Bayern 2 - radioWissen


1

Die Nürnberger Gesetze Glossar

Stand: 06.09.2010 | Archiv

BegriffErklärung
Alldeutscher VerbandNationalistische Vereinigung, die 1894 aus dem 1891 gegründeten Allgemeinen Deutschen Verband hervorging. Zu den Zielen des antisemitischen Alldeutschen Verbands gehörten die Erweiterung der deutschen Flotte und des "deutschen Lebensraumes" und der Kampf gegen Minderheiten. Der Alldeutsche Verband lehnte die Weimarer Republik ab und trat für eine nationale Diktatur ein. 1939 wurde der Verband aufgelöst.
arischAdjektiv zu dem Begriff "Arier". Als Arier bezeichneten sich ursprünglich adelige Angehörige indogermanischer Völker in Indien und Vorderasien. In der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten stand der Begriff Arier für eine von ihnen als überlegen angesehene deutsche "Herrenrasse". Als Nichtarier galten gemäß dem antisemitischen Weltbild der Nationalsozialisten Juden, sie wurden als Bedrohung der Herrenrasse betrachtet.
BoykottDer Versuch, Personen, Institutionen, Organisationen, Staaten oder Unternehmen zu einem gewünschten Verhalten zu bewegen, indem man wirtschaftliche, gesellschaftliche oder rechtliche Beziehungen zu ihnen beendet. Auch die bewusste Weigerung, an Veranstaltungen teilzunehmen, wird als Boykott bezeichnet. Der Begriff soll zurückgehen auf den Engländer Charles Cunningham Boycott (1832-1897), der in Irland Gutsverwalter war, und wegen seiner schlechten Behandlung der irischen Landpächter 1880 von der irischen Landliga gezwungen wurde, das Land zu verlassen.
DachauSchon kurz nach dem Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, wurde am 22. März 1933 in Dachau, vor den Toren Münchens, ein Konzentrationslager für politische Gefangene der Nationalsozialisten errichtet. Zu ihnen gehörten vor allem Kommunisten, Gewerkschaftler und Sozialdemokraten. Das Konzentrationslager Dachau wurde zum Vorbild für spätere Konzentrationslager der Nationalsozialisten und war eine Schulungsstätte für Mitglieder der SS, die das Lager brutal bewachte. Neben politischen Gefangenen waren in Dachau auch aus rassistischen, sozialdarwinistischen oder anderen Gründen Verfolgte inhaftiert: Juden, Roma, Sinti, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Kriminelle. Die Häftlinge wurden durch körperliche Schwerstarbeit systematisch umgebracht. Über 200.000 Menschen waren zwischen 1933 und 1945 im Konzentrationslager Dachau und in Außenlagern inhaftiert, 41500 von ihnen wurden ermordet, bevor US-amerikanische Truppen das Lager am 29. April 1945 befreiten.
FreimaurerBewegung, die den Idealen der Humanität, Toleranz und Menschenwürde verpflichtet ist. Die Freimaurer sind in so genannten Logen organisiert. Eine übergreifende internationale Organisation gibt es nicht, das geheime Ritual der Freimaurer gleicht sich jedoch im Wesentlichen weltweit. Ihre Bräuche und Symbole gehen zurück auf die mittelalterlichen Bauhütten. Zu den berühmten Freimaurern zählen Johann Wolfgang von Goethe und Sir Winston Churchill.
GalizierEinwohner Galiziens, einer Landschaft am nördlichen Rand der Karpaten und in ihrem Vorland, die seit 1772 zu Österreich gehörte. 1918 nahm der gerade gegründete polnische Staat Galizien in Besitz. 1939 wurde Ost-Galizien von der Sowjetunion annektiert, 1941 besetzten deutsche Truppen Galizien. Bis zum Mord an den europäischen Juden unter der Herrschaft der deutschen Nationalsozialisten war Galizien ein Zentrum jüdischer Kultur. Heute ist der Westen Galiziens Teil Polens, der Osten gehört zur Ukraine.
Hitler-PutschVersuch Adolf Hitlers und General Erich Ludendorffs, die Macht in Bayern zu übernehmen. Am 8. November 1923 sprengte Hitler mit SA-Einheiten eine Veranstaltung des bayerischen Generalstaatskommissars Gustav Ritter von Kahr im Münchner Bürgerbräukeller. Er rief die "nationale Revolution" aus, erklärte die bayerische Regierung und die Reichsregierung für abgesetzt und kündigte die Bildung einer neuen "nationalen Regierung" an. Die Führung der Reichswehr sollte General Ludendorff übernehmen. Hitler nötigte von Kahr, seinen Plänen zuzustimmen. Doch als am folgendem Tag mehrere Tausend Putschisten durch die Münchner Innenstadt marschierten, hatte von Kahr den Putsch öffentlich verurteilt und die Reichswehr und die Landespolizei waren alarmiert. In einem Feuergefecht schlug die Landespolizei den Putsch an der Feldherrnhalle nieder. Parallel mussten sich von Ernst Röhm geführte Putsch-Truppen, die das Wehrkreiskommando besetzt hatten, der Reichswehr ergeben.
NSDAPAbkürzung für Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Die extrem rechte, antidemokratische und antisemitische NSDAP ging 1920 aus der 1919 in München gegründeten Deutschen Arbeiterpartei (DAP) hervor. Im September 1919 trat Adolf Hitler der DAP bei, 1920 erhielt sie ein von ihm mitverfasstes Programm und den neuen Namen Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Seit Juli 1921 hatte Hitler als Vorsitzender der Partei eine fast unanfechtbare Führungsposition inne und machte die NSDAP bei öffentlichen Auftritten mit antikommunistischen, antisemitischen und gegen die Weimarer Republik gerichteten Reden bekannt. Dabei fungierten die 1920 ins Leben gerufenen, paramilitärischen Sturmabteilungen (SA) der Partei als Versammlungsschutz und gingen gewaltsam gegen politische Gegner vor. Nach dem Hitler-Putsch im November 1923 wurden die NSDAP und die SA verboten. Nach der Wiederzulassung der Partei 1925 bekräftigte Hitler seinen Führungsanspruch und verfolgte eine Strategie der Legalität, der sich auch die wieder aufgebaute SA unterordnen sollte. Zusätzlich entstand eine Schutzstaffel (SS) für Adolf Hitler und andere Parteifunktionäre. Die ganz auf ihren "Führer" Adolf Hitler ausgerichtete NSDAP entwickelte sich in der von einer Wirtschaftskrise geprägten Spätphase der Weimarer Republik von der Splitterpartei zur Volkspartei. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.
Nürnberger GesetzeBezeichnung für die beiden Gesetze, die am 15. September 1935 auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg verabschiedet wurden, das "Reichsbürgergesetz" und das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre". Durch das "Reichsbürgergesetz" und eine dazugehörige Verordnung wurden Juden im Verhältnis zu "Reichsbürgern" herabgestuft zu bloßen Staatsangehörigen. Damit verloren sie die "vollen politischen Rechte", denn die waren gemäß dem in Nürnberg erlassenen Gesetz allein "Reichsbürgern" vorbehalten, und diese mussten nach der Definition des Gesetzes „deutschen oder artverwandten Blutes“ sein. Das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verbot Eheschließungen und außerehelichen Verkehr "zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes". Im Fall von Zuwiderhandlungen drohten Zuchthausstrafen wegen "Rassenschande". Darüber hinaus untersagte das Gesetz Juden, "weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren" in ihrem Haushalt zu beschäftigen. Die erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 definierte, wer als Jude zu betrachten sei. Mit den "Nürnberger Gesetzen" machten die Nationalsozialisten die rechtliche Gleichstellung der deutschen Juden rückgängig.
RassenschandeDas "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", eines der beiden so genannten "Nürnberger Gesetze" vom 15. September 1935, verbot Eheschließungen und außerehelichen Verkehr "zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes". Im Fall von Zuwiderhandlungen drohten Zuchthausstrafen wegen "Rassenschande".
ReversSchriftliche Erklärung
SAAbkürzung für Sturmabteilung. Uniformierte Kampf- und Propagandatruppe der NSDAP. Gegründet 1920, nach dem Hitler-Putsch 1923 verboten, seit 1925 wieder aufgebaut. Die SA-Männer verteilten Propagandamaterial, schützten Parteiveranstaltungen und gingen brutal gegen politische Gegner vor. Nicht zuletzt als Anlaufstelle für eine wachsende Zahl von Arbeitslosen zählte die SA 1934 über vier Millionen Mitglieder. Als der Führer der SA, Ernst Röhm, diese zu einem Milizheer ausbauen wollte und eine "zweite Revolution" forderte, nahm Hitler den so genannten "Röhm-Putsch" zum Anlass, die SA-Führung mit Ernst Röhm und weitere politische Gegner zwischen dem 30. Juni und dem 2. Juli 1934 umbringen zu lassen.
SanktionierungBestätigung, das Erteilen von Gesetzeskraft.
SSAbkürzung für Schutzstaffel. Gegründet 1925 als Sondereinheit zum Schutz Hitlers und anderer Funktionäre der NSDAP. Der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, baute die SS ab 1929 zu einer nach rassebiologischen und weltanschaulichen Kriterien ausgewählten nationalsozialistischen Eliteeinheit aus, als Keimzelle eines nationalsozialistischen Führungsordens. Einsatzgruppen der SS ermordeten aus rassistischen und politischen Gründen Hunderttausende von Menschen. Ab 1934 war die SS alleine zuständig für die Konzentrationslager der Nationalsozialisten, in denen Millionen Menschen systematisch umgebracht wurden.
"Stürmer"1923 von Julius Streicher gegründete, in Nürnberg herausgegebene antisemitische Wochenzeitung, die gegen die jüdische Bevölkerung aufhetzte. Der "Stürmer" erschien zuletzt am 1. Februar 1945. Am Fuß der Titelseite stand ab 1927 das Zitat Heinrich von Treitschkes zu lesen: "Die Juden sind unser Unglück".
TalmudIm Talmud ist die Sammlung der jüdischen Gesetzeslehre ("Mischna") vereint mit den rabbinischen Kommentaren ("Gemara") dazu.
Versailler FriedensvertragDer Versailler Friedensvertrag wurde nach dem Ersten Weltkrieg zwischen dem Deutschen Reich und den siegreichen Alliierten geschlossen und trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Dem Vertrag zufolge verlor Deutschland alle seine Kolonien, sowie 13 Prozent seines Staatsgebietes, darunter Elsass-Lothringen, Posen und Westpreußen. Die deutschen Gebiete links des Rheins sollten auf 15 Jahre besetzt bleiben. Der Vertrag verbot die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland und beschränkte die Größe des Heeres auf 100000 und die der Marine auf 15000 Mann. Der Vertrag schrieb Deutschland und seinen Verbündeten die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zu und verpflichtete Deutschland zu Sachlieferungen an die Alliierten sowie zu Reparationszahlungen.

Personen

NameWerdegang
Adenauer, Konrad

(1876-1967)
Deutscher Politiker. Adenauer wurde 1906 Mitglied der katholischen Zentrumspartei, der er angehörte bis sie sich unter dem Druck der Nationalsozialisten 1933 selbst auflöste. Ab 1917 war Adenauer Oberbürgermeister von Köln und von 1920 bis 1933 Präsident des preußischen Staatsrats. Nachdem die Nationalsozialisten ihn 1933 aus seinen Ämtern entlassen hatten, ließen sie ihn 1934 und 1944 zeitweise inhaftieren. 1945 war Adenauer erneut Oberbürgermeister von Köln. Er trat der neu gegründeten CDU bei und wurde 1946 ihr Vorsitzender in der britischen Zone. Am 15. September 1949 wählte der Bundestag Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (BRD), ab 1950 war er Bundesvorsitzender der CDU. Als Bundeskanzler setzte sich Adenauer für die Westbindung der BRD ein und ihre möglichst weit gehende Selbstständigkeit. Ergebnis seines Bemühens um eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich war der 1963 abgeschlossene deutsch-französische Freundschaftsvertrag. Zusammen mit anderen europäischen Politikern betrieb Adenauer die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 in Rom, die durch den Vertrag von Maastricht 1992 zur Europäischen Gemeinschaft wurde. Nach seinem Rücktritt als Kanzler 1963 blieb Adenauer noch bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender.
Chamberlain, Houston Stewart

(1855-1927)
Britisch-deutscher Schriftsteller. Chamberlain, der aus England stammte, heiratete die Tochter des Komponisten Richard Wagner und nahm 1916 die deutsche Staatsbürgerschaft an. Vor allem mit seinem zweibändigen Hauptwerk, "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" (1899) trug Chamberlain zur Verbreitung des rassistischen modernen Antisemitismus bei. Er stellte die Juden als bedrohliche "Gegenrasse" der arischen germanischen Rasse dar. Sein Werk war eine wichtige Quelle für die Rasseideologie der Nationalsozialisten.
Claß, Heinrich (1868-1953)Deutscher Politiker. Claß gehörte seit 1897 dem nationalistischen und antisemitischen Alldeutschen Verband an und war von 1908 bis 1939 dessen Vorsitzender. Claß propagierte eine Großmachtstellung des Deutschen Reichs und eine nationale Diktatur.
Dühring, Karl Eugen

(1833-1921)
Deutscher Philosoph, Wissenschaftstheoretiker und Nationalökonom. Dühring kritisierte die christlichen und jüdischen Religionen ebenso wie die sozialistischen Bewegungen seiner Zeit. Mit seinem Buch "Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage. Mit einer weltgeschichtlichen Antwort" schuf er 1881 eines der grundlegenden Werke des modernen, rassistischen, sich als wissenschaftlich verstehenden Antisemitismus.
Feuchtwanger, Lion

(1884-1958)
Deutscher Schriftsteller. Feuchtwanger schrieb historische Romane und Dramen, die geprägt sind von seinem Pazifismus und seiner sozialistischen Haltung. Zu seinen Werken gehören die Romane "Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch" (1923), "Goya" (1951), und die "Wartesaal"-Romantrilogie: "Erfolg" (1929), "Die Geschwister Oppenheim" (1933, später "Die Geschwister Oppermann") und "Exil" (1940). Feuchtwanger, der an der Revolution von 1918/19 teilgenommen hatte, verließ 1933 Deutschland und ging nach Frankreich. 1940 floh er in die USA.
Freisler, Roland

(1893-1945)
Deutscher Jurist und Politiker. Freisler wurde 1925 Mitglied der NSDAP. Er war 1933 und 1934 Staatssekretär im preußischen Justizministerium und anschließend von 1935 bis 1942 im Reichsjustizministerium. 1942 wurde Freisler Präsident des Volksgerichtshofes. Wegen des extremen Anstiegs der von dem Gericht verhängten Todesurteile unter seiner Präsidentschaft galt Freisler als "Blutrichter" und war ein berüchtigter Vertreter des nationalsozialistischen Justizterrors.
Frick, Wilhelm (1877-1946)Deutscher Politiker und Jurist. Frick nahm 1923 am Hitler-Putsch teil und saß 1923/24 in Haft. Danach trat er der NSDAP bei. Frick gehörte ab 1924 dem Reichstag an, wo er ab 1928 Fraktionsvorsitzender der NSDAP war. 1930 wurde er Innen- und Volksbildungsminister Thüringens und damit der erste Nationalsozialist, der einer deutschen Landesregierung angehörte. Als Reichsinnenminister von 1933 bis 1943 trug Frick eine wesentliche Mitverantwortung für die Rassengesetzgebung und den Aufbau der nationalsozialistischen Diktatur. 1943 wurde er Minister ohne Geschäftsbereich und Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde Frick 1946 durch das internationale Militärtribunal in Nürnberg zum Tode verurteilt.
Globke, Hans (1898-1973)Deutscher Jurist. Globke war von 1932 bis 1945 als Jurist im Reichsinnenministerium beschäftigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Mitglied der CDU. Als Staatsekretär war er unter Bundeskanzler Konrad Adenauer von 1953 bis 1963 mit der Leitung der Verwaltung des Bundeskanzleramts betraut. Globke war nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes als "Mitläufer" eingestuft worden. Doch wegen seiner Mitarbeit an einem Kommentar zu den 1935 verabschiedeten "Nürnberger Gesetzen" war er heftiger Kritik ausgesetzt.
Graf, Oskar Maria

(1894-1967)
Deutscher Schriftsteller. Graf gehörte 1918 zur revolutionären Münchner Gruppe um den Sozialisten Kurt Eisner. Grafs Prosa ist geprägt von einer volkstümlichen Erzählweise, und einem häufig derbem Naturalismus und Humor und spielt oft in kleinstädtischen oder dörflichen Milieus. Zu breiter literarischer Anerkennung verhalf ihm das "Bekenntnis" seiner Jugenderlebnisse "Wir sind Gefangene" (1927). Weitere Werke Grafs sind die Erzählungen "Das bayerische Dekameron" (1928) und die Romane "Unruhe um einen Friedfertigen" (1947) und "Die Erben des Untergangs" (1959). Ab 1938 lebte Graf in den USA.
Hitler, Adolf (1889-1945)Deutscher Politiker österreichischer Herkunft. 1907/08 bewarb sich Hitler erfolglos an der Kunstakademie in Wien. In der Folgezeit eignete er sich ein Weltbild an, das von Antisemitismus und der Vorstellung einer "germanischen Herrenrasse" geprägt war. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat im deutschen Heer. 1919 trat er der Deutschen Arbeiterpartei bei, die ab Februar 1920 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) hieß. Seit Ende Juli 1921 mit fast uneingeschränkter Macht Parteivorsitzender der NSDAP wurde Hitler zu einer Leitfigur nationalistischer Kreise in Bayern. Am 9. November 1923 scheiterte ein Putsch Hitlers, mit dem er die Macht in Bayern an sich reißen wollte, um dann eine neue Reichsregierung zu bilden. Hitler wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, die NSDAP verboten. In der Haft, aus der er Ende 1924 vorzeitig entlassen wurde, verfasste er den ersten Teil der Programmschrift "Mein Kampf". Mit der 1925 neu gegründeten NSDAP verfolgte Hitler eine Strategie der Legalität. Die Partei profitierte von der Wirtschaftskrise ab 1929 und wurde 1932 stärkste Fraktion im Reichstag. Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Mit Notverordnungen, dem Ermächtigungsgesetz und Terror errichtete er in wenigen Monaten einen diktatorischen Einparteienstaat. Hitler ließ politische Gegner wie Kommunisten und Sozialdemokraten in Konzentrationslagern inhaftieren und aus sozialdarwinistischen und rassistischen Gründen zunehmend auch Homosexuelle, Sinti, Roma und vor allem Juden, deren systematische Entrechtung er betrieb. Außenpolitisch strebte Hitler die Vorherrschaft in Europa an. Mit dem Angriff auf Polen löste er am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg aus. Mit der Fortdauer des Krieges wuchs die Zahl der Konzentrationslager und der Häftlinge, die zunehmend aus Osteuropa stammten und unter brutalen Bedingungen Zwangsarbeit für die Rüstung leisten mussten. Gemäß dem Willen Hitlers wurde in Konzentrations- und Vernichtungslagern der organisierte Völkermord an den europäischen Juden, und an den Sinti und Roma betrieben. Allein in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten starben etwa sechs Millionen Menschen. Hitler konnte dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden. Am 30. April 1945 begingen er und seine Lebensgefährtin Eva Braun, die er am Vortag geheiratet hatte, im Bunker der Berliner Reichskanzlei Selbstmord.
Lagarde, Paul Anton de (1827-1891)Ursprünglich Paul Anton Bötticher. Deutscher Orientalist und Philosoph. Lagarde war ab 1869 Professor für Orientalistik in Göttingen. Er erforschte unter anderem die älteste in griechischer Sprache verfasste Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta). Lagarde propagierte die Bildung einer nationalen Kirche jenseits der Konfessionen. Wegen seiner religiös-völkischen, antisemitischen Haltung genoss Lagardes Werk die Wertschätzung der Nationalsozialisten.
Lueger, Karl (1844-1910)Österreichischer Politiker. Lueger gründete 1891 die konservative, Christlichsoziale Partei. Mit einer christlich-sozialen Ausrichtung und antisozialistischen sowie antisemitischen Reden gewann Lueger die Massen des Kleinbürgertums für die Unterstützung seiner Partei. Mit seinem offen vorgetragenen Antisemitismus beeinflusste er den jungen Adolf Hitler. Als Lueger 1895 zum Bürgermeister Wiens gewählt wurde, verweigerte der Kaiser ihm auf Wunsch der Staatsregierung auch nach der vierten Wahlwiederholung die Amtsbestätigung. 1897 wurde Lueger schließlich Bürgermeister Wiens, das sich in seiner Amtszeit zur modernen Großstadt entwickelte.
Poincaré, Raymond (1860-1934)Französischer Politiker. Poincaré hatte von 1913 bis 1920 das Amt des Präsidenten inne. 1912 /13 und von 1922 bis 1924 war er Ministerpräsident und Außenminister. Von 1926 bis 1929 amtierte er erneut als Ministerpräsident und bis 1928 war er gleichzeitig Finanzminister. Nach dem Ersten Weltkrieg vertrat Poincaré eine kompromisslose Erfüllung des Versailler Vertrages und ließ das Ruhrgebiet besetzen, als die deutschen Lieferungen ausblieben. Als Ministerpräsident und Finanzminister ab 1926 konnte Poincaré den Franc stabilisieren und so die französische Finanzkrise stoppen.
Rathenau, Walter

(1867-1922)
Deutscher Industrieller und Politiker. Rathenau wurde 1915 der Aufsichtsratsvorsitzende der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Nach dem Ersten Weltkrieg trat Rathenau der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei und war wirtschaftspolitischer Sachverständiger der Reichsregierung für die Nachkriegs-Konferenzen in Versailles (1919), Spa (1920) und London (1921). Seit Februar 1922 Außenminister schloss Rathenau im April desselben Jahres im italienischen Rapallo einen Vertrag mit dem bolschewistischen Russland ab, der unter anderem die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern zur Folge hatte und den gegenseitigen Verzicht auf den Ersatz von Kriegskosten und Kriegsschäden. Am 24. Juni 1922 wurde Rathenau von zwei antisemitischen, rechtsradikalen ehemaligen Offizieren in seinem Dienstwagen erschossen.
Stoecker, Adolf

(1835-1909)
Deutscher evangelischer Hof- und Domprediger und Sozialpolitiker. Stoecker versuchte, die Arbeiterschaft für Kirche, Nationalismus und Monarchie zu begeistern. Zu diesem Zweck wurde er 1877 Leiter der Berliner Stadtmission und gründete 1878 die Christlich-soziale Arbeiterpartei, die allerdings mit ihrer nationalistisch-monarchistischen Ausrichtung im Proletariat auf wenig Interesse stieß. Mehr Erfolg - beim mittelständischen Publikum - erntete Stoecker, wenn er Liberalismus und Sozialismus den Kampf ansagte und antisemitische Reden schwang. So etablierte er den Antisemitismus als Mittel politischer Propaganda.
Treitschke, Heinrich von (1834-1896)Deutscher Historiker und Publizist. Treitschke lehrte als Professor für Geschichte zunächst in Kiel und Heidelberg und ab 1874 an der Universität in Berlin, als Nachfolger Leopold von Rankes, dem er 1886 auch als offizieller Historiograph des preußischen Staates nachfolgte. Treitschkes fünfbändiges Hauptwerk "Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert" (1879-1894) hatte nachhaltigen Einfluss auf das Geschichtsbild des national eingestellten deutschen Bürgertums. Treitschke betrachtete den 1871 entstandenen deutschen Nationalstaat als Höhepunkt der geschichtlichen Entwicklung. Er sah allerdings ein nationales Problem in der "Judenfrage" und prägte 1879 in einem Aufsatz den Satz: "Die Juden sind unser Unglück". Treitschke schrieb die negativen Konsequenzen der Industrialisierung und der Modernisierung der Wirtschaft in Deutschland jüdischem Einfluss zu und ließ die Juden als Feinde der Deutschen erscheinen. Als einflussreicher Gelehrter trug er so dazu bei, dass der Antisemitismus gesellschaftsfähig wurde.
Wagner, Richard

(1813-1883)
Deutscher Komponist. Wagner war unter anderem Kapellmeister in Magdeburg, Riga und Dresden. Er nahm 1848/49 an der deutschen Revolution teil und wurde nach dem Scheitern des Dresdner Maiaufstands steckbrieflich gesucht, woraufhin er 1849 in die Schweiz floh. 1864 wurde Wagner von König Ludwig II. nach München berufen, er musste die Stadt wegen Auseinandersetzungen mit dem bayerischen Kabinett allerdings schon im Jahr darauf wieder verlassen. 1872 zog Wagner nach Bayreuth, wo das Bayreuther Festspielhaus entstand. 1876 wurde dort sein Werk "Der Ring des Nibelungen" uraufgeführt. Zu Wagners weiteren Werken zählen unter anderem die Opern "Der Fliegende Holländer" (1841), "Tannhäuser" (1845), "Lohengrin" (1848), "Tristan und Isolde" (1859) und "Die Meistersinger von Nürnberg" (1867). Wagner, der auch die Texte seiner Werke schuf und dafür auf mittelalterliche Dichtung zurückgriff, gelang eine Erneuerung der Oper im Sinne des von ihm angestrebten musikdramatischen "Gesamtkunstwerks". Seine Musik lotete Grenzen der Harmonik aus und war musikgeschichtlich von Einfluss bis in die Entstehungszeit der so genannten Neuen Musik im frühen 20. Jahrhundert. Wagners Werk inspirierte Philosophen und Schriftsteller wie Friedrich Nietzsche und Thomas Mann. Wagner tat sich auch als Antisemit hervor, etwa mit seinem Essay "Das Judentum in der Musik" (1850), in dem er den Juden die Fähigkeit absprach, sich künstlerisch mitzuteilen. Mit der Wahl der Stoffe für seine Opern beförderte Wagner zudem einen Germanenkult. Adolf Hitler und die Nationalsozialisten verehrten Wagner.
Wirth, Karl Joseph

(1879-1956)
Deutscher Politiker, gehörte dem Zentrum an. 1913 wurde Wirth Mitglied des badischen Landtages, 1914 Reichstagsabgeordneter. Nach der Revolution im November 1918 war er gleichzeitig badischer Finanzminister und Mitglied des Reichstags, dem er bis 1933 angehörte. 1920/21 hatte Wirth das Amt des Reichsfinanzministers inne, 1921/22 war er Reichskanzler. 1922 schloss er den Rapallovertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem bolschewistischen Russland ab. Auf die Ermordung von Außenminister Rathenau im Juni 1922 reagierte Wirth mit dem "Republikschutzgesetz", das der Reichstag im Juli verabschiedete. 1930/31 war er Reichsinnenminister, 1933 ging er ins Exil in die Schweiz. 1948 gründete Wirth die Partei "Union der Mitte", 1953 den Bund der Deutschen. Er forderte die Neutralität Deutschlands und lehnte die Westbindung der BRD ab.

1