William Shakespeares "Hamlet" Faszination Hamlet
William Shakespeare hat mit Hamlet einen komplexen Charakter geschaffen, der Regisseuren und Schauspielern vielerlei Interpretationsmöglichkeiten bietet. Sie haben ihn als Zauderer, Zweifler, Grübler, verkopften Intellektuellen, jungen Wilden, bösen Finsterling, Depressiven und Amokläufer auf die Bühne gebracht.
Mal präsentiert sich Hamlet als Protestierer gegen die Realpolitik der Alten, mal als feinfühliger Melancholiker. An anderes Mal ist Hamlet ein naiver junger Mensch, der erstmals mit der bösen Welt der Erwachsenen in Kontakt kommt und verzweifelt dagegen aufbegehrt. Auch als "Weichei", als feiger, tatenloser Schwächling ist Hamlet zu sehen. Und natürlich darf Hamlet als Muttersöhnchen und als Vaterhöriger nicht fehlen.
Hamlet sieht die Welt mit anderen Augen
Shakespeare kam es wohl darauf an, Hamlet als nachdenklichen Charakter zu zeigen, der sich in der Betrachtung seiner Existenz aufreibt. Der Dänenprinz will sich nicht fraglos mit der Welt der Erwachsenen, mit ihrer Kälte und ihrem Zynismus zufriedengeben. Hamlet ist zögerlich und empfindsam, er sucht nach Handlungsalternativen und erwägt sogar den Selbstmord ("Sein oder Nichtsein" - Monolog). Er will seine aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung bringen und riskiert dafür sein Leben.
Doch Hamlet ist auch ein höchst bedrohlicher Charakter. Wenngleich ihm die Leidenschaft zu schnellem Handeln (also den Königsmörder Claudius rasch umzubringen und die Macht im Staat an sich zu reißen) fehlt, ist er zu Gewaltausbrüchen in der Lage. Unbarmherzig verstößt er Ophelia, die ihn liebt ("Geh' ins Kloster, los!") und tötet ihren Vater Polonius - die Verzweifelte begeht Selbstmord. Am Ende einer Entwicklung mit vielerlei Komplikationen hat Hamlet fünf Menschen auf dem Gewissen.
Hamlet ist stets aktuell
Hamlet passt in jede Zeit, deshalb wird er seit Jahrhunderten gespielt. Immer wird es Menschen geben, die zumindest Teilsaspekte ihrer Existenz in Hamlet wieder finden. Nicht wenige suchen "im Falschen" nach einem "richtigen Leben" und drohen - wie Hamlet - auf ihrem Weg die Orientierung zu verlieren. "Hamlet", meinte der bekannte britische Schauspieler John Gielgud, "bilanziert das Leben".
Zeitgeistfigur Hamlet
So verwundert es nicht, dass Hamlet im Alltagsleben fest verankert ist. Walt Disneys "König der Löwen" basiert auf der Hamlet-Geschichte, es gibt Folgen der "Simpsons" und der "Sesamstraße", die die Thematik aufgreifen.
Politiker attackieren einander gern mit dem Vorwurf Hamlet zu sein, also nicht entschlossen zu handeln. Selbst Fußballer, die vor dem gegnerischen Tor zögerten, mussten sich, wie etwa der legendäre Spieler Zinedine Zidane als "Hamlet" schelten lassen.
Interessanterweise trägt eine Biographie des Sternekochs Eckart Witzigmann den Titel "Hamlet am Herd" - allerdings im positiven Sinne: Witzigmann wird als Profi geschildert, der sich und sein Können beständig in Frage stellt.