Vergiftet am Arbeitsplatz um 1770 Kurze Geschichte der Spiegelherstellung
Erste Spiegel - polierte Metallscheiben - kommen in der Bronzezeit (Beginn etwa 2600 v. Chr.) zum Einsatz. Aus Ägypten sind Kupfer-, Bronze- und Silberspiegel bekannt, die als reich verzierte Grabbeigaben ebenso Verwendung finden wie als schlichte Make-up-Hilfen für Frauen. Um 1000 v. Chr. sind Metallspiegel quer durch die Kulturen verbreitet.
Der Erfindung des Glasspiegels fällt in die römische Kaiserzeit. Glas, basierend auf der Erhitzung der Rohstoffe Quarzsand, Soda, Pottasche und Kalk mit anschließender Formung der weichen Masse, wird in Ägypten bereits seit etwa 1500 vor Christus produziert und zu kleinen Gefäßen verarbeitet. Eine Erfindung aus Sidon (heute Saida im Libanon) gibt der Glasherstellung im ersten Jahrhundert vor Christus einen kräftigen Schub: Die Glasmacherpfeife, ein Rohr mit Mundstück, ermöglicht das Formen der flüssigen Substanz durch Blasen. Nun kann dünnwandiges, leichtes Hohlglas hergestellt werden. Ägyptische Arbeiter bringen die Kunst des Glasmachens nach Rom. Hier kommen, wie der Schriftsteller Plinius (23/24-79) berichtet, erste Glasspiegel auf den Markt. Zunächst handelt es sich um runde Metallscheiben, in deren Mitte Glas eingelassen ist. Um 300 versehen Spiegelmacher Glas mit plumbum album ("weißes Blei"), also mit einer Zinnschicht. Doch das Wissen, Glasschichten mit Metall zu hinterlegen, geht in den Wirren der Völkerwanderung vielerorts verloren.
Im Mittelalter läuft in Europa die Glasherstellung zögerlich wieder an. Ab dem 13./14. Jahrhundert produzieren Handwerker auch wieder Spiegel. Bei der Herstellung von "Ochsenaugen" wird geschmolzenes Glas zu einer Kugel geblasen und in die noch heiße Kugel Blei eingefüllt. Beim Schwenken bildet sich an der Wand ein Film. Nach dem Abkühlen wird die Kugel zerschlagen. Die zugeschnittenen Scherben finden rasch Abnehmer. Spiegel- und Glasmacher bilden in vielen mittelalterlichen Städten meist eine gemeinsame Zunft.
Marktführer Venedig
Zentrum der Spiegelherstellung wird der Stadtstaat Venedig, auf dessen Insel Murano das Zylinderblasverfahren entwickelt wird. Glasbläser formen Zylinder, die im noch weichen Zustand aufgeschnitten, wieder erhitzt und gewalzt werden. So entstehen ebene Tafeln, auf die eine Blei-Antimon-Mischung aufgetragen wird.
Im frühen 16. Jahrhundert gelingt den Venezianern eine bedeutende Weiterentwicklung des Verfahrens. Auf die Glasscheiben wird nun eine Quecksilber-Zinn-Mixtur gegossen, beide Materialien verbinden sich zu der stabilen Legierung Amalgam. Die flachen Murano-Spiegel werden zum Exportschlager. Venedig hofiert seine Spiegelhandwerker, zahlt hohe Prämien und gewährt Privilegien. Herausragende Könner erhalten das begehrte Bürgerrecht. Die Quecksilber-Zinn-Rezeptur ist ein Staatsgeheimnis - wer es ausplaudert, muss mit der Todesstrafe rechnen.