Katja Bürkle liest Lea Ypi: Frei
Aber was soll das eigentlich sein - Freiheit? Katja Bürkle liest Lea Ypis fesselndes Memoir über eine Gesellschaft im Umbruch. Im letzten sozialistischen Land Europas lösen sich 1990 alle Gewissheiten auf. Und die kleine Lea stellt die richtigen Fragen - Stalin war wohl doch kein Kinderfreund?
"Über Freiheit hatte ich nie viel nachgedacht. Warum auch, wir hatten jede Menge Freiheiten. Ich fühlte mich so frei, dass mir die Freiheit manchmal wie eine Bürde erschien und gelegentlich, an Tagen wie diesen, sogar wie eine Bedrohung … Wir lebten im Sozialismus. Der Sozialismus schenkte uns Freiheit. Die Demonstranten waren auf dem Holzweg."
(Lea Ypi: Frei)
Die kleine Lea ist ist fest überzeugt davon, ganz frei zu sein. So ist das in ihrer Heimat, das haben Lehrerin und Eltern erklärt. Doch es ist 1990, ein Jahr nach dem Berliner Mauerfall, und auch in Albanien, dem letzten sozialistischen Land in Europa, ändert sich alles. Sogar die Wörter und ihre Bedeutungen. In Leas Familie werden verblüffend neue Ansichten vertreten. Können die Menschen endlich leben, wie sie wollen?
In der Bayern 2 RadioRevue ist Lea Ypis fesselndes Memoir ab dem 25. Dezember als Mehrteiler zu hören, immer ab 14.05 Uhr, bis zum 6. Januar 2025. Katja Bürkle liest den Bestseller, den das Times Literary Supplement auf dem Weg zum Klassiker sieht und der inzwischen in 30 Sprachen übersetzt ist. Zum Start ein Gespräch mit der Autorin, die heute in London lebt und politische Theorie lehrt, geführt von Judith Heitkamp.
Das "Ende der Geschichte" wurde die Umbruchszeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion genannt - bis die Geschichte dann doch weiterging. Der Ernüchterung und Aufregung der Umbruchszeit gewinnt Lea Ypi viele komische Seiten ab. Dann jedoch folgt eine zweite Desillusionierung: Der Systemwechsel bringt dem Land nicht die erhofften paradiesischen Freiheiten, sondern Ende der 90er Jahre einen blutigen Bürgerkrieg.
Während Leas Gewissheiten sich immer weiter auflösen, führen ihre ziemlich cleveren kindlichen Überlegungen vor Augen, wie sehr Begriffe und Menschenbild mit Ideologie aufgeladen sind. Und wie viele blinde Flecken die Auseinandersetzungen damals hatten – sie wirken bis in die Krisen der Gegenwart hinein. Ypi gelingt dabei das Kunststück, philosophische Fragen konkret und unterhaltsam zu fassen:
"… für mich stand hinter jeder Personifikation ökonomischer Theorien ein Mensch aus Fleisch und Blut. Hinter dem Kapitalisten und dem Grundeigentümer sah ich meine Urgroßväter, hinter den Arbeitern die Roma vom Hafen, hinter den Bauern die Menschen, über die meine Großmutter abfällig sprach und mit denen sie auf die Felder geschickt wurde, während mein Großvater im Gefängnis saß …"
(Lea Ypi: Frei)
"Frei" erzählt Lea Ypis Geschichte bis zu ihrem Entschluss, Albanien zu verlassen. Nach dem Ende ihrer Schulzeit studierte und forschte sie in verschiedenen europäischen Ländern und lehrt heute politische Theorie an der renommierten London School of Economics. Die deutsche Übersetzung von Eva Bonné ist im Suhrkamp Verlag erschienen und liegt inzwischen auch als Taschenbuch vor. Das Hörbuch produzierte der Bayerische Rundfunk 2022 gemeinsam mit dem Audio Verlag DAV. Zu hören ist die Schauspielerin Katja Bürkle, die "Frei" in der Regie von Irene Schuck liest und dabei unwiderstehlich immer weiter in Leas kindlich-kluge Fragen hineinzieht.
Auch als Hörbuch-Podcast in der ARD Audiothek
Bayern 2 Radio Revue Die Lesung
vom 25. Dezember 2024 bis zum 6. Januar 2025, 14.05 bis 15 Uhr , Bayern 2 Radio