Ludwig II. Das Faszinosum
In Bayern werden schon wenige Wochen nach dem Tod Ludwigs die Prachtschlösser und "geweihten Stätten" zur Besichtigung freigegeben, um den Menschen vor Augen zu führen, dass der abgesetzte Monarch tatsächlich verrückt war. Doch statt Entsetzen überwiegt bei der Masse der Besucher Begeisterung. Für sie steht der "Kini" für Kunst, Luxus und Unabhängigkeit, also für ein Leben, von dem sie nur träumen können.
Georg Jacob Wolf (1882-1936), ein Kunst- und Kulturhistoriker, schreibt in den 1920er Jahren das Buch "König Ludwig II. und seine Welt" und bejubelt ihn als Kulturmenschen und klugen Herrscher. Zu Zeiten der Weimarer Republik, als viele Deutsche einen "Ersatzkaiser" herbeisehnen, verkauft sich die Ludwig-Biografie bestens.
Auch die Schriftstellerin Hedwig Courths-Mahler (1867-1950) beschäftigt sich mit ihm und Karl May (1842-1912) veröffentlicht im Zeitraum 1886-88 den Kolportageroman "Der Weg zum Glück - Höchst interessante Begebenheiten aus dem Leben und Wirken des Königs Ludwig II. von Baiern".
Ludwig-Hype in Japan und den USA
1890 erscheint in Japan die Novelle "Utakata no ki" (deutscher Titel "Wellenschaum - Eine japanische Erzählung aus dem München Ludwigs II.") des Militärarztes, Dichters und Übersetzers Mori Ôgai (1862-1922). Der Autor lässt König Ludwig beim Versuch, zu einem Mädchen in ein Ruderboot zu gelangen, ertrinken - Grund genug für unzählige Japaner, noch heute zum Starnberger See zu reisen.
Auch in den USA genießt der "Crazy King" früh Kultstatus. Schloss Neuschwanstein steht beim Bau des Disneyland-Gebäudes "Sleeping Beauty Castle" (1955) Pate.
Der Kitsch- und Kommerzkini
In Deutschland bringen Helmut Käutner (1955), Hans Jürgen Syberberg (1972) und Lucino Visconti (1973) Ludwig-Filme in die Kinos, Ludwig-Musicals entstehen in den Jahren 2000 und 2005.
Bayern-Marketing ist heute ohne Ludwig, den König der Herzen, nicht denkbar. Er ist auf Postern, Bierkrügen und vielerlei Devotionalien zu finden. Zu Bayern gehört er wie die Berge und das Oktoberfest. Und nicht nur das: Ludwig passt mittlerweile zu jedem Trend - ob als King of Pop, Frühhippie, schwuler Paradiesvogel, exzentrischer Aussteiger, romantischer Träumer oder Vater aller Kriegsgegner ("Bauen statt zerstören").