Überväter des Country Jimmie Rodgers, Hank Williams, Johnny Cash
Die Lieblingsthemen des Country waren auch die Lieblingsthemen ihrer großen Interpreten. Aber Jimmy Rodgers, Hank Williams und Johnny Cash hatten mehr zu bieten als leere Flaschen, entlaufene Hunde, Ehefrauen und Knastromantik.
"Was passiert, wenn man einen Countrysong rückwärts abspielt? Der Hund lebt wieder, die Whiskyflasche ist wieder voll, du kommst aus dem Knast raus und deine Ehefrau kommt zurück."
Alter Witz
Die Lieblingsthemen der Countrymusik waren auch die Lieblingsthemen ihrer großen Interpreten. Aber Jimmie Rodgers, Hank Williams und Johnny Cash hatten – jeder auf seine Art – auch mehr zu bieten als leere Flaschen, entlaufene Hunde und Ehefrauen und Knastromantik. Zumindest in Deutschland dürfte Jimmy Rodgers der am wenigsten bekannte der Country-Pioniere sein.
America's Blue Yodeler oder der singende Eisenbahnbremser
Jimmie Rodgers
Jimmie Rodgers wurde nur 35 Jahre alt, er starb im Mai 1933 in New York. Er hinterließ ein schmales aber sehr nachhaltiges Werk, darunter seinen Signatursong "Blue Yodel # 1" auch bekannt als "T. For Texas". Wie viele seiner Country-Kollegen hatte Rodgers relativ klare und relativ feste Vorstellungen, wie die Geschlechterrollen verteilt sind. Davon handelt zum Beispiel sein "Train Whistle Blues":
"Wenn eine Frau den Blues kriegt, dann lässt sie ihren Kopf hängen und vergießt ein paar Tränen, wenn ein Mann den Blues kriegt, dann nimmt er die nächste Eisenbahn und verschwindet."
Jimmie Rodgers
Zu den Fans von Jimmie Rodgers gehört auch Bob Dylan. Der bescheinigt seinem Vorbild "die raue Essenz der Individualität in einem Meer des Konformismus". Dylan ehrt Jimmie Rodgers 1997 mit dem Album "The Songs Of Jimmie Rodgers – A Tribute", das 1997 auf Dylans eigenem Label Egyptian Records erscheint. Mit dabei viele große Namen: Van Morrison und Aaron Neville, Dwight Yoakam und Willie Nelson, Iris Dement und Mary Chapin Carpenter und einer der großen Geschichtenerzähler der neuen, alten Countrymusik, Steve Earle, mit einem Gefängnissong von Rodgers. Steve Earle weiß wovon er singt, er hat selbst im Gefängnis gesessen, wegen Drogen.
"Ich mache Kunst, weil ich damals beinahe gestorben wäre. Ich habe mich missbraucht, habe dafür bezahlt, ich habe alles verloren und musste neu starten. Und deswegen habe ich angefangen zu schreiben, weil auch das zur Therapie gehört."
Steve Earle
So zitiert Tobias Rapp im SPIEGEL Steve Earle und schreibt weiter:
"Am Anfang war es ein Tagebuch. Aber wie viele ehemals drogenabhängige Künstler hat auch Earle das Gefühl, er müsste die verlorenen Jahre aufholen. So wurde aus den Notizen ein Roman: 'Ill Never Get out of This World Alive' heißt er, und wie in Earles ganzem Schaffen geht es auch hier um Countrymusik, Politik und Drogen."
Tobias Rapp
Steve Earle
Ein von Gewissensbissen gequälter Abtreibungsarzt kümmert sich im Rotlichtviertel des texanischen San Antonio in den frühen Sechzigern um jene Frauen, die kein Geld für einen regulären Arzt haben. Sprechstunde ist im Hinterzimmer einer Kneipe, das Geld gibt er für Drogen aus.
Aber sobald er sich einen Schuss gesetzt hat, erscheint ihm der Geist von Hank Williams, denn Doc fühlt sich für dessen Tod verantwortlich. Hank Williams ist der Säulenheilige aller Country-Rebellen, ein singender Tunichtgut, der 1953 starb, sein letzter Song hieß "I'll Never Get out of This World Alive".
So heißt auch der Roman von Steve Earle und so heißt auch sein Album von 2011. "I'll never get out of this world alive" – Ich werde niemals lebendig rauskommen aus dieser Welt, das war, so will es die Legende, der letzte Song des singenden Tunichtgut namens Hank Williams, kurz vor seinem Tod am Neujahrstag 1953. Wie Johnny Cash wird auch Hank Williams posthum fast noch mehr geliebt als zu seinen kurzen Lebzeiten. Der Pionier der modernen Country-Musik wäre am 17. September 90 Jahre alt geworden.
Gestorben am Neujahrstag 1953
Am 1. Januar 1953 kommt Hank Williams nicht lebendig raus aus dieser Welt, er wird nur 29 Jahre alt und hinterlässt einen dementsprechend schmalen Katalog von Liedern, aber, es ist ein Katalog mit Spätfolgen. Bis heute werden seine Songs immer wieder aufgenommen, von Country-Traditionalisten, von Country-Outlaws, von Cowpunks und von Avant-Rockern. Und von Soulsängern.
Im Süden der USA haben Country und Soul vor allem in den Sechzigern und Siebzigern mehr gemeinsam als es die offizielle Geschichtsschreibung will: einerseits besteht zwischen Memphis und New Orleans die sogenannte Rassentrennung im Alltag weiter, andererseits sind Studios und Musik-Clubs Inseln dieses Alltag, auf denen sich Weiße und Schwarze mehr oder weniger ungestört treffen können. Und Songs austauschen.
Diesem Umstand verdanken wir den eine der schönsten Interpretationen eines Hank Williams-Songs, "I'm so lonesome I could cry" in der Version von Al Green. Auch die amerikanische Avant-Rock-Band The Residents hat sich mit Williams beschäftigt. Sie widmet Hank Williams 1986 eine halbe Ausgabe ihrer Serie über amerikanische Komponisten, Stars & Hank Forever heißt das Album und da interpretieren die Residents fünf seiner Klassiker auf ihre ganz eigene Weise. Für den Song "Kaw-Liga" bedienen sie sich bei einem der größten Hits des 20. Jahrhunderts: Die Residents kreuzen Kaw-Liga mit einem Song, der genau so heißt wie die Ehefrau von Hank Williams, ihr Name war Billie Jean.
In den Achtzigern wird Johnny Cash von einer Generation von Musikern entdeckt, die eigentlich aus dem Punk und Postpunk kommen. Offenbar übt die dunkle Ausstrahlung des Man in Black eine große Faszination aus. Auch auf Nick Cave, der gleich mehrere Songs von Cash aufnimmt. Daran erinnert zum 10.Todestag das englische Mojo-Magazin mit einer Titelgeschichte. Wie immer ist auch eine CD beigelegt, "Johnny Cash and Friends", unter den Freunden sind Tote wie George Jones, Townes Van Zandt und Waylon Jennings, und lebendige wie Cashs ehemaliger Schwiegersohn Nick Lowe, wie Bonnie Prince Billie.
Mal Outlaw und Wanted Man, mal Law & Order Mann, das ist einer der vielen Widersprüche im Leben des Johnny Cash. Sein Kollege Kris Kristofferson hat ihn mal als "Walking contradiction" bezeichnet. Widersprüchlich ist auch sein Verhältnis zur Todesstrafe. 1996 nimmt Johnny Cash Nick Caves Song "The Mercy Seat" auf. Cash schlüpft in die Rolle eines Todeskandidaten auf den letzten Metern, der elektrische Stuhl wartet, der Mercy Seat.
"Es gab gerade eine Menge Ärger wegen eines Gefangenen in Texas, der auf die Todesspritze wartete. George Bush Jr. (damals noch Gouverneur) weigerte sich, seinen Fall noch einmal anzuhören. Er glaubt, wenn jemand zur Todesstrafe verurteilt worden ist, dann muß er auch sterben. All das spielte während der Aufnahme von 'Mercy Seat' eine Rolle, ich hatte eine Menge Wut in mir. Was für eine schreckliche Sache, dass wir unsere eigenen Leute umbringen, um das Töten zu verhindern. Nicht mal die Elefanten machen sowas."
Johnny Cash im Interview mit Tim Robbins
Wenn es ihn jemals gegeben hat, den von Bush propagierten mitfühlenden Konservatismus, dann bei Leuten wie Johnny Cash.