James Hetfield zum 50. Metallica, die Punks des Metal
Zu feiern gilt es nicht nur eine der wichtigsten und erfolgreichsten Metal- und Rockbands des Planeten, sondern auch den 50. Geburtstag von James Hetfield, dem Songschreiber, Sänger und Gitarristen der Band. Geboren am 3. August 1963.
Metallica ist – neben Black Sabbath – die wichtigste und erfolgreichste aller Heavy-Metal-Bands und mit weltweit über 100 Millionen verkaufter Alben an siebter Stelle der größten Bands aller Zeiten, betrachtet man nur die Verkaufszahlen. Metallica ist die einzige Metal-Band, die es schafft, die Massen in den Mainstream-Kanälen zu erreichen, als auch eingefleischte "Die Hard"-Fans im Underground. Den ganz einfach gestrickten Spezialisten in typischer Metal-Leder-Kluft faszinieren Metallica ebenso wie den Intellektuellen und Teilnehmer an Uni-Seminaren.
Dieses Phänomen gilt es näher zu beleuchten. Ebenso das Spannungsfeld zwischen James Hetfield und Lars Ulrich, den beiden Motoren von Metallica. Die Wucht und Dynamik dieser Band ist nur zu begreifen mit Blick auf das Zusammen- und Gegenspiel dieser beiden Alpha-Tiere. Über Jahrzehnte trieben sie sich in Studios und auf Live-Bühnen so zu Höchstleistungen. Heute blicken James Hetfield und Lars Ulrich altersmilder zurück in die Vergangenheit. Aber auch ungläubig.
"Manchmal sitzen Lars und ich mit unseren Familien zusammen, schauen uns die Kinder an und denken: 'Wie haben wir das hingekriegt? Also nach allem, was wir angestellt haben – wie konnten wir da gesunden Nachwuchs zeugen?' Und es gibt immer noch einiges zu tun. Ich weiß zwar nicht was, aber es tauchen ständig irgendwelche Sachen auf, bei denen wir nur zugreifen müssen. Und das tun wir, statt auf Nummer sicher zu gehen."
James Hetfield
"Schlagzeuger sucht andere Metal-Musiker "
Im April 1981 schaltete der Schlagzeuger Lars Ulrich eine Anzeige in der südkalifornischen Lokalzeitung "The Recycler". Der in Kopenhagen aufgewachsene Hard Rock- und Heavy Metal-Fan suchte nach Musikern für eine Band: "Schlagzeuger sucht andere Metal-Musiker zum jammen. Tygers of Pan Tang, Diamond Head und Iron Maiden-Songs bevorzugt."
Als einziger meldete sich der Sänger und Rhythmusgitarrist James Hetfield auf die Anzeige und lud Lars Ulrich in seinen Proberaum ein. Nach ein paar Judas Priest-Coverversionen trennten sich die Wege der beiden aber schon wieder. Hetfield hielt Ulrich für einen lausigen Schlagzeuger mit großer Klappe. Aber Hetfield hatte den Willen und die Zähigkeit des nur 1,70 großen Dänen unterschätzt. Ulrich hatte sich schon gegen seine Eltern durchgesetzt, die für den kleinen Lars eine Tenniskarriere geplant hatten. Nach seinem ersten Live-Erlebnis mit einer Band, nämlich Deep Purple, stellte Lars Ulrich den Tennisschläger in die Ecke und bearbeitete von da an die Felle und Becken seines Schlagzeugs. Nach dem eher ernüchternden ersten Treffen mit James Hetfield, gelang es Lars Ulrich einen Metal-Fanzine Herausgeber und Platten-Labelgründer so lange zu bearbeiten, bis der ihm einen Platz für einen Song auf seinem ersten Metal-Sampler "Metal Massacre" mit lokalen, kalifornischen Bands versprach.
Mit dieser Zusage in der Tasche und nach tagelangem schlagzeugproben, klopfte Lars Ulrich nochmal bei James Hetfield an und so wurde die Band dann doch noch gegründet. Der Name Metallica stammt übrigens von Lars Ulrichs Freund Ron Quintana, der sein Metal-Fanzine ursprünglich so nennen wollte. Nach einigen Umbesetzungen bei Bass und Leadgitarre veröffentlichten Metallica 1983 ihr Debüt-Album "Kill 'Em All".
In der harten Anfangszeit mussten Metallica von der Hand in den Mund leben und zogen nach New York. Die Band wohnte damals in einem alten Fabrikgebäude, in dem die Speed-Metalband Anthrax ihren Proberaum hatte. In einem Interview mit dem Magazin Rock Hard erinnerte sich James Hetfield an jene Zeit:
"Wir waren damals so abgerissen unterwegs, dass wir Mädchen aufreißen müssten, um bei ihnen zuhause zumindest mal wieder duschen zu können. Wir kämpften täglich ums nackte Überleben, aber es war eine schöne Zeit."
James Hetfield
Nach Veröffentlichung des zweiten Metallica-Albums "Ride the Lightning" 1984 tourten Metallica das erste Mal in Europa und im Februar 1984 traten sie auch erstmals auf einer deutschen Bühne, in der Hämmerleinhalle in Nürnberg auf.
Erneuerung des Genres
Metallica erspielten sich schnell Fans weltweit, auch aus der Punkszene. Denn die Band erneuerte das Genre. Nicht nur durch brachiale und brutale Gitarrensounds und eine ausgeklügelte, dynamische Spielweise, nein auch inhaltlich. Mit der unreflektierten, maskulinen Aggression des Metal, mit Riten, Okkultismus und dem Teufel hatten Metallica nichts am Hut. Sänger James Hetfield sang stattdessen auf existenzialistische Weise über Themen wie Krieg, Tod und tyrannische Väter. Aber auch Humor, Politik und feinen Sarkasmus brachten Metallica in den Metal. Musikalisch luden sie das Genre mit Thrash, Speed und Punk auf und bildeten mit Bands wie Slayer, Anthrax und Megadeth in den 1980er-Jahren die Speerspitze der Bewegung. Die alten Metal- und Hardrock-Schlachtrösser Black Sabbath und Deep Purple hatten ausgedient und verschwanden aus den Charts. Metal tauchte ab in den Untergrund und blühte in diversen Parallelwelten.
Als Metallica 1981/82 begannen, war beispielsweise der Hair- und Glam-Metal noch groß. Hetfield, Ulrich und Co. waren das Gegenmodell zu Haarspray, Leggins, Spandex-Trikots und Powerballaden. Metallica und die neuen Metal-Entwürfe der 80er Jahre waren aber auch die Antithese zum Synthesizer- und Keyboard-lastigen Mainstream-Pop, der von Künstlern wie Madonna, Michael Jackson und Prince dominiert wurde.
"Master Of Puppets"
"Master Of Puppets" ist ein zentrales Meisterwerk des Thrash Metal
"Master Of Puppets" von 1986 ist ein zentrales Meisterwerk des Thrash Metal. Hart, schnell und gerecht. Ohne Pathos-Schnick Schnack und Kitsch. 72 Wochen hält sich das Album in den US-Billboardcharts, was auch den Fürsten der Finsternis Ozzy Osbourne aufhorchen lässt. Er nimmt Metallica mit auf seine USA-Hallentour. Auf der eigenen Tour durch Skandinavien im September 1986 verunglücken Metallica mit ihrem Tourbus in Schweden. Bassist Cliff Burton stirbt. Am Tag nach der Beerdigung beginnt die Suche nach einem Nachfolger. Jason Newsted bekommt den Zuschlag, fühlt sich als kreativer Teil der Band aber nie akzeptiert. Trotzdem bleibt er bis 2000 und zerbricht beinahe am Tyrannen Hetfield.
Die Songs schreiben weiter fast ausschließlich James Hetfield und Lars Ulrich. Die dynamischen, treibenden Kräfte der Band, die auch ständig ihre Hassliebe musikalisch auskämpfen und sich dabei gegenseitig zu Höchstleistungen anspornen. Die Songs in den späten 80ern werden nachdenklicher und düsterer. Vor allem James Hetfield, der früh beide Eltern durch Krebs verloren hat, klingt manchmal verbittert und resigniert. Auch beim Thema Krieg: Der Antikriegssong "One" machte Metallica endgültig zur "guten Band" im "bösen Genre" Metal. Auch nachdenkliche Gemüter konnten jetzt mit gutem Gewissen Metal hören. Und Metallica erweiterten ihre Grenzen ständig und auch schmerzhaft, als sie sich im Oktober 1990 in einem Studio in North Hollywood mit Bon Jovi- und Motley Crue-Produzent Bob Rock verbarrikadierten. Neun Monate werkelte die Band an ihrem schwarzen Album. Manchmal bis zur Selbstaufgabe. Vor allem die Kontrollfreaks Hetfield und Ulrich strapazierten die Nerven der übrigen Beteiligten.
Eintrittskarte in den Mainstream
Auf der Strecke blieben drei Ehen. Produktionskosten des Albums: Eine Million Dollar. Aber das Album wird der Überhit und Metallicas Eintrittskarte in den Mainstream mit Pop-Hits wie "Enter Sandman" und "Nothing Else Matters" 1991 auf Platz zwei der deutschen Single-Charts. Bis heute hat das schwarze Album von Metallica weltweit über 22 Millionen Exemplare verkauft. Ihr bis dato erfolgreichstes Werk. Da greifen sogar Leute zu, die sonst bei Metal die Nase rümpfen. Die langsameren, schlichteren Songs, dafür aber mit gigantischem Sound machen's möglich. Manch alter Fan wirkte verstört, aber massenhaft neue Fans kamen hinzu.
Im Song "The God That Failed" verarbeitet James Hetfield den tragischen Krebstod seiner Eltern. Seine Mutter, eine Opernsängerin, starb als James Hetfield 16 Jahre alt war. Sein Vater, ein Trucker, starb ebenfalls an Krebs 1996. James Hetfield wuchs in einer sehr strengen Christian Science-Familie auf. Seine Eltern lehnten jegliche medizinische Hilfe ab, da sie sich Hilfe und Heilung von Gott erwarteten. Diese Tragödie verfolgt James Hetfield bis heute. Zum Glück bekämpft er seinen Kummer nicht mehr mit Alkohol. Er versucht nur noch in Songs damit fertig zu werden. Zum Beispiel in "Mama Said", das auf dem Album "Load" von 1996 drauf ist. James Hetfield trauert um seine Mutter und erinnert sich auch daran, was er ihr musikalisch letztlich zu verdanken hat. Als Teenager hat er die Klavierstunden gehasst:
"Klar, hat es geholfen, mein musikalisches Ohr zu schulen. Aber damals habe ich es gehasst. Ich wollte lieber mit den anderen Jungs Football spielen, als im muffigen Haus einer alten Dame Klavier zu üben. Nur: Im Nachhinein bin ich meiner Mutter dankbar, dass sie mich dazu gezwungen hat. Denn es sorgt dafür, dass mir heute vieles leichter fällt. Es ist also nichts falsch daran, Musik zu lernen, wenn man jung ist."
James Hetfield
Einen nachdenklichen James Hetfield gibt es auch in dem gelungenen Metallica-Dokumentarfilm "Some Kind Of Monster", wo er sehr offen über seine Dämonen spricht. Auch die selbstzerstörerischen Dynamiken dieser Band, der Preis des Erfolgs und die Maschinerie Metallica wird in "Some Kind Of Monster" gezeigt.
Zurück zu den Wurzeln
"Zurück zu den Wurzeln" schreit einem das Album "St. Anger" von 2003 sehnsuchtsvoll entgegen. Ein neuer Metal-Entwurf, zumindest die Andeutung einer Vision, wohin die Reise gehen könnte, ist es nicht. Dafür beste Unterhaltung auf hohem Niveau. Ein Genuss ohne Reue. Im Gegensatz zu so vielen sich endlos wiederholenden, formelhaften Bands. Mit "Death Magnetic" folgt 2008 ein gut abgehangenes Alterswerk. Produziert hat es Rick Rubin, der Mann für solche Fälle. Im Vorfeld der Veröffentlichung 2008 wird nochmal der ganze Wahnwitz der Metallica-Maschinerie deutlich. Monate lang wurden den Fans nur winzige Schnipsel des neuen Materials zum Verzehr quasi vorgeworfen. Eine Armada von Anwälten und IT-Sicherheitsleuten wachte darüber, dass das Album nicht illegal im Netz auftauchte. Metallica sehen sich als gebrannte Kinder. Im Sommer 2000 tauchte eine Demo-Version ihres Songs "I Disappear" in der Tauschbörse Napster auf. Metallica mit Lars Ulrich als Kreuzritter verklagte Napster, das nach langem Rechtstreit einige Jahre später bankrottging.
Metallica und Lou Reed
Aber Metallica gehen nicht nur auf Nummer sicher, sie riskieren auch noch was. Bei ihrer Aufnahme in die Rock'n'Roll Hall Of Fame traten sie u.a. zusammen mit Lou Reed auf. Aus der gegenseitigen Fan-Freundschaft wurde mehr. Metallica fungierten für das Album "Lulu" als Backingband für Lou Reed. Der nahm Frank Wedekinds gleichnamiges Drama als Vorlage für seine eigenen Songs und Texte. Im Herbst 2011 setzen Lou Reed und Metallica einige Songs daraus live um. In einigen europäischen Fernsehstudios vor 300-400 Fans und Journalisten. Ich war in Köln für den Zündfunk mit dabei und fand das Experiment durchaus gelungen. Die Meinungen der Fans waren gespalten.
Ende September 2013 wird der Metallica-Konzertfilm "Metallica Through The Never" in 3D mit dazugehörigem Doppel-Album veröffentlicht. Das neue Album des ehemaligen Metallica Bassisten Jason Newsted, der mit der Band wieder versöhnt ist, heißt schlicht "Heavy Metal Music" und ist am 2. August 2013 erschienen. Als Stadion-Monster werden wir Metallica sicher noch auf vielen Festivals sehen. Sie können stolze Gagen aufrufen und sind ja erst um die 50. Was sollten sie sonst machen, außer Rock'n'Roll?