Anna Staab und Christoph Pütthoff lesen Vom Gemeinsinn und vergessenen Kriegen in Ostafrika
Aleida Assmann und Navid Kermani blicken in neuen Büchern auf große Fragen der Zeit. Im Gespräch erzählen sie über Gemeinsinn und eine Reise auf einen gezeichneten Kontinent. Dazu Lesungen mit Anna Staab und Christoph Pütthoff.
"Beim Gemeinsinn, wie wir ihn verstehen, werden individuelle und kollektive Interessen zurückgestellt und der Blick auf etwas Übergreifendes gerichtet, das uns jenseits von Herkunft und Zugehörigkeit verbindet. Es ist nicht das Gegenteil von Individualismus und ermöglicht ein Denken in größeren Zusammenhängen."
(Aleida und Jan Assmann).
"Was sich auf beiden Seiten der ehemaligen Front gleicht, ist das Schulterzucken, wenn ich nach dem Grund für den Krieg frage. Keiner der Bauern, weder in Tigray noch in Amhara, vermag mir Antwort zu geben, es war für sie wie eine Naturgewalt, dieser nicht nur grausamste, sondern auch sinnloseste Krieg unserer Zeit …"
(Navid Kemani)
Helfen und engagieren
Das Wort Gemeinsinn ist heute in aller Munde. Was aber bedeutet es wirklich? Und was alles ist damit verbunden? Die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und ihr Mann, der Ägyptologe Jan Assmann, haben diesen und anderen Fragen ein umfangreiches Buch gewidmet: „Gemeinsinn. Der sechste, soziale Sinn“. Sie durchstreifen die Geistesgeschichte, lesen die Denker der Aufklärung, darunter Christian Thomasius und Immanuel Kant, und suchen nach einer Bestimmung des Begriffs für unsere Zeit. Gemeinsinn zielt auf das gesellschaftliche Miteinander und ist viel mehr als nur Solidarität. Gemeinsinn zielt, in den Worten von Aleida und Jan Assmann, darauf ab, Initiative zu ergreifen und andere einzubeziehen. Etwa dann, wenn sich Menschen für die Opfer und Angehörigen von rechtsradikalen Terroranschlägen engagieren.
Im Osten Afrikas
Der Schriftsteller und Publizist Navid Kermani wiederum ist für sein neues Buch „In die andere Richtung jetzt“ auf Reise in den Osten Afrikas gegangen. Er besucht Madagaskar, Mosambik, Tansania, Äthiopien und den Sudan. Er berichtet von den Folgen von Hunger, Kriegen und Gewalt – und ruft dazu auf, die Länder in dieser Weltregion nicht länger zu vergessen und zu ignorieren. In der Region Tigray im Norden Äthiopiens beispielswiese sind in einem zweijährigen Bürgerkrieg mehr als 500.000 Menschen ums Leben gekommen. Navid Kermani ist dort unterwegs. Er trifft Menschen, die grausame Gewalt erfahren mussten, ebenso Soldaten. Und er begegnet Schulkindern, die sich auf ihre Weise – auf sehr besondere Weise – gegen bewaffnete Krieger zur Wehr setzen konnten.
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Für ihr Werk wurden Navid Kermani und Aleida und Jan Assmann unter anderem mit dem wichtigsten deutschen Kulturpreis – mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels – ausgezeichnet, in den Jahren 2015 und 2018. Im Rahmen der diesjährigen Frankfurter Buchmesse stellten Aleida Assmann und Navid Kermani ihre neuen Bücher im gemeinsamen Gespräch vor. Der Abend im Frankfurter Schauspielhaus stand zugleich im Zeichen der Erinnerung an Jan Assmann, der in diesem Februar verstorben ist. Die Veranstaltung fand statt als Kooperation von Verlag C.H. Beck, Literaturhaus Frankfurt, Schauspiel Frankfurt und Bayerischem Rundfunk, Redaktion Kultur aktuell. Die Schauspielerin Anna Staab und der Schauspieler Christoph Pütthoff lasen aus den Büchern von Aleida und Jan Assmann und Navid Kermani.
Gespräch und Lesung
Navid Kermanis „In die andere Richtung jetzt. Eine Reise nach Ostafrika“ und Aleida und Jan Assmanns „Gemeinsinn. Der sechste, soziale Sinn“ sind im Verlag C.H. Beck München erschienen. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages wie auch der anderen Kooperationspartner sind Gespräch und Lesung zu finden im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“.