Gunnar Schwan, Stiftung Warentest "Apps erschließen Blinden neue Möglichkeiten"
Sich den Weg zeigen oder einen Buchtext vorlesen lassen - viele Apps sind für Blinde und Sehbehinderte eine Unterstützung im Alltag, das hat die Stiftung Warentest herausgefunden. Gunnar Schwan verrät im Notizbuch-Gespräch, welche Apps sich wirklich lohnen.
Notizbuch: Wo leisten Apps Hilfe für Blinde und Sehbehinderte?
Gunnar Schwan: Bei uns im Test sind vor allem die Navigations-Apps aufgefallen, insbesondere "BlindSquare" und "ViaOpta Nav". Das sind Apps, mit denen man zum einen von A nach B finden kann, wie man das vom Navi im Auto kennt. Zum anderen können sie den Blinden und Sehbehinderten aber auch beschreiben, was um sie herum los ist - wo sie die nächste U-Bahn finden oder ein passendes Restaurant.
Es gibt also diese Navigatoren im Großstadt-Dschungel, es gibt aber zum Beispiel auch Bedienhilfen für Geräte im Haushalt.
Außerdem kann man Apps auch nutzen, um Geräte im Haushalt überhaupt zu erkennen. Da bietet sich zum Beispiel "TapTapSee" an. Das ist eine kostenlose App, die aufgrund eines gemachten Fotos erkennt, was darauf zu sehen ist. Zum Beispiel kann diese App bei einer namhaften Cola-Marke erkennen, was das ist.
Der Test: Apps für Blinde und Sehbehinderte
Zwischen März und April 2016 hat die Stiftung Warentest zehn Apps für die Betriebssysteme Andoid und iOS getestet. Diese wurden auf den Rat von normalsehenden und blinden Experten exemplarisch ausgewählt. Bei dem Test stand das vermutete Unterstützungspotenzial im Alltag der Betroffenen im Mittelpunkt. Den Hauptteil der Bewertung machte die Barrierefreiheit aus.
Kosten diese Apps etwas?
Die meisten Apps in unserem Test waren kostenlos, es gibt aber auch kostenpflichtige wie beispielsweise eine Navigations-App für 30 Euro. Außerdem gibt es eine sehr gute App, mit der man Texte erkennen und sich vorlesen lassen kann, den "KNFB Reader". Dieser kostet 100 Euro, lohnt sich aber.
Wo beginnen die Probleme bei den Apps für Blinde und Sehbehinderte?
Sie sind nicht immer so gestaltet, wie man sich das vorstellt. Sehbehinderte profitieren zum Beispiel von einer sehr großen Schrift und von starken Kontrasten - das ist nicht immer so in den Navigations-Menüs umgesetzt. Und da Blinde von der Sprachausgabe eines Smartphones profitieren, wäre es wichtig, dass diese Apps darauf zurückgreifen und das gut integrieren. Das passiert aber nicht immer.
Gibt es weitere Kritikpunkte?
Das andere Thema betrifft den Datenschutz - wie gehen die Apps mit den personenbezogenen Daten der Nutzer um? Werden Daten weitergegeben? Da sind uns vier Apps aufgefallen, die unnötigerweise eine Geräte-Kennung übermitteln, also eine ID, die dieses Smartphone identifiziert. Das ist zum einen nicht notwendig und außerdem führt es zu einer Profilbildung, das heißt: Der Nutzer des Geräts kann auch wiederentdeckt werden.
Zugang zu Datenbanken dank Apps
Für viele Blinde und Sehbehinderte bedeuten Apps die Möglichkeit, auf Verzeichnisse und Datenbanken zuzugreifen, die sie früher nicht hätten nutzen können. Gunnar Schwan von der Stiftung Warentest empfiehlt beispielsweise den so genannten "Medibus Katalog". Auch hier gibt es eine App, die bei der Orientierung hilft.
Kann die Stiftung Warentest diese Apps also empfehlen?
Auf jeden Fall. Wir haben auch im Vorfeld mit vielen Betroffenen gesprochen und alle haben uns gesagt: Diese Apps, diese Smartphones, diese Tablets sind eine unheimliche Bereicherung. Das erschließt ihnen Medien und Möglichkeiten, die ihnen vorher verschlossen geblieben wären. Durch diese Apps ist es ein ganz anderes Leben als vorher, haben uns viele Betroffene erzählt. Insofern ist das grundsätzlich eine tolle Sache.