NRBQ Das New Rhythm & Blues Quintet
Vielleicht ist es ihr Song "Magnet" aus den Siebzigern, der einem breiteren Publikum bekannt ist. NRBQ sind seit bald fünf Jahrzehnten aktiv. Ein Bericht von Thomas Meinecke.
Immer mal wieder neu von den erstaunlichsten Combos aller Zeiten berichten zu müssen, gehört zu meinen positiv besetzten Zwangsvorstellungen. Diese hier heißt seit bald fünf Jahrzehnten NRBQ und kann sich ihrerseits nicht verkneifen, immer wieder auf das so extravagante wie extraterrestrische Oeuvre Sun Ras zu verweisen.
So findet sich, bereits 1968 aufgenommen, auf ihrer ersten Langspielplatte Sun Ras ROCKET #9, major, auf Columbia Records, und doch hob diese Rakete in kommerzieller Hinsicht nicht so recht ab. Zu eklektisch war das Repertoire dieser 1966 in Kentucky gegründeten und in Florida auf die Bühne gegangenen Combo, deren Name NRBQ ganz simpel für New Rhythm & Blues Quintet stand.
New Rhythm & Blues Quintet
Von Anfang an tonangebend und als einziger bis heute dabei ist der Pianist Terry Adams, der, mit einem ganz persönlichen Ansatz wohlgemerkt, sowohl wie Jerry Lee Lewis, als auch wie Thelonious Monk oder Sun Ra in die Tasten greifen kann. Dann der auch für die drei späteren, die ihn ersetzen sollten, maßgebliche Gitarrist Steve Ferguson, der bis in die Nuller Jahre in der Band aktive Ausnahmebassist Joey Spampinato und der Drummer Tom Stanley.
Am Mikro Frankie Gadler, aber alle anderen auch. Ab und zu spielte Terrys Bruder Don Adams die Posaune. Für das zweite Columbia Album wurde 1969 der Rockabilly Veteran Carl Perkins mit ins Studio gebeten für eine LP voller toller Snippets, oft gerade mal etwas über eine Minute lang.
Das Album "Scraps" von NRBQ.
Womit NRBQ das breit gefächerte Format angenommen hatte, für das sie bis heute stehen. Wie sehr sie dabei live auch Standards rocken konnten, macht bereits ein Live-Mitschnitt von 1970 aus Ludlow's Garage in Cincinnati, Ohio deutlich. Im selben Jahr unterzeichneten NRBQ bei Kama Sutra Records und kamen mit einem fantastischen dritten Album namens SCRAPS heraus, nunmehr in veränderter Quintett-Besetzung: Terry Adams und Joey Spampinato wie gehabt, aber der Wahnsinnsgitarrist Big Al Anderson anstelle Steve Fergusons.
"Magnet" - ein hypnotischer Song
Entwaffnend großartige Eröffnung des Albums: HOWARD JOHNSON'S GOT HIS MOJO WORKIN aus der Feder von Terry Adams, der auch das Hohner-Clavinet sehr groovy traktiert, gefolgt von Joey Spampinatos hypnotischem Song MAGNET.
1972 dann das nächste Meisterstück dieser Band, die mittlerweile ohne Lead Singer auskam und damit zum Quartett destilliert war, in dem alle Mitglieder sangen: WORKSHOP mit auch wieder absolut außergewöhnlichen, sehr unterschiedlichen Kompositionen wie MONA von, das läßt sich schnell heraushören, Joey Spampinato, oder dem durch Bläser, The Whole Wheat Horns, erweiterten, kunstvoll monkischen FOUR MILLION B.C., logisch aus der Feder von Terry Adams.
Neben Terry Adams und Joey Spampinato trat gegen Mitte der 1970er Jahre der NRBQ-Gitarrist Al Anderson als Songwriter höchster Qualität hervor. So schrieb er das folgende schon 1975 eingespielte RIDIN' IN MY CAR und sang es auch. An den Drums inzwischen der letztes Jahr mit nur 56 Jahren gestorbene NRBQ-Fan Tom Ardolino, der nie zuvor in einer Band gespielt hatte und den Sound dieser Combo von Solisten noch unvergleichlicher machte.
"Ridin' in my car" – der Hit
Auf diesen Song hin erhielten NRBQ wieder einen Major-Plattenvertrag, jetzt mit Mercury Records, die diesen Song noch mal auf der 1977er LP AT YANKEE STADIUM featureten. Man sah auf dem Cover die Bandmitglieder klitzeklein im ansonsten völlig leeren Stadion sitzen. Toller Aufmacher auch hier wieder: Die gemeinsame Adams-Spampinato-Komposition GREEN LIGHTS.
Das Album "Kick me hard" von NRBQ.
Bei so viel Pop Appeal blieb doch die Liebe dieser Combo zum Jazz nicht auf der Strecke. Zumal es mit der Pop-Karriere auch dieses Mal nicht wirklich klappte. Ab jetzt wurde auf dem bandeigenen Red Rooster Label im Rounder Vertrieb veröffentlicht, und da war dann immer auch Platz für Extravaganzen wie etwa die von Monk bis Sun Ra schwenkende Interpretation des Jazz Standards TENDERLY, zu hören auf NRBQs 1979er Album KICK ME HARD.
Um 1980 herum ging die mittlerweile in Upstate New York residierende Combo einige interessante Allianzen ein. So nahmen sie zum Beispiel den berühmten Wrestler Captain Lou Albano als Bandmanager auf und ließen ihn das Album TIDDLYWINKS mit einem tollen Jingle bewerben. Zudem heiratete Joey Spampinato die legendäre Nashville Sängerin Skeeter Davis, und es wurde 1982/83 auch ein NRBQ plus Skeeter Davis-Album für Red Rooster produziert: SHE SINGS, THEY PLAY.
Mit im Boot: Skeeter Davis
Doch obwohl er nun mit einer berühmten Country-Sängerin verheiratet war, hörte Joey Spampinato nicht auf, diese unvergleichlichen Balladen, irgendwo zwischen den Beatles und den Beach Boys und Steely Dan anzusiedeln, zu verfassen.
Um diese Zeit wirkte auf NRBQs bei Bearsville erschienenem GROOVES IN ORBIT auch John Sebastian mit, dem NRBQ in der Folge immer mal wieder auch die Lovin' Spoonful machten. 1989 dann ein weiterer Hit-Anlauf: Virgin Records nahmen die Band unter Vertrag und brachten ein tolles Album namens WILD WEEKEND heraus, dessen gleichnamiger Eröffner durch eines dieser wahnsinnigen Gitarrensolos Al Andersons gekrönt wird, von denen man auf den zahlreichen NRBQ Live Alben gar nicht genug kriegen kann.
Und wo bleiben jetzt die Hits?
Wir gehen jetzt mal bisschen auf die Fast Forward Funktion: Mit Virgin wurde auch kein Hit gelandet, Rykodisc und Rhino nahmen die Combo in ihre Kataloge, und Mitte der 1990er Jahre verließ Al Anderson nach einem Vierteljahrhundert die Band, im besten Einvernehmen, aber er war der paarhundert Gigs on the road pro Jahr müde geworden und ließ sich in Nashville als erfolgreicher Songwriter nieder.
Joeys Bruder Johnny Spampinato fiel an der Gitarre dann bisschen ab, aber der magisch vitale Band-Sound blieb, wie sich noch aus dem Album und Song DUMMY von 2004 auf dem neuen bandeigenen Label Edisun heraushören lässt. Auch dies wieder eine irre Komposition von Terry Adams und Joey Spampinato.
In den letzten zehn Jahren schlug dann das Schicksal böse zu. Terry Adams erkrankte noch 2004 an Kehlkopfkrebs, konnte auch nicht mehr spielen, die Spampinato-Brüder machten eine eigene Band auf, der aber der Zauber von NRBQ fehlte, der erste Gitarrist Steve Ferguson starb 2009 an Krebs, und 2011 sammelte der wieder gesundete Terry Adams ein Häufchen junger Männer um sich, die jeweils Stand-ins für Al Anderson, Joey Spampinato und Tom Ardolino, der bereits schwerkrank war, abgaben. Und ihre Sache gut machten.
Die Spampinato-Brüder erlaubten Terry Adams, dieses Projekt abermals NRBQ zu nennen, und der Sound stimmt allemal, wie die seitdem auf Adams' neuem Label Clang erschienenen beiden Alben beweisen.