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Simon Pearce und Xenia Tiling lesen Stella Gaitano: Endlose Tage am Point Zero

Leben am „Point Zero“: Die Südsudanesin Stella Gaitano fesselt mit emphatischen Erzählungen über Menschen am Nullpunkt, vor und hinter der Grenze des Sudan, wo Krieg regiert. Neun Stories gelesen von Simon Pearce und Xenia Tiling - auch als Podcast

Stand: 13.09.2024 14:11 Uhr | Archiv

Stella Gaitano: Endlose Tage am Point Zero | Bild: BR / Nadja Dall Armi

"Das Flugzeug neigt sich zur Seite. Teresa sieht Grün, so weit das Auge reicht, ihre Sehnsucht breitet die Arme aus.'
'Seit Jahren stecke ich zwischen Nord- und Südsudan fest… Hier ist der Point Zero, ein launischer, mehrdeutiger Name, der auf einen Anfang oder ein Ende hindeuten kann."

(Aus: Endlose Tage am Point Zero von Stella Gaitano)

Stella Gaitano, südsudanesische Autorin, lebt momentan im Exil in Nordrhein-Westfalen.

Stella Gaitano, PEN-Writers-in-Exile-Stipendiatin, hat mit “Endlose Tage am Point Zero” ihre erste deutschsprachige Kurzgeschichtensammlung veröffentlicht. Die Stories stammen aus zwei Erzählbänden, die die südsudanesische Autorin 2004 und 2015 auf Arabisch publizierte, also in den Jahren vor und nach der Unabhängigkeit des Südsudan 2011. Seit fast anderthalb Jahren tobt ein erbitterter Krieg in dem ostafrikanischen Land; das Deutsche Rote Kreuz spricht von der „größten Vertreibungskrise der Welt“, über zehn Millionen Menschen sind innerhalb des Sudan auf der Flucht, die Hälfte der Bevölkerung, 26 Millionen Menschen, hungern. Eine Krise, die man mit internationalem Druck beenden könnte, so Schriftsteller Navid Kermani.  

Gaitanos Geschichten fangen den ganz normalen Wahnsinn (süd-)sudanesischen Alltags ein – poetisch, allegorisch, auch vom magischen Realismus inspiriert, aber auch konzise. Die Schriftstellerin und Aktivistin erzählt beispielsweise von Teresa, die – nach der Gründung des Südsudan staatenlos geworden - mit ihren Kindern in den Südsudan fliegen darf, während ihr Mann im Flüchtlingscamp, am „Point Zero“, festhängt, jahrelang Gepäck und Hühner bewachend. Gaitano schreibt über Liebe, Vertreibung und die alles dominierende Gewalt, über die Gerüche harter Arbeit, stolze Mangobäume, die den entwurzelten Menschen Halt geben, über einen Untoten, dessen Seele in Kriegsbildern gefangen ist.

"Ich sah, wie ich mich selbst erbarmungslos tötete. Ich erblicke mein anderes Ich, das sich in einer Uniform verschanzte, schwer bewaffnet war und quer über die Brust einen schweren Gürtel aus MG-Patronen trug… Erkennst du mich nicht? Ich bin es. Ich bin du!"

(Aus: Stella Gaitano, 'Hurra, ich bin tot!')

Stella Gaitano: PEN-Writers-in-Exile-Stipendiatin

Aufgewachsen ist die 1979 geborene Stella Gaitano in Khartum (Sudan), ihre Eltern stammen aus dem Südsudan. Durch die Gründung des Südsudan 2011 verlor sie ihre sudanesische Staatsbürgerschaft und ihren Job und zog 2012 nach Juba, der Hauptstadt des neuen Staats, arbeitete als Apothekerin und Autorin und engagierte sich für humanitäre Projekte. Als 2013 dort wieder Krieg ausbrach, flüchtete sie in den Norden, nach Khartum, war dort aber nur geduldet, in ständiger Angst, abgeschoben zu werden.

Schauspieler und Kabarettist Simon Pearce hat Stella Gaitanos Geschichten eingelesen.

Und doch setzte sie sich einige Jahre später für den Friedensprozess ein, arbeitete als Journalistin, baute Bibliotheken auf. Ihr Debütroman „Eddo’s Souls“ erschien 2018 und war der Gewinner des PEN Translates Award. Wegen ihrer politischen Haltung war sie Hasskampagnen ausgesetzt. Seit Juli 2022 ist die Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin Stipendiatin des PEN-Writers-in-Exile-Programms und lebt in Kamen (Nordrhein-Westfalen) mit ihren Kindern. Ihr Stipendium läuft in wenigen Monaten aus.

„Endlose Tage am Point Zero“ – Hörbuch-Podcast mit Xenia Tiling und Simon Pearce

Die Schauspielerin Xenia Tiling (bekannt aus der Serie „Servus Baby“, Interpretin von Dana von Suffrins Roman „Nochmal von vorne“) und der Schauspieler, Comedian und Synchronsprecher Simon Pearce lesen neun Geschichten von Stella Gaitano.

Die Termine

Schauspielerin Xenia Tiling

Drei Lesungen im „Salon“ auf Bayern 2 am Donnerstag, 19.09., Mittwoch, 25.09. und Mittwoch 02.10.
und als Hörbuch-Podcast in neun Folgen in der ARD Audiothek.
Das Buch ist in der Übersetzung von Günther Orth im Berliner Verlag Edition Orient erschienen.

Ton und Technik: Regine Elbers, Wolfgang Lösch, Stefan Oberle.
Produktion: Bayerischer Rundfunk 2024
Regie und Redaktion: Kirsten Böttcher


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