Zum 70. des Beatles-Drummers Ringo Starr
"Es kommt immer drauf an, ob man nur die Oberfläche sieht oder ob man unter die Oberfläche schaut. Oberflächlich betrachtet war Ringo bei den Beatles bloß der Schlagzeuger. Aber an ihm war noch viel mehr dran. Ohne Ringo hätte es "A hard days night" niemals gegeben. Oder "Tomorrow never knows". Das war so eine Redensart von ihm: Well, tomorrow never knows."
Mit diesen Worten hat Paul McCartney 1984 die Verdienste von Ringo Starr gewürdigt, dem ersten Beatle auf dieser Erde, der sich in sein achtes Lebensjahrzehnt vorgearbeitet hat. Seit dem 7.7.2010 ist Ringo 70. Nach dem Ende der Beatles landet Ringo eine Reihe von Solohits. Dabei ist Ringo Starr ja nicht eben ein begnadeter Sänger. Trotzdem darf er auch bei den Beatles immer mal wieder ein Liedchen singen. John Lennon und Paul McCartney schneidern ihm bestimmte Songs buchstäblich auf die Stimmbänder. Sie wissen, dass Ringo über einen beschränkten Tonumfang verfügt, also schreiben sie ihm möglichst einfache Melodien.
"With a little help from my friends" zum Beispiel, Ringos Gesangsbeitrag zum Sgt. Pepper-Album der Beatles, ein Lied, das jeder mitsingen kann, ganz egal ob er eine gute Stimme hat oder gar keine. Das gilt auch für ein Lied, das jeden Samstag in einem deutschen Fussballstadion von Tausenden angestimmt wird. Vorausgesetzt der FC Bayern spielt auswärts. Es heißt "Zieht den Bayern die Lederhosen aus", eine einfache Melodie zum Mitgrölen. Der erste, der sie gegrölt hat, das war Ringo Starr 1966. "Yellow Submarine" ist der größte Hit der Beatles, bei dem Ringo singen durfte. Aber das Singen war ja nur ein Gelegenheitsjob. Hauptamtlich ist Ringo bei den Beatles Schlagzeuger. Und Komiker. Sein ganz eigener Humor bringt vor allem die Kinder zum Lachen. Aber auch Erwachsene. So wird Ringo bei den Beatles zum Band-Clown, eine Rolle, die er auch in den Kino-Filmen wie "Help" oder "A Hard Days Night" gerne übernimmt.
Vor lauter Clownereien und dem schiefen Gesinge wird aber gerne vergessen, dass dieser Ringo ein ziemlich großartiger Schlagzeuger ist. Das meinen auch einige seiner Kollegen. Schlagzeuger wie Max Weinberg von Bruce Springsteens E-Street Band oder Phil Collins bezeichnen ihn sogar als Vorbild.
Im Jahr seines 70.Geburtstags hat Ringo Starr mal wieder ein neues Album herausgebracht. Es heißt "Y Not" und verfügt über eine prominent besetzte Gästeliste: Joe Walsh, Dave Stewart, Joss Stone, Richard Marx, Gary Wright, Don Was und Van Dyke Parks. Und sogar Paul McCartney singt ein Lied mit seinem alten Freund Ringo, 48 Jahre nach dem der sich zum ersten Mal bei den Beatles hinters Schlagzeug gesetzt hat. "Y Not" sei "das vielleicht persönlichste und beeindruckendste Album in der gesamten Solokarriere dieser Rocklegende.", meint ein Kritiker.
Na ja, jedenfalls spielen viele berühmte Leute mit. Aber ehrlicherweise muss man sagen, dass die gesamte Solokarriere dieser Rocklegende nicht so wahnsinnig beeindruckend ausgefallen ist. Jedenfalls verblassen die vierzig Jahre Ringo solo doch ein bisschen, gegen die acht Jahre, die Ringo mit den Beatles verbracht hat. Zwischen 1962 und 1970 hat Ringo mit John Lennon, Paul McCartney und George Harrison mehr tolle Musik gemacht, als die meisten Musiker in ihrem ganzen Leben.
So wurde er zu einem der bekanntesten Popstars unserer Zeit. Und zum Gegenstand von Popsongs. Ein recht amüsanter kommt in den Sechziger Jahren von einem gewissen Dick Lord. Er heißt "Like Ringo" und handelt von einem amerikanischen jungen Typen, der mit seiner Freundin zu einem Konzert der Beatles geht. Und was passiert: seine Freundin verliebt sich in den Schlagzeuger. Bis dahin war alles okay mit unserer Liebe, singt er, aber jetzt: wenn ich sie anrufe hat sie keine Zeit und den lieben langen Tag sitzt sie vor ihrer Stereoanlage und hört Beatles-Platten. Von da an versucht unser Typ alles, um zu werden wie dieser Ringo. Er lässt sich die Haare wachsen, er trägt einen Ring an jedem Finger, er kauft sich ein Schlagzeug und gründet eine Band.
Seine Mutter fängt schon an, sich Sorgen zu machen, weil er sich einbildet ein english guy zu sein. Er will Engländer sein, weil Ringo Engländer ist. Schließlich kommt es doch zu einem Wiedersehen mit seiner Angebeteten. Die bricht umgehend in Tränen aus, als sie ihren Exfreund in seinem neuen Ringo-Outfit sieht. Sie schluchzt bitterlich und zwischen den Schluchzern stammelt sie: Ich liebe…(Kunstpause, die Spannung steigt) die Rolling Stones und nicht Ringo.
Ringos Kindheit verläuft nicht besonders glücklich. Er wächst in der rauen Hafengegend von Liverpool auf. Die Eltern lassen sich früh scheiden. Zudem ist er oft krank. Später laboriert er an den üblichen Rockstarkrankheiten, vor allem der Alkohol hat´s ihm angetan. Den teilt er gern mit seinen Rockstarfreunden. Im günstigsten Fall kommen bei solchen Trinkgelagen von Rockstars Platten heraus wie "Pussy Cats".
"Pussy Cats" ist ein Album von Harry Nilsson. Es ist entstanden in der sagenumwobenen Epoche im Leben John Lennons, die als lost weekend bezeichnet wird. Im Laufe dieses verlängerten Wochenendes, das 1973 in Wahrheit einige Monate gedauert hat, haben Nilsson und Lennon jede Menge legale und illegale Drogen zu sich genommen und zwischendurch ein paar Dutzend Songs aufgenommen. Rausgekommen ist ein Album von leicht dekadenter und derangierter Schönheit, wenn man sowas mag. Mitgeholfen haben viele Rockstarfreunde von Nilsson und Lennon: Klaus Voormann, Jim Keltner, Keith Moon, der Drummer von The Who. Und klar, wo gern getrunken wird, da darf auch Ringo nicht fehlen, also spielt er ein paar Runden Schlagzeug mit. Zwei Jahre später trifft sich ein Teil der "Pussy Cats" Party bei einem anderen englischen Schlagzeug-Exzentriker. Keith Moon von The Who. Auch der hat ja so manches Lost Weekend hinter sich gebracht, weshalb das Leben des Keith Moon auch ein recht kurzes gewesen ist. 1975 hat auch Keith Moon mal ein Soloalbum gemacht und das ist auf seine Art fast so schön gescheitert wie die "Pussy Cats" von Lennon und Nilsson. Kein Wunder, bei der Gästeliste. Gemeinsam mit Harry Nilsson und Ringo Starr singt Keith Moon den Song "Together".
Drei große Jungs together, zusammen. Keith Moon wurde nur 32 Jahre alt, Harry Nilsson starb mit 52 und Ringo ist seit dem 7.7. 70. Zusammen feiern drei erwachsene Männer die ewige Jugend. Vielleicht hat Ringo wegen seiner eigenen Jugend etwas übrig für solche Männerfreundschaften. Er ist in einer harten Gegend aufgewachsen, im Hafenviertel von Liverpool. Da braucht man die richtigen Freunde. "Ich komme aus einer Gegend, in der es viele Banden gab", hat er mal erzählt. "Man musste in einer Gang sein um zu überleben. Einige meiner Freunde haben sich Rasierklingen in den Kragen ihrer Jacke genäht. Wenn sie einer am Kragen packen wollte, dann gab es blutige Finger."
Kein leichtes Leben im Liverpool der Fünfziger Jahre. Heute lebt Ringo in Kalifornien, weit weg von Jugendgangs mit Rasierklingen.