Bayern 2 - radioWissen


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Ein fanatischer Revolutionär

Von: Simon Demmelhuber / Sendung: Nicole Ruchlak

Stand: 06.11.2017 | Archiv

Lenin: Ein fanatischer Revolutionär

GeschichteRS, Gy

Lenin wurde nach seinem Tod 1924 zum Politstar der UdSSR: Man verehrte ihn unter anderem als Schöpfer des ersten sozialistischen Staates. Wer war Lenin, der Tausende von Menschen ermorden ließ, und was brachte ihn an die Spitze der Macht.

Lenins Kindheit und das Schicksal

Sein vollständiger Name ist Wladimir Iljitsch Uljanow. Er wurde am 22. April 1870 in Simbirsk geboren, einer kleinen abgelegenen Stadt an der Wolga. Kein Zug fuhr durch das Städtchen, die Verbindung zur Außenwelt waren Schiffe, die ab und zu am Ufer der Wolga anlegten. Im zaristischen, landwirtschaftlich geprägten rückständigem Russland wuchs Lenin in einer großbürgerlichen Familie auf mit adligen Vorfahren, sozial und kulturell engagiert. Sein Vater war Mathematik- und Physiklehrer, der als Inspektor von Volksschuleinrichtungen in den erblichen Adelsstand gehoben wurde. Seine Mutter stammte aus niederem deutsch-baltischem Adel. Lenins älterer Bruder Alexander, an dem er sehr hing, wurde nur 21 Jahre alt. Während seiner Studentenzeit in Petersburg gehörte er einer terroristischen Gruppe an, die planten, den russischen Zaren Alexander III. zu ermorden. Der Plan kam nicht zur Ausführung, die jungen Leute entdeckte die Petersburger Polizei. Sie wurden vor Gericht gestellt und 1887 trotz der Gnadengesuche der Mutter hingerichtet. Der Schicksalsschlag traf die Familie hart, sie wurde in der Heimatstadt Simbirsk fortan geächtet, stand außerhalb der Gesellschaft. Lenins Leben erfuhr durch die Hinrichtung seines Bruders eine radikale Wendung, seelisch kam sie einem Bruch gleich. Der liebenswürdige Junge von einst wandelte sich zum unerbittlichen zukünftigen Revolutionär. Mit Marx im Tornister und einem eisernen Willen wollte er die Welt und die russische zaristische Gesellschaft verändern.

Der Revolutionär

Zusammen mit anderen Regimekritikern entwarf er klassenkämpferische Theorien. Kurz nach Gründung des "Petersburger Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse" wurde er für 1000 Tage nach Sibirien verbannt. Dort heiratete er Nadeshda Krupskaja, die ihm ihr Leben lang Partnerin, Sekretärin und Kampfgefährtin war. Im Exil arbeitete Lenin an der Verwirklichung seiner Pläne: die Gründung einer Partei, die einer Diktatur des Proletariats den Weg bereiten sollte. Niedergeschrieben finden sie sich in seiner Schrift "Was tun?" von 1902. Ein Jahr darauf gründete Lenin die bolschewistische Partei, die aus der Spaltung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei hervorging. Als 1905 in Russland ein landesweiter Aufstand gegen das Zarenregime ausbrach, jubelte Lenin. Aber zu seiner Enttäuschung kam es nicht zur großen Revolution, da der Zar die Menschen mit Reformen zu besänftigen wusste. Erst die miserablen Lebensbedingungen im Ersten Weltkrieg trieben die Bürger wieder auf die Straßen. Streiks und Revolten wurden so vehement, dass der Zar abdanken musste. Die Eigendynamik der revolutionären Umtriebe machte sich Lenin zunutze: "Alle Macht den Räten!" war seine Losung, während er von seinem Versteck in Finnland den bewaffneten Aufstand organisierte. Die Bolschewiken übernahmen in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober die Regierung und riefen die Macht der Sowjets, der Räte aus. Lenin wurde Regierungschef und zog in den Kreml. Für ihn war die Diktatur des Proletariats das einzig mögliche demokratische System. Aber der sogenannte "Rote Terror" machte Millionen von Menschen zu Opfern. Lenin gelang es nicht, zum Wohle Russlands, Gerechtigkeit und Gleichheit einzuführen - so wie es sein ausdrückliches Ziel war. Stattdessen Gewalt, Chaos, Anarchie, Unterdrückung. Im Alter von 53 Jahren starb Lenin 1923.

Der Politstar post mortem

Nach seinem Tod inszenierte die UdSSR jedes Jahr Lenins Geburtstag mit riesigen Festen und Aufmärschen. Er wurde zum Politstar, verehrt und bewundert: als Vater der Sowjetunion, als Gründer der ersten marxistischen Partei und als zentrale Figur der kommunistischen internationalen Bewegung. Von den Gewaltverbrechen des marxistischen Revolutionärs wurde bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion kaum etwas publik.


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