Folge des Klimawandels Das neue deutsche Waldsterben
Das Ökosystem Wald ist von Trockenheit und Hitze betroffen. Ob im Bayerischen Wald oder im Harz: Massenhaft sterben Fichten und der Borkenkäfer vermehrt sich schneller als je zuvor.
Mit der Trockenheit kam der Käfer. In Massen. Und Holzfäller wie Sven Zieprich sind seit dem Dürrejahr 2018 im Dauereinsatz. Ihr Feind ist der Borkenkäfer.
"Hier sehen Sie die Larven. Das ist die nächste Brut, die im Frühjahr ausfliegt. Wenn es warm wird, fliegen die aus und befallen die nächsten Bäume."
Holzfäller Sven Zieprich
Der Waldarbeiter hält in der Hand ein Stück Rinde, auf dem etwa zehn weiße madenähnliche Larven sitzen. Der Käfer fällt in den Sommermonaten über die ausgedorrten Fichten her, hinterlässt kahle Baumgerippe. Die Arbeiter versuchen, befallene Stämme möglichst schnell zu fällen und zu entfernen.
Algorithmen errechnen das Waldsterben
Wo der deutsche Wald besonders leidet, versucht Allan Buras, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für "Land Surface-Atmosphere Interactions" der Technischen Universität München, herauszufinden. Aus Satellitenbildern errechnet er mit einem Algorithmus für alle Forstgebiete die Grünwerte. Je größer sie sind, desto gesünder sind die Bäume. Je kleiner, desto kränker. Mit ein paar Mausklicks kann sich Buras durch das Archiv des Waldmonitors bewegen.
"Da sehen wir jetzt, dass im August 2018 circa ein Drittel der Waldfläche Deutschlands den niedrigsten Grünwert seit Aufzeichnungsbeginn aufweist. Das macht mir Sorgen. Das heißt, einem Drittel der Waldfläche Deutschlands ging es im Sommer 2018 so schlecht wie in den vergangenen 20 Jahren nicht."
Allan Buras, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Professur für Land Surface-Atmosphere Interactions, Technische Universität München
Rund 250.000 Hektar Wald sind in Deutschland laut aktuellen Schätzungen in den vergangenen zwei Jahren abgestorben – zwei Prozent der gesamten Fläche. Der Ökologe Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde beobachtet, dass sich der Zustand der Wälder weltweit verschlechtert – und das nicht erst in den letzten zwei Jahren:
"Ich erinnere mich an eine Studie aus dem Jahr 2005, die genau das klar machte; wenn wir über zwei Grad Erwärmung gehen, im Verhältnis zur vorindustriellen Zeit, würde in sehr vielen Regionen tatsächlich dieser Zusammenbruch von Waldökosystemen drohen."
Ökologe Pierre Ibisch, Hochschule für nachhaltige Entwicklung, Eberswalde
Mit welcher Strategie soll der Wald gerettet werden?
Aber wie den Wald retten? Die einen fordern mehr Wildnis und weniger intensiven Waldbau, denn: Je natürlicher ein Wald sei, desto besser passe er sich an den Klimawandel an. Andere fordern, den Wald aktiv umzubauen. Baumarten aus heißeren und trockeneren Erdteilen könnten in Zukunft heimische Fichten, Kiefern und Buchen ersetzen.
Der Freiburger Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus fordert, den Umbau schnell voranzutreiben: „Wenn ich das erst sich selbst überlasse und diese Wälder dann im Prinzip eine üppige Kraut- und Strauch-Schicht entwickeln, dann wird das sehr, sehr teuer und sehr, sehr schwierig, dort wieder Bäume zu etablieren.“
Ob neue Baumarten angepflanzt werden oder mehr Wildnis entsteht, sicher ist: In Zeiten des Klimawandels müssen wir unser Verhältnis zum Wald überdenken. Fichtenmonokulturen sterben in Massen. Es ist fraglich, ob wir mit dem intensiven Waldbau einfach so weiter machen können wie bisher.