Vergiftet am Arbeitsplatz um 1770 Merkantilismus in der Praxis
Unter König Ludwig XIV. gewinnt Frankreich als europäische Macht eine neue Qualität. Im Willen des "Sonnenkönigs" verkörpert sich der Staat, der Monarch beansprucht aus göttlichem Recht zu regieren. Eine Kunst, die den Blick der Untertanen auf den Herrscher lenkt, und eine regelrechte Bauwut dienen der Repräsentation königlicher Erhabenheit.
Die Residenz Versailles, ein Gemenge aus Gebäuden, Gemälden, Statuen, Gärten und Wasserspielen wird ab den 1660er-Jahren zum Zentrum höfischer Prachtentfaltung. Spiegel dürfen an diesem Ort der Eitelkeit nicht fehlen - doch die sind teuer und kommen aus Venedig. Jean-Baptiste Colbert, der Generalkontrolleur der Finanzen, schmiedet einen Plan: Frankreich soll - basierend auf dem Wissen venezianischer Handwerker - eine eigene Spiegelproduktion aufbauen.
Ein Fall von "Industriespionage"
Französische Agenten reisen nach Venedig und werben heimlich Spiegelexperten an. Sie bieten Geld, Grundbesitz, Hinterbliebenenversorgung und versprechen auch die Familien von Überläufern nach Frankreich zu schleusen. 1665 ist es soweit: Colbert eröffnet in Saint-Gobain nahe Paris eine königliche Spiegelmanufaktur, ein Jahr später kann er die ersten französischen Spitzenprodukte präsentieren. Venedig versucht die abtrünnigen Handwerker zur Rückkehr zu bewegen. Als einige - vermutlich nach einem Giftanschlag überraschend sterben - kehrt die Gruppe reumütig in die Lagunenstadt zurück.
Doch das Spiegelmonopol Venedigs ist gebrochen, die Franzosen verfügen nun über ausreichend Kenntnisse, um die Produktion voranzutreiben. In den 1680er Jahren entwickeln sie eine neue, bahnbrechende Herstellungsmethode. Glas wird nicht mehr geblasen, sondern auf einen Bronzetisch ausgegossen, mit Rollen zu flachen Tafeln gewalzt und danach beschichtet. Nun lassen sich auch Spiegel-Großformate herstellen, in denen sich der ganze Mensch betrachten kann.
Spiegel aus Frankreich
Das Monopol auf die neue Methode erhält die Manufaktur Saint-Gobain. In Versailles sorgen die klaren Großspiegel für Furore. Der begnadete Selbstdarsteller Ludwig XIV. empfängt Staatsgäste bevorzugt im Spiegelsaal; diese sind begeistert und ordern Ware aus Saint-Gobain.