Ludwig II. Ludwig II. und das Deutsche Reich
Seit den 1860er Jahren schwelt in Bayern - wie auch in Baden, Hessen und Württemberg - quer durch alle gesellschaftlichen Schichten ein Streit zwischen Partikularisten, die gegen Preußen Stimmung machen ("Patriotenpartei"), und Befürwortern eines Anschlusses an den Norden. Die nationale Begeisterung nach dem Sieg über Frankreich, lässt das Pendel mehr und mehr in Richtung deutsche Einigung ausschlagen.
Dem bayerischen König schwebt eine Kaiserrotation zwischen Wittelsbachern und Hohenzollern vor, doch Otto von Bismarck hat andere Pläne: Ludwig soll dem preußischen König Wilhelm die Kaiserwürde antragen. Der Grund: Die Stimme Bayerns hat Gewicht in Süddeutschland, im Falle einer Initiative Ludwigs würden auch die anderen Fürsten der preußischen Kaiserpolitik zustimmen.
Der "Kaiserbrief"
Schließlich wird Ludwig II., längst baubesessen, von sich aus aktiv. Gegen Geldzahlungen und das Versprechen der Verschwiegenheit gegenüber den bayerischen Ministern, bietet er Bismarck seine Unterstützung an. Die Verhandlungen führt Maximilian Graf von Holnstein (1835-95), Diplomat und Oberststallmeister des bayerischen Königs.
Aus einer "schwarzen Kasse" Bismarcks ("Reptilienfonds") fließen in den folgenden Jahren 5,2 Millionen Mark in Jahresraten von 300.000 Mark in Ludwigs Privatschatulle. Dieser unterzeichnet am 30. November 1870 den von Bismarck entworfenen "Kaiserbrief". Dann geht es Schlag auf Schlag: Am 18. Januar 1871 findet im Spiegelsaal von Versailles die Kaiserproklamation statt, am 21. Januar billigt die bayerische Abgeordnetenkammer die Reichsgründung und am 16. April tritt die Reichsverfassung in Kraft. Wenngleich dem Reichstag die Funktion der Bewilligung des Jahresbudgets zuerkannt wird, bleibt Deutschland ein semi-absolutistisches Staatsgebilde.
Für Bayern, das in Deutschland aufgeht, sind zwar Reservatrechte im Militär-, Post-, Eisenbahn- und Steuerwesen vorgesehen, doch Preußens Vorrangstellung bleibt unübersehbar. Preußens König ist Kaiser, der Ministerpräsident Kanzler. Der Generalstab untersteht allein dem Staatsoberhaupt, dass Kriegsministerium darf in die Länderkompetenzen eingreifen und im Kriegsfall hat der Kaiser den Oberbefehl über die Armee.
Bestechung oder legitime Forderung?
Kritiker Ludwigs II. betrachten den "Kaiserbrief" als königlich-bayerische Unterwerfungsgeste, Bismarcks Zahlungen als Bestechung. In Ludwigs Verhalten, so ihr Vorwurf, wurzeln die beiden Weltkriege. Verteidiger des bayerischen Monarchen betonen seinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die verlorene bayerische Souveränität.
Zudem kann Bismarcks Zahlung als Rückerstattung für die Kriegsentschädigung des Jahres 1866 betrachtet werden - doch in diesem Falle hätte das Geld wohl der Staatskasse zugute kommen müssen. Später nennt sich Ludwig selbstkritisch-verächtlich "preußischer Präfekt".
Kritiker Ludwigs II. betrachten den "Kaiserbrief" als königlich-bayerische Unterwerfungsgeste, Bismarcks Zahlungen als Bestechung. In Ludwigs Verhalten, so ihr Vorwurf, wurzeln die beiden Weltkriege. Verteidiger des bayerischen Monarchen betonen seinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die verlorene bayerische Souveränität. Zudem kann Bismarcks Zahlung als Rückerstattung für die Kriegsentschädigung des Jahres 1866 betrachtet werden - doch in diesem Falle hätte das Geld wohl der Staatskasse zugute kommen müssen. Später nennt sich Ludwig selbstkritisch-verächtlich "preußischer Präfekt".
Ludwigs Weltflucht
Spätestens 1871 muss König Ludwig II. die bittere Realität akzeptieren: Als Herrscher ist er auf der deutschen wie der internationalen politischen Bühne nur mehr Statist. Er verwirft Rücktrittsgedanken, steigt aber aus dem Politikbetrieb aus und taucht in eine Traumwelt ab, in der seine Ideale noch etwas gelten. Die Prachtschlösser Linderhof, Neuschwanstein und Herrenchiemsee werden zu Zufluchtsorten. Der Hofrat Lorenz von Düfflipp erhält die Weisung, "nicht mehr von Politik zu sprechen, ohne dass Majestät um etwas fragen". Statt Armeen kommandiert Ludwig nun die Arbeiterscharen auf seinen Baustellen.