Neuerscheinungen der Woche Neue Platten von Eels, Beak>, Galcher Lustwerk u. a.
Unsere Neuerscheinungen der Woche im Überblick. Mit Goat Girl, NxWorries, Der Text ist meine Party, Eels, BadBadNotGood, Beak, Galcher Lustwerk, Sandman Project, Peggy Gou, Thommy und Cruzloma
Goat Girl – Below The Waste
Die BritInnen waren schon in unseren NMX+ZF-Jahres-Charts. Nun sind Lottie, Rosy und Holly (sie/er) zurück. Der Sound bleibt spröder, aber doch einnehmender Indie mit Noise/Folk/Synthie-Anleihen. Auf "Below The Waste" beschäftigt sich das Trio mit den Unterdrückungsmechanismen moderner Gesellschaften. Goat Girl kämpfen für eine Welt ohne Barrieren, wie sie sagen. Aber auch um die Gesundheit von Rosy bzw. dem Kampf mit ihrer Sucht. Aufgenommen wurde in Irland – zum Teil singen Freunde und Familie im Background mit. Im August spielen sie in Hamburg, im Oktober kommen sie nach Köln, Berlin und Nürnberg – Goat Girl live beim Nbg Pop Festival am 11.10. (7,9 von 10 Punkten)
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Goat Girl - words fell out (Official Video)
NxWorries – Why Lawd?
Der trommelnde Rapper/Sänger und der Kendrick Lamar-Produzent mit ihrem zweiten Album. Das erste hieß noch Yes Lawd! – nun wird Gott (lord) hinterfragt: Why Lawd? NxWorries – man spricht sie "No Worries" aus – haben jede Menge Gäste am Mikro: u. a. Snopp Dogg, Thundercat, H.E.R. und Earl Sweatshirt. Anderson und Knx sind für immer verbunden, da er auf "Suede" rappte, Knxwledges Hit – es war Paaks Durchbruch als Rapper. Seither hat Anderson .Paak ACHT Grammys gewonnen – und Knxwledge (sprich Knowledge) einen: Er war am "To Pimp A Butterfly"-Album (2015) von Kendrick Lamar beteiligt – dem Zündfunk-Album der Zehnerjahre. Ihr gemeinsamer Sound 2024: butterweicher Rap, geschmeidiger R'n'B – alles mit viel Soul & Stil - und laid-back/leicht melancholisch. Sie haben ein Geschenk für Vinyl/CD-Freunde: Das Album erscheint erst physisch, digital erst eine Woche später. Wem Anderson.Paak solo bzw. mit seinem Duo Silk Sonic (mit Bruno Mars) zu slick (geworden) ist – mit den anspruchsvollen Beats von Knx kann das nicht passieren. Acht Jahre Warten (nach Yes Lawd!), die sich gelohnt haben. (8,0 von 10 Punkten)
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NxWorries (Anderson .Paak & Knxwledge) - 86Sentra [Official Visual]
Eels – Eels Time
Jubiläum: Das 15. Album von Mark "E" Everett – den die meisten seit seinem 1996er Hit "Novocaine For The Soul" kennen dürften – ein 90er-Indie-Klassiker. Auf "Eels Time" singt Everett über die Hunde, die er nach der Scheidung übernommen hat, ebenso über seinen Sohn, den Mutter und Vater in getrennten Wohnungen in Los Angeles aufziehen: "I Can't Believe It's True". Aber auch von typischen Eels-Themen, wie dem Mann, der nur einen Goldfisch besitzt ("Goldy"), doch glücklich ist. Die Platte entstand schon vor seiner lebensrettenden Herz-OP – der 61jährige hat seither eine lange Narbe überm Brustbein. Die Fans dürfen also dankbar über die zwölf neuen Songs sein – knapp die Hälfte hat er mit dem US-Musiker/Schauspieler Tyson Ritter geschrieben, den er bei den Soundtrack-Arbeiten zum Film "Prisoner's Daughter" kennenlernte. Angesichts der großen privaten Ereignisse ist es sein "persönlichstes und intimstes Album" geworden – wie es (immer so schön) heisst. "If I'm Gonna Go Anywhere" dürfte ein künftiger Everett-Evergreen werden – der mal wieder an den frühen (Slacker) Beck erinnert. E is a survivor! (7,2 von 10 Punkten)
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EELS - Goldy (official audio) - from EELS TIME! - Out June 7, 2024
BadBadNotGood – Mid Spiral: Chaos, Order, Growth
Das kanadische Jazz-Trio mit einer Triple-EP, die als ganzes Album zählt. Eingespielt nach diversen Studio-Verpflichtungen: u. a. waren Al, Chester und Leland von so unterschiedlichen Leuten wie Arthur Verocai, Baby Rose oder Charlotte Day Wilson gebucht. Mit Freundes aus der Toronto-Jazz-Szene waren dann die Chaos EP, die Order EP und die Growth EP schnell eingespielt. Die 16 Songs gehen weg vom Pop, bei dem sie in den letzten Jahren landeten – zuletzt coverten sie die Talking Heads, spielten mit Nick Hakim oder Samuel T. Herring von Future Islands. Ihr Instrumental-Jazz ist weiterhin voller funky Grooves und Soul-Elementen. Da kann man gut verstehen, warum auch Rapper und Produzenten wie Ghostface Killah oder Kaytranada sie als Rhythmus-Truppe buchen. BBNG – eine B.A.N.K. (7,8 von 10 Punkten)
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BADBADNOTGOOD - Mid Spiral (Live at Valentine Recording Studios)
BEAK> - > > > >
Eben das Album von Beth Gibbons, nun ein neues Werk von der Band des anderes Portishead-Heads, Geoff Barrow. Seine Zweit- bzw. (inzwischen) Hauptband Beak> forscht seit nun 15 Jahren zwischen Post-Rock, Krautrock und Drone-Sound. So wie wir es beim letzten Alien Disko-Festival im Dezember im Münchner Volkstheater hören konnten: ein klasse Konzert. Und so wie auch diese Platte ein lohnendes, komplexes Werk ist – das bei jedem Hören wächst. Wie schreibt ein Fan auf ihrer Bandcamp-Seite: "stell dir vor, du lamentierst in dunklen Gängen, wo eine Killer-Band Prog-Rock-Jams spielt, die auch an die frühen The Cure erinnern." Musik, zu der man durch Urwälder herumstreifen möchte. (8,0 von 10 Punkten)
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Denim
Galcher Lustwerk – Lustwerk III
Es wummert warm, die Keyboards perlen und die Bässe schieben dich angenehm auf den Dancefloor - zum Sich-Verlieren-in-den-Beats. Und manchmal pustet er sanfte Raps über die Tracks. Man könnte den Sound Neo Sad Disco oder Melancholic House nennen – läuft aber unter Deep House. Die Tracks seines dritten Albums hat der DJ-Produzent, bürgerlich Christopher Sherron, aus New York schon zwischen 2014 und 2020 aufgenommen. Sprich: zwischen seinen Alben "Dark Bliss" und "Days Of Future Past". Schon irre, was für einen klasse Output er hinlegt. "Mornin", "O ok" und "Summer" dürften hier die Hits werden. Am Ende hinterfragt der Afro-Amerikaner sein Genre: "What's The Point of House? (ain't nobody home)". Galcher, eine Ableitung von "Culture", der KraftWERK-Fan, wird die Platte am 5.7. in Berlin im Tresor vorstellen. (8,1 von 10 Punkten)
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Mornin
Peggy Gou – I Hear You
Nach einem Dutzend Maxis, einer DJ Kicks-Mix-CD und einem Skandal, nun das Album der in Berlin lebenden Südkoreanerin. Sie sucht – wie zu erwarten war – den Pop, sprich den Anschluss zum Mainstream – und liefert ein hittiges Vocal-House-Debüt ab. Peggy Gou singt selbst – hat aber illustre Gäste wie Lenny Kravitz oder die puerto-ricanische Rapperin Villano Antillano am Start. "(It Goes Like) Nanana" und "I Go" waren schon im Vorfeld kommerziell erfolgreiche Dance-Tracks (u. a. Top 10 in UK). Fürs Video zu "1+1=11" arbeitete sie mit Olafur Eliasson zusammen. Vom ebenfalls in Berlin lebenden Isländisch-dänischen Künstler stammen auch die Lyrics zu "Your Art": "we have forgotten self-respect and to listen to ourself". Vermutlich spricht Gou deshalb auf Eliassons Gedicht an, weil 'Selbstrespekt' vielleicht ihr Thema ist. Nachdem ihr Berliner Ex-Nachbar, der US-DJ-Produzent Daniel Wang 2020 publizierte, dass Peggy Gou - Designerin/Model/DJ – Zitat: "eine missbräuchliche und narzistische Künstlerin" sei, die ihn in der frühen Phase ihrer Karriere ausgenutzt habe. "Das Beste in diesem Jahr ist, dass sowohl Donald Trump aus dem Weissen Haus als auch Peggy Gou aus meinem Wohnhaus ausgezogen sind". Zitat Ende Daniel Wang. Wir machen nun das, das was der Albumtitel vorschlägt: sie zu hören. Die britischen Rough Trade Shops – wo auch ihr Label XL Records sitzt – kürte "I Hear You" zum Album Des Monats Juni. Für mich ist der Sound zu glatt, er erinnert an 90er-House-Hits – lediglich "Seoulsi Peggygou" ragt heraus: das koreanisch anmutende Drum'n'Bass-Stück. "Alle Menschen auf dieser Welt wollen gehört werden", sagt sie. Das werden dank des Debüt nun viele tun. (6,9 von 10 Punkten)
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1+1=11 (Edit)
Sandman Project – Where Did You Go?
Das feine Batov-Label, das uns Musik aus dem Mittelmeer-Raum wie z. B. von der gerade gefeierten Liraz bringt (die Iran-jüdische Musikerin/Schauspielerin Liraz Charki), mit seinem neuestem Album. Auch hinterm Sandman Project verbirgt sich eine bei Tel Aviv lebende Künstlerin: Tal Sandman. Where Did You Go? heisst ihre neue Platte fürs Londoner Label, das für Global Funk/WorldBeats/Middle Eastern Grooves steht. Das Spektrum des israelischen Quartetts um Gitarristin Tal liegt zwischen Afro-Beat, Brass-Sounds und Ethio-Jazz. Saxophonist Abate Barihun gilt als der "äthiopische John Coltrane", er bringt melancholische Momente in die Musik. Das Stück "Chinese Box" erscheint wie ein verlorener Western-Soundtrack aus der West-Bank sprich Nahost. Der Titeltrack ist tanzbar und entführt einen weiter hinein ins SWANA-Gebiet: South-West-Asia+North-Africa. Kein Wunder, stammt die Band aus Jaffa, dem Multi-Kulti-Viertel südlich von Tel Aviv. Tal lernt gerade auch Arabisch sprechen. Davor lebte sie in Goa/Indien, wo sie die "Goa Afrobeat Band" hatte. Das Sandman Project spricht die universale Sprache: die Grooves des Global Pop. Nur einmal – am Ende des Albums – bricht Gesang die Instrumental-Struktur auf. In "The Other Side" begeben wir uns hinüber – ein Blick auf die andere Seite bzw von der anderen Seite zurück – lohnt immer, erweitert das Panorama, eröffnet neue Horizonte. Wie diese Platte. Wer hätte gedacht, dass es eines Tages so etwas wie israelischen Ethio-Brass-Jazz geben würde? (7,4 von 10 Punkten)
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Where Did You Go?
THOMMY – The FuschiMuschi ABC
Eine Wieder-Entdeckung: die ganz eigene Soundwelt des deutschen Indie-Synthie-Funk-Trio Fuschimuschi. Ja so nannten sie sich und spielten in den späten 90ern/frühen 00ern zwei Alben und mehrere Maxis ein – u. a. fürs Rephlex Records (von Aphex Twin in UK) bzw. Payola (in Weilheim). Der Song "Play The Easy Ball" lief Anfang der 2000er im Stadion von Bayer Leverkusen – lange bevor Alonso den Vizekusen-Fluch wegnahm. Bandkopf Thomas Matheis – der musikalisch an den frühen Beck oder vom Gesang manchmal an Bonaparte erinnert und heute im Allgäu lebt, nimmt nun seinen Spitznamen als Projektnamen und bringt die 12 Stücke der zweiten und letzten Fuschimuschi-Platte nun digital raus (zusammen mit dem Berliner Label-Verbund Staatsakt/Fun In The Church): unglaublich quirlige Stücke, konnte deutscher Synth-Indie-Funk je vertrackter/grooviger sein? Vielleicht war er damals zu holprig, als dass jemand – ähm - drüber stolpern würde, ausser Aphex Twin in London, Tobi Hach in Weilheim und der Stadion-DJ von Bayer Leverkusen. Damit gehen Grüße nach Eggenreute. Hoffentlich kommt Neues von Thommy! (7,6 von 10 Punkten)
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Da 1234 Principle
Cruzloma – Mitos & Ritos
Die Debüt-EP einer neuen ecuadorianischen Gruppe mit z.T. alten Sounds – Cruzloma wollen in diesen feindseligen Zeiten zurück zu den Wurzeln: die gemeinsamen Rhythmen, die sie elektronisch verstärken. "Mythen und Riten" heisst die Mini-LP übersetzt – meint: Neuerfindung und Selbstfindung indigener Völker des ecuadorianischer Dschungels. Cruzloma vertonen auch heilige Gebete des Volkes der Shuar – einschliesslich Zeremonien wie die Einnahme von Ayahuasca. In einem Mix aus Electronica, Global Bass und Dembow. Zukunftsmusik, die neugierig macht – auch auf Altes, das wiederentdeckt wird. (7,3 von 10 Punkten)
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Cruzloma - Ofrenda (Official Music Video)
V.A. – "Der Text ist meine Party – Die Hamburger Schule von 1989-2000"
Die Compilation zum Buch zur NDR-Serie zum Jubiläum. Die sogenannte "Hamburger Schule" wurde vor 30 Jahren richtig gross – und ist heute neben Deutsch-Punk und der ewigen NDW die dritte, tragende Säule der heutigen Indie-Kultur im Lande. Der Name des Genres verrät es bereits: die Anspielung an die "Frankfurter Schule" versprach eine musikalische Beschäftigung mit Philosophie, Marx, Kritischer Theorie – Klanggewordene Sozialforschung sozusagen. So beginnt denn der Sample auch mit dem Titelgebenden "Party" der Kolossalen Party – in dem der in Frankfurt geborene und leider schon verstorbene Kristof Schreuf singt: "Der Text ist meine Party". Auf dem Sampler des Hamburger Tapete-Labels finden sich auch die großen, anderen Namen von 1989-2000: Die Sterne, Tocotronic, Blumfeld, Die Braut Haut Ins Auge, Goldene Zitronen, Bernd Begemann, Cpt Kirk &., Die Regierung, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Huah! (Knarf Rellöm), Stella, Kante... parallel erscheint das Hamburger-Schule-Buch "Der Text ist meine Party" von Jonas Engelmann im Ventil Verlag. Große Doppel-Release-Party ist morgen, 7.6., im Hamburger Knust. Ein bunter Abend mit Konzerten und Talks – inkl. dem NDR-Doku-Zweiteiler von Natascha Geier und Autor Jonas Engelmann, die auch mit diskutieren. Am Ende des Samplers hören wir, dass die Hamburger Schule gar nicht so einheitlich klang, sondern im Rückblick eher wie eine Norddeutsche Gesamtschule war. Auch wenn sich alles um eher meist schroffe Gitarren-Sounds drehte. (8,5 von 10 Punkten)