Wish you were here Syd Barrett
Syd Barrett war einst Gründungsmitglied von Pink Floyd und für die Band Inspiration großer Klassiker wie "Shine on you crazy Diamond" oder "Wish you were here". Eine Hommage an einen der größten Songschreiber und Gitarristen aller Zeiten.
"Sounds a bit old", meinte ein gewisser Syd Barrett, als er 1975 überraschend im Studio auftauchte, wo Pink Floyd gerade den epischen Track Shine on you crazy Diamond aufnahmen. Die Bandmitglieder erkannten den dicklichen Mann zunächst nicht, der sich alle Körperhaare abrasiert hatte. Erst allmählich dämmerte es der Band: Vor ihnen stand das Pink-Floyd-Gründungsmitglied, also genau der, dem der gerade aufgenommene Song gewidmet war. Shine on you crazy Diamond war eine Aufforderung an den ehemaligen Gitarristen der Band - und auch der Titeltrack des Albums Wish you were here war wie eine Postkarte an ihren verlorenen Sohn. Wie sich herausstellen sollte, war der Wunsch der Band nur hypothetisch, denn Rogers Waters, David Gilmour und die anderen schlugen Barretts Angebot aus, an dem Album mitzuwirken. Es war das letzte Mal, dass Syd Barrett seine Bandkollegen persönlich treffen sollte.
Genau vor vierzig Jahren erschien Syd Barretts erstes Solo-Album The Madcap laughs. Damals verkaufte es sich schlecht, heute gilt es als Meilenstein der Popgeschichte. 1970 war Syd Barrett schon zwei Jahre draußen bei Pink Floyd. Und manche Menschen wunderten sich damals, dass der Mann überhaupt eine Solo-Platte hinbekommen hatte. David Gilmour und Roger Waters, die beiden alten Schulfreunde aus London, haben einen Großteil der Songs produziert. Irgendwie dachten sie wohl, sie seien Syd das schuldig - und irgendwie stimmt das wohl auch. Schließlich wäre die Band ohne ihn vielleicht nie bekannt geworden. Syd, der eigentlich Roger mit Vornamen heißt, war die treibende Kraft der Band in ihren Anfangstagen Mitte der 60er Jahre. Er war es auch, der der Band den Namen gab. Als Fan der Bluessänger Pink Anderson und Floyd Council verband er deren Vornamen zu einer sinnfreien Kombination. Wie die meisten englischen Bands dieser Zeit waren auch Pink Floyd inspiriert vom amerikanischen Blues, aber anders als die Stones oder die Yardbirds wurde der Blues von Pink Floyd nicht eins zu eins kopiert, sondern lediglich als Ausgangspunkt für Reisen in den Sound verwendet.
Arnold Layne war die erste Single der Band 1967 und wurde – wie alle frühen Pink-Floyd-Songs – allein von Syd Barrett verfasst, denn er war der Star der Band, der Sänger und Gitarrist. Die Single landete gleich in der britischen Top 20. Zu verdanken hatten Pink Floyd das vor allem ihren Live-Auftritten in den Londoner Clubs UFO und The Roundhouse, wo sie schon mit psychedelischen Lightshows experimentierten. Und Syd Barrett, ein schöner und wilder Mann zu jener Zeit, war der Master of Ceremony. Das Psychedelic Movement war von den USA ausgegangen, mit Bands wie den 13th Floor Elevators und Country Joe and the Fish, aber es hatte sich schnell auch in England durchgesetzt, spätestens seit der LSD-Hymne Lucy in the Sky with Diamonds war Acid-beeinflusste Musik en vogue. Und die vom Drogenpapst Timothy Leary propagierten Pillen fanden ihren Weg ebenfalls schnell nach Europa. See Emily Play, die zweite Pink-Floyd-Single, war dann auch eine ziemlich unverhohlene Anspielung auf die Freuden der Bewusstseinserweiterung. See Emily Play wurde ein Top-Ten-Erfolg in England, übrigens auch der letzte Single-Hit der Band für zwölf Jahre. Erst Another Brick in the Wall sollte 1979 noch erfolgreicher werden.
Mitte der 60er Jahre änderte sich alles sehr schnell. Für eine sog. Progressive-Band wie Pink Floyd war das Album-Format viel interessanter, nicht unbedingt allerdings für Syd Barrett, der weiter an Kleinformaten schraubte. Mit dem Instrumental Interstellar Overdrive beginnt Seite 2 des ersten Pink-Floyd-Album The Piper at the Gates of Dawn – und hier wird der Gitarrist nicht mehr als einziger Autor genannt, sondern das Ganze als Ensemble-Werk deklariert. Trotzdem lebt der Song von Syds Gitarre. Seite eins des Albums beginnt allerdings mit einer Syd-Barrett-Komposition, die auch noch zum Live-Repertoire der Band gehören wird, als Barrett längst draußen ist: Astronomy Domine – der Song wird später noch einmal als Live-Version veröffentlich, auf dem Pink-Floyd-Klassiker Ummagumma.
The Piper at the Gates of Dawn, das einzige reguläre Pink-Floyd-Album, das noch ganz von Syd Barrett geprägt ist, erscheint mitten im ersten Summer of Love, im August 1967 und macht die Band weltweit bekannt. Doch damit beginnen auch die Probleme: Barrett kommt mit dem Stress nicht zurecht, das nun heiße Eisen weiterzuschmieden. Die Europa-Tourneen laugen ihn aus und die vielen Drogen bekommen ihm weit weniger as seinen Kollegen. Barrett wird schwierig, extrem schwierig. Manchmal spielt er bei Konzerten nur noch monoton eine einzige Note, manchmal verpasst er ganze Auftritte, so dass die anderen mit David Gilmour einen zweiten Gitarristen zur Sicherheit mit an Bord nehmen. Roger Waters wird immer mehr zum Boss von Pink Floyd. Als Anfang 1968 das zweite Album A Saucerful of Secrets fertig gestellt wird, ist Syd Barrett nur noch gelegentlich dabei. Sein einziger Beitrag als Songwriter ist das abschließende Jugband Blues, das schon gar nicht mehr richtig zum aktuellen Sound der Band passt.
Jugband Blues ist der letzte Beitrag von Syd Barrett zum Oeuvre von Pink Floyd. Im März 1968 ist nämlich Feierabend – nach diversen Komplikationen auf der Bühne und im Studio beschließen die anderen, ohne ihren Gründer weiterzumachen. Irgendwie ahnen Waters, Gilmour, Rick Wright und Nick Mason wohl, dass sie noch etwas vor sich haben, bei dem sie keinen Freak und seine spinnerten Songs gebrauchen können. Vertreter der Plattenfirma EMI Records sehen das anders und erwägen erstmal, alle anderen außer Barrett zu feuern und ihm neue Begleiter zu besorgen. Erst als Barrett im Hause EMI auftaucht und die Manager davon überzeugt, dass er nicht mehr ganz zurechnungsfähig ist, dürfen Waters und Gilmour den Namen Pink Floyd behalten. Syd zieht sich enttäuscht und erschöpft zurück, gibt gelegentliche Interviews, in denen er von einer neuen Band erzählt, geht ins Studio, um ein paar Demos aufzunehmen, lässt aber ansonsten ein gutes Jahr ohne wesentliche Aktivitäten vergehen. Erst Ende 1969 erscheint mit Octopus die erste und einzige Syd-Barrett-Solo-Single.
Die Sessions für das Album The Madcap Laughs finden zwischen April und Juli 1969 in London statt. Anfangs ist als Produzent noch Syd Barretts Freund Malcolm Jones mit an Bord, doch später übernehmen die alten Band-Kollegen Roger Waters und Dave Gilmour das Kommando im Studio. Barrett soll oft unkonzentriert und schludrig gearbeitet haben – Waters und Gilmour sorgen am Ende durch diverse Overdubs dafür, dass sich die Produktion des Albums nicht noch weiter verzögert. Die Songs hier sind irgendwo zwischen dem kauzigen Folk der Piper-Zeiten und stärkeren Blues-Einflüssen zuhause. The Madcap laughs, vor genau 40 Jahren erschienen, wird kein großer Erfolg, gilt aber zu jener Zeit als ernst zu nehmendes Lebenszeichen, also als Comeback von Syd Barrett. Und der immanente, glaubwürdige Ausdruck der Songs hier wird das Album zu einem Klassiker der Popgeschichte machen, auf das sich Musiker späterer Zeiten immer wieder gern berufen. R.E.M., Placebo, Ween, Soundgarden, Ween, Marc Almond oder die Smashing Pumpkins haben Songs aus The Madcap laughs gecovert.
Syd Barretts zweites und letztes Solo-Album heißt schlicht Barrett und erscheint nur zehn Monate nach Madcap erschien. Es war das letzte Aufbäumen eines großen Musikers – Dave Gilmour hat alle Songs hier produziert. Barrett wirkt einerseits wesentlich professioneller als Madcap, andererseits aber eben auch polierter. Im Studio dabei waren Pink-Floyd-Keyboarder Rick Wright und der Schlagzeuger Jerry Shirley, damals erst 18 Jahre alt, aber schon Mitglied der damals angesagten Band Humble Pie. Mit den zwei Floyds und Shirley wurde sogar ein Live-Auftritt nach den Studiosessions in London absolviert. Allerdings war die Soundqualität miserabel und Syd Barrett stellte nach vier Songs die Gitarre ab und verschwand von der Bühne.
Das Album Barrett wird 1970 ein glatter Flop. Enttäuscht zieht sich der Musiker in seine Heimatstadt Cambridge zurück, um fortan bei seiner Mutter zu leben, für den Rest seines Lebens. Die Ex-Kollegen von Pink Floyd mehren indessen ihren Ruhm, in Pompeji, auf diversen Film-Soundtracks und mit Alben wie Atom Heart Mother, Meddle und vor allem Dark Side of the Moon. Pink Floyd wurden zu kollossalen Dinosauriern des Progressive Rock, aber Syd Barrett wurde nicht vergessen. Als Ende der 70er die Punkrocker gegen 20minütige Songs und meterlange Gitarrensoli aufbegehrten, wurde Syd Barrett von ihnen als einziges relevantes Mitglied von Pink Floyd erklärt. Und die Television Personalities verrieten sogar in einem Song, wo er zu finden ist. Spätestens seitdem ist Syd Barrett eine unsterbliche Kultfigur der Popgeschichte. Der Mann selbst ließ sich jedoch nicht aus der Reserve locken und mutierte äußerlich immer mehr zu einem ganz normalen Mitglied der britischen Arbeiterklasse. Arbeiten musste Barrett nicht, schließlich sorgten die ehemaligen Band-Kollegen dafür, dass ihm alle Tantiemen aus dem bestens verkauenden Pink-Floyd-Back-Katalog zuflossen. 1988 erschien mit dem Album Opel dann noch eine Compilation mit unveröffentlichten Songs aus den Jahren '68 bis '70.
Syd Barrett starb am 7. Juli 2006 im Alter von 60 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Nach dem Tod seiner Mutter war es seine Schwester Rosemary, die sich um ihn gekümmert hatte und heute noch seinen Nachlass verwaltet. Sie leitet auch eine Stiftung, die sich für Menschen mit psychischen Krankheiten einsetzt.