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Ulrich Noethen liest Uwe Timm: Ikarien

München, 1945: Ein junger GI folgt den Spuren des NS-Eugenikers Alfred Ploetz. Uwe Timm erforscht den Irrsinn des Herrenmenschentums und tastet nach Wegen eines Neuanfangs für ein Land in Ruinen. Ulrich Noethen liest diesen packenden Roman.

Stand: 03.02.2025

Steg an einem See | Bild: Colourbox/BR

Uwe Timm: Ikarien
Ein Stunde-Null-Roman
Gelesen von Ulrich Noethen

Bayern 2 Hörbuch-Podcast in der ARD Audiothek ab 05. Februar

Und Sendungsreihe auf Bayern 2, mittwochs, ab 05. Februar – 30. April 2025, immer um 20.03 Uhr im Salon

"Ein wissenschaftlicher Mann sollte keine Wünsche haben, keine Gefühle - nichts als ein Herz aus Stein."

(Charles Darwin)

Deutschland, Ende April 1945: Michael Hansen, 25, kehrt als amerikanischer GI in das Land seiner Geburt zurück, das nun in Trümmern liegt. Im Auftrag des Geheimdienstes soll er herausfinden, welche Rolle ein bedeutender Wissenschaftler des Nazi-Regimes gespielt hat: Alfred Ploetz, Begründer der „Rassenhygiene“.

Ploetz ist tot, doch Wagner, einstiger Freund des NS-Eugenikers, ist noch am Leben. Nachrichtenoffizier Hansen quartiert sich im Herrenhaus neben Ploetz’ Schloss am Ammersee ein. Von dort aus pendelt er ins zerstörte München, zu den Verhören mit Wagner, einem Antiquar, Idealisten und KZ-Überlebendem.

"Ich habe ihn (Ploetz) auch auf den Friedensnobelpreis angesprochen. Er winkte ab, sagte, ihm sei das egal, allerdings würde es der eugenischen Bewegung, sollte ihm der Preis zugesprochen werden, international eine große Hilfe sein. Na denn, sagte ich, können wir mit Bier und Brause auf den kommenden Übermenschen anstoßen. Grüß Gott!"

(Ikarien, Uwe Timm)

Ikarien – die geplatzte Utopie

Von Wagner lässt sich Hansen die Geschichte der Freundschaft der beiden Studenten erzählen, die in Breslau begann und sie bis nach Amerika führte. Auf der Suche nach der bestmöglichen Gesellschaftsordnung reisten sie 1874 zu Ikarier-Gemeinden in die USA, die nach Étienne Cabets sozialistischem Modell von Gleichheit und Gerechtigkeit leben wollten. Die Realitäten enttäuschten Ploetz. Doch wie kam es, dass der Sozialist Ploetz zum überzeugten Eugeniker wurde – zu einem menschenverachtenden „Gott in Weiß“?

"Wir haben den Schlüssel für die Naturgesetze in der Hand, rief er aus. Die Weltformel. Alles ist machbar. Der Mensch konnte sich selbst bestimmen durch die Naturwissenschaft."

(Ikarien, Uwe Timm)

Uwe Timms „Lebensroman“

Der fein geflochtene Roman aus Tagebuch und Prosa, Gespräch und Dokument basiert auf historischen Fakten und eigenen Erinnerungen. Und auf der privaten Verbindung Uwe Timms mit der Familie Ploetz. Mit der Übersetzerin Dagmar Ploetz, der Enkelin von Alfred Ploetz, ist er verheiratet. Über drei Jahrzehnte arbeitete Uwe Timm an der Konzeption des Romans.

"Aber dieser Roman erzählt ja mehr, das ist nicht nur der Ploetz, der da erzählt wird, sondern da wird etwas erzählt über die Hoffnung, dass es eine andere, gerechtere, menschlichere Welt gibt."

(Uwe Timm)

Schreiben ist für ihn, der am 30. März 2025 seinen 85. Geburtstag feiert, immer persönlich und politisch. Seine in über 17 Sprachen übersetzten Romane und Novellen wurden mehrfach ausgezeichnet und verfilmt, beispielsweise „Die Entdeckung der Currywurst“ (1993), „Morenga“ und „Rennschwein Rudi Rüssel“ (1989). Zuletzt erschienen die Romane „Vogelweide“ (2013), „Ikarien“ (2017) und „Alle meine Geister“ (2023).

Das Hörbuch „Ikarien“ als Podcast erstmals in der ARD Audiothek ab 5. Februar!

Uwe Timm: Ikarien
Vollständig gelesen von Ulrich Noethen
Ton und Technik: Christian Schimmöller
Regie: Cornelia Zetzsche
Produktion: Bayerischer Rundfunk (Bayern 2) mit Random House Audio 2017
Das Buch ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen

Redaktion: Kirsten Böttcher


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