches - We will always love you | Bild: Universal

The Avalanches – We will always love you

Die neue Platte der Australier strotzt nur so vor kosmischer Liebe im wahrsten Sinne des Wortes. „We will always love you“ ist inspiriert von der Liebesgeschichte zwischen der Schriftstellerin Ann Druyan und dem Astronom Carl Sagen. Die beiden sollten 1977 gemeinsam Songs aussuchen, die auf Schallplatten gepresst und mit der Voyager ins All geschickt werden sollten. Um ab da 1000 Jahre im All zu schweben und außerirdischen Lebensformen in entlegenen Teilen des Universums von unserem Planeten und der Menschheit zu berichten. Beim Zusammenstellen der Songs verliebten sich Druyan und Sagen und heirateten schließlich. Damit kam zusammen, was in der Regel nicht zusammengehört. Die Liebe, die endliche … und die Unendlichkeit des Universums. The Avalanches waren fasziniert. Und trommelten für ihr neues Konzeptalbum eine nicht unerhebliche Zahl von Musikerfreunden zusammen, darunter Tricky, Jamie XX, Neneh Cherry, Sampa The Great, Mick Jones von The Clash, Dev Hynes, Kurt Vile und Karen O. Um nur einige der über 20 prominenten Stimmen auf „We will always love you“ zu nennen. Alle sanft gebettet auf dem nach wie vor sehr fein gesponnenen Sampleteppich der Avalanches. Wir erinnern uns: auf ihrem Debüt im Jahr 2000, auf „Since I left you“ waren es angeblich über 3500 Samples, die aus der Platte einen Meilenstein der „Samplemania“ gemacht haben. Auch heute mixen die Australier noch gern Field-Recordings mit altem Soul, HipHop, Dub, Disco, House und Psychedelic. Allerdings klingen die Australier im Jahr 2020 nicht mehr nach gut gelauntem, knallbuntem Kindergeburtstag, „We will always love you“ beginnt geisterhaft entrückt bzw. selig verzückt, nimmt zwar zwischendurch ordentlich Fahrt auf, Stichwort „Music makes me high“, entschwindet dann aber mit sphärischen Morsezeichen. Man nehme die Samples aus der Vergangenheit, die Stimmen aus der Gegenwart und katapultiert sich damit nicht unbedingt in die Zukunft, auch nicht in ferne Galaxien (auch wenn das vielleicht der Plan war – „We will always love you“ als komprimiertes Pop-Package und extraterrestrischer Botschafter), aber mit einem perfekten Pop-Album immerhin noch schnell unter den Weihnachtsbaum. (8 von 10 Punkten)

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The Avalanches - We Will Always Love You (feat. Blood Orange) (Official Audio) | Bild: The Avalanches (via YouTube)

The Avalanches - We Will Always Love You (feat. Blood Orange) (Official Audio)

M. Ward – Think of spring

Bei M. Ward denkt man an She & Him. An Monsters of Folk. Oder auch an seine jüngste Kollabo mit Arcade Fire. Aber der US-amerikanische Singer/Songwriter veröffentlicht in regelmäßigen Abständen auch immer wieder tolle Solo-Alben. Morgen z.B. eine Billie Holiday-Tribute Platte. Mit Coverversionen von Songs aus ihrem Albums „Lady in Satin“ aus dem Jahr 1958. Ward liebt Billie Holiday, das hört man. Aber er bleibt der einsame Cowboy. Der schüchterne Workoholic, der sich hier vor einem seiner Idole tief verbeugt. Zwar ist es kein 40-köpfiges Streichorchester, das ihn begleitet, sondern nur seine akustische Gitarre, aber auch in dieser sehr runtergestrippten Version swingen die Songs sanft. Es wird Frühling, Baby. M. Ward will uns Hoffnung machen. „Think of  spring“, gerne doch. (7,9 von 10 Punkten)

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M. Ward - Think Of Spring (2020) | Bild: Radiorock TheOriginal (via YouTube)

M. Ward - Think Of Spring (2020)

Belle & Sebastian – What to look for in summer

Die schottische Band um Stuart Murdoch macht seit 24 Jahren bezaubernden, manche sagen auch „niedlichen“, allerdings nie harmlosen Indie-Pop. Haben so ihren ganz eigenen Kosmos erschaffen. Mit „What to look for in summer“ gibt’s jetzt einen bunten Live-Mix durch das super umfangreiche Repertoire der Schotten, aufgenommen während ihrer Tour im vergangenen Jahr. Kein Best of-Ersatz, aber eine sehr charmante Einladung zusammen mit den sympathischen Schotten von einem Sommer voller toller Konzerte zu träumen. (7,7 von 10 Punkten)

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Belle and Sebastian - "My Wandering Days Are Over (Live)" (Official Music Video) | Bild: bellesglasgow (via YouTube)

Belle and Sebastian - "My Wandering Days Are Over (Live)" (Official Music Video)

Landshapes – Collaps

Früher waren sie Lulu and the Lampshades - dann hat ein Konzertveranstalter in Paris Landshapes statt Lampshades auf die Tickets gedruckt. Und die Band hat sich kurzerhand umbenannt.  Ihr neues Album „Contact“ hätte ursprünglich eigentlich auch anders heißen sollen, nämlich „Collapse“. Der Titel hätte eigentlich auch besser gepasst zu dieser Platte. Denn hier kollabieren immer wieder Sounds, stürzen Gitarrenwände ein, werden Melodien zertrümmert. Genauso wie die Vorstellung von Genregrenzen. Landshapes kennen und können offensichtlich Folk und Pop, Mathrock und Psychedelic. Aber kreatives Chaos ist ihnen lieber als Kontrolle. Das schafft Raum und Platz für Experimente. Und genau das will die Band sein: unberechenbar und impulsiv. Das macht „Contact“ zu keinem einfachen, aber auch zu keinem langweiligen Album. (7,2 von 10 Punkten)

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Collapse (Landshapes Hybrid) | Bild: Landshapes - Topic (via YouTube)

Collapse (Landshapes Hybrid)

The Kills – Little Bastards

The Kills veröffentlichen mit „Little bastards“ eine Sammlung von Single-B-Seiten und Raritäten aus den Jahren 2002 bis 2009. Alle neu gemastert und schick verpackt, u.a. als gelbes Vinyl. Klingt erst mal nach gepimpter Resterampe, ist aber dann doch weit mehr. Schnell hab ich mich daran erinnert, warum ich in den Nullerjahren die Musik von Alison Mosshart und Jamie Hince so geschätzt habe. Weil ihr rauer, rumpeliger Rock’n’Roll oft mehr Blues hatte als so manch anderer Kollege vom Fach. Und ihr schroffer Minimalismus nicht nur mich, sondern sicher auch den ein oder anderen Jon Spencer Blues Explosion-Fan gekriegt hat. “Little Bastards“ heißt übrigens „Little bastards“, weil Mosshart und Hince ihren Drumcomputer so nannten, einen Roland TR 808, den sie vor allem am Anfang ihrer Karriere benutzten. Neben tollen Nummern wie  „Run home slow“ oder „London hates you“ mit einem genialen 60’s Beat finden sich auf „Little Bastards“  auch noch großartige Cover-Versionen von Howlin‘ Wolfs „Forty Four“ und Screamin‘ Jay Hawkins‘ „I Put A Spell On You“. Fazit: wenn man so viele, so coole B-Seiten in seiner Rumpelkammer gelagert hat, ist es eine fabelhafte Idee, dort mal klar Schiff zu machen, die Songs zu entstauben und zu veröffentlichen. (8,2 von 10 Punkten)

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The Kills - Passion is Accurate (Official Video) | Bild: TheKillsVEVO (via YouTube)

The Kills - Passion is Accurate (Official Video)

Kacy & Clayton with Marlon Williams – Plastic bouquet

Noch im vergangenen Jahr ihr neues Album aufgenommen haben die kanadischen Folkies Kacy & Clayton, zum Glück. Denn „Plastic bouquet“ ist zusammen mit dem neuseeländischen Folk-Star Marlon Williams entstanden, dem Ex-Freund von Aldous Harding, der dafür extra von Christchurch nach Saskatoon geflogen ist. Das wär dieses Jahr vermutlich nicht mehr so einfach gewesen (Marlon Williams war übrigens schon mit Bruce Springsteen und Florence & the Machine auf Tour und ist in dem Oscar-prämierten Film „A star is born“ aufgetreten. Und Kacy & Clayton waren u.a. schon für einen Juno Award nominiert und zwei von ihren fünf Alben hat Jeff Tweedy von Wilco produziert). Man hat den Eindruck, dass hier zwei Folk-Welten aufeinanderprallen. Der eher pazifische, experimentierfreudigere Folk von Marlon Williams und der sehr klassisch-nordamerikanische Folkansatz von Kacy & Clayton. Das hat durchaus seinen Reiz, hat zwischendrin fast einen Laurel Canyon-Flair, auch wenn es im eisig kalten Saskatoon aufgenommen wurde. (7,7 von 10 Punkten)

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Kacy & Clayton and Marlon Williams - Plastic Bouquet (Official Audio) | Bild: Marlon Williams Music (via YouTube)

Kacy & Clayton and Marlon Williams - Plastic Bouquet (Official Audio)

Kamasi Washington – Becoming OST

Kamasi Washington hat für „Becoming“, die Doku über Amerikas ehemalige First Lady Michelle Obama, den Soundtrack komponiert. Warum? Weil Michelle Obama in ihrem gleichnamigen Buch schreibt: “And heaven, as I envisioned it, had to be a place full of jazz”. Und wer wär für den Job besser geeignet als der Saxophonist Kamasi Washington, der es in den letzten Jahren wie kein anderer verstanden hat Jazz-Tradition mit einer politisch motivierten Wucht und Wut zu verknüpfen, die vor allem live, schier umwerfend war. Von dieser Dringlichkeit ist hier allerdings nichts zu spüren. Washington stellt seine Musik ganz in den Dienst der Sache, überlässt die Provokation der Protagonistin und hält sich völlig im Hintergrund. Das mag viele Fans enttäuschen, denen wie mir dieses Album allzu smooth und harmlos erscheint, aber ist eventuell auch ein Ausdruck von Demut. Außerdem: Weihnachten steht quasi vor der Tür, da schadet etwas Beschaulichkeit keineswegs, vor allem wenn sie von Kamasi Washington kommt. (7,5 von 10 Punkten)

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Shot Out of a Cannon | Bild: Kamasi Washington - Topic (via YouTube)

Shot Out of a Cannon

Salami Rose Joe Louis – Chapters of Zdenka

Salami Rose Joe Louis veröffentlicht morgen einen Ableger ihres letzten Albums „Zdenka 2080“. Soviel, sehr persönliches Material sei damals liegengeblieben, meint dazu die kalifornische Musikerin und Produzentin und sagt: „Die erste Hälfte der Platte enthält Lieder, die ich als eine Form der Therapie geschrieben habe, so dass viele von ihnen wie Tagebucheinträge sind. Sie handeln von der Angst, den Verstand zu verlieren, und von der Verwirrung einer überaktiven Phantasie. Auch von der Traurigkeit über die Konditionierung, die viele Frauen erfahren, und von dem Wunsch, diese wieder zu verlernen, auch davon handeln die Songs.“

Wie schon auf dem Vorgänger mixt Salami Rose auch auf „Chapters Of Zdenka“ psychedelisch-abgehobenen Future Jazz mit ihren sanften Dream-Pop-Miniaturen. Eine grandios verspulte Mischung, die ebenfalls wieder auf Brainfeeder veröffentlicht wird und teilweise noch von Georgia Ann Muldrow geremixed wurde. (7,6 von 10 Punkten)

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Salami Rose Joe Louis - 'Peculiar Machine (Georgia Anne Muldrow Remix)' (Official Audio) | Bild: Brainfeeder (via YouTube)

Salami Rose Joe Louis - 'Peculiar Machine (Georgia Anne Muldrow Remix)' (Official Audio)

Henrietta Smith-Rolla  - Kamali

“Break before make”, so hieß 2018 das tolle Debütalbum von Henrietta Smith-Rolla aka Afrodeutsche aus Manchester. Deeper Elektro Detroitscher Prägung war das, abstrakt und melancholisch. Melancholisch mäandert jetzt auch ihr Soundtrack zu dem Film „Kamali“ dahin. In dem Film geht es um eine junge Skateboarderin in Indien, Kamali. Der Soundtrack von Smith-Rolla ist eine wunderbare, sehr reduzierte Piano-Meditation im Stil von Nils Frahm & Co. Neo-Klassik, die fast ein bisschen süchtig macht. Allerdings ist die EP nur circa neun Minuten lang. Wenn es hier etwas auszusetzen gibt, dann das: zu kurz! (8 von 10 Punkten)

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Kamali | Bild: Henrietta Smith-Rolla - Topic (via YouTube)

Kamali

Late Night Final – A wonderful hope

Late Night Final ist ein Nebenprojekt von J. Willgoose, dem streitbaren Kopf der britischen Band Public Service Broadcasting. Die Londoner Art Rock Band macht beeindruckende Konzeptalben, mixt Zeitzeugen-Samples mit Postrock, Elektronik mit Gitarren. Public Service Broadcasting waren Pandemie bedingt zu einer Pause gezwungen und J. Willgoose hat die Zeit für ein Solo-Projekt genutzt. Hat ein paar alte Synthesizer und Sequenzer zusammengeflickt. Eigentlich wollte er nur etwas herumexperimentieren, elektronische Musik machen im Stil von Tangerine Dream oder Kelly Lee Owens. Und dabei sind dann 46 Minuten „A wonderful hope“ entstanden. Ambient und uplifting zugleich. (7,6 von 10 Punkten)

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Late Night Final - The Human Touch [ft. Teddy Hunter] (Official video) | Bild: Late Night Final (via YouTube)

Late Night Final - The Human Touch [ft. Teddy Hunter] (Official video)


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