1968 1968 ist "68" vorbei
In der zweiten Jahreshälfte 1968 zeigt die APO deutliche Zerfallserscheinungen. Der SDS scheitert, so ein Redner auf einer der letzten Delegiertenversammlungen Ende 1968, an dem Dilemma, "dass die antiautoritäre Revolte die eigene Organisation zerstört". Als im November 1968 bei einer Straßenschlacht in Berlin 130 Polizisten verletzt werden, fällt die Revolte an den Hochschulen zusammen. Friedfertige Studenten wollen sich nicht mehr an den Aktionen beteiligen. Sie rufen "Kei-ne Stei-ne" oder "Molotow ist doof" und ziehen sich zurück.
Marsch durch die Institutionen
Den Erosionsprozess beschleunigt 1969 auch der Regierungsantritt der sozial-liberalen Koalition unter Leitung von Kanzler Willy Brandt und Außenminister Walter Scheel. Viele APO-Anhänger begeben sich auf den "langen Marsch durch die Institutionen", um "von innen" eine allmähliche Veränderung der Gesellschaft zu erreichen.
Andere Aktivisten sammeln sich in K-Gruppen (Maoisten, Trotzkisten, Sowjetfans), in Frankfurt rotten sich Anhänger der Straßenmilitanz zusammen ("Macht kaputt, was euch kaputt macht"). 68er/Innen engagieren sich in der Neuen Frauenbewegung, die gegen den Abtreibungsparagraphen 218 vorgeht, ein Netzwerk von Frauenhäusern aufbaut und Frauenzeitschriften gründet. Neo-religiöse Gruppen (Poona) erhalten ebenfalls Zulauf. Manche 68er entscheiden sich für die innere Emigration, indem sie als "Aussteiger" in die Landwirtschaft wechseln.
Viele 68er sind später in Bürgerinitiativen, in der Anti-AKW-Bewegung, in der Friedensbewegung, in der Hausbesetzerbewegung und in der Umweltbewegung zu finden, aus der 1980 die Partei der Grünen hervorgeht und politisch schnell erfolgreich ist.
Abdriften in den Terrorismus
Radikale wie Andreas Baader und Gudrun Ensslin wählen den Weg der Gewalt, als der Traum von der Revolution zerplatzt. In Frankfurt zünden sie zunächst zwei Kaufhäuser an, später greifen sie zur Waffe und gehen mit Gesinnungsgenossen in den Untergrund.
Die Terroristen der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und der "Bewegung 2. Juni" (Namensgebung als Erinnerung an den Tod Benno Ohnesorgs) schrecken auch vor Mord an Repräsentanten der "herrschenden Klasse", deren Chauffeuren und Polizisten nicht zurück.