Das Thema Der Kampf gegen die Sklaverei
"Ich hatte zwei Matrosen gefunden, die mit angesehen hatten, wie ein Kapitän einen Negersäugling, der an Bord zur Welt gekommen war und dessen Geschrei ihn störte, über Bord werfen ließ, und einem größeren Kind, das aus Hunger weinte, mit dem Messer den Mund von einem Ohr zum andern aufschlitzte, und noch viele andere Grausamkeiten mehr."
Thomas Clarkson
Der englische Geistliche Thomas Clarkson kannte nur ein Ziel: Seinen Landsleuten die Augen zu öffnen über die brutalen Praktiken im transatlantischen Sklavenhandel, in dessen Hochzeiten jährlich etwa 80.000 Schwarzafrikaner über den Atlantik nach Süd- und Nordamerika verschifft wurden, wo sie als Sklaven auf die Tabakplantagen Virginias, die Reisfelder South Carolinas oder auf die Zuckerrohrfelder der Karibik verkauft wurden. Um die ahnungslose Öffentlichkeit über dieses menschenunwürdige Handelssystem aufzuklären, sammelte Clarkson unermüdlich Material, führte Recherchen in den Hafenstädten Liverpool und Bristol durch und interviewte Matrosen und Offiziere, die auf Schiffen des Sklavenhandels gedient hatten. 1787 gründete er in London mit Gleichgesinnten, darunter Methodisten und Quäker, die "Gesellschaft zur Abschaffung (Abolition) der Sklaverei". Sie war die erste Abolitionisten-Bewegung und gilt als die Mutter aller Menschenrechtsbewegungen. Die Vereinigung sammelte Unterschriften, reichte Petitionen im Parlament ein und rief zum ersten Verbraucherstreik der Geschichte auf, dem sich fast eine halbe Millionen Engländer anschlossen, die sich weigerten durch Sklavenarbeit gewonnenen Zucker zu konsumieren. Politische Unterstützung fand Clarkson in William Wilberforce, einem Abgeordneten des Unterhauses und ein ebenso entschiedener Kämpfer gegen die Sklaverei.
"Die Nachwelt wird nicht begreifen, dass wir diesen blutigen Handel zur Schmach und Schande unseres Landes so lange dulden mussten."
Appellierte Wilberforce eindringlich an das Parlament, als er das Verbot der Einfuhr von Sklaven in die englischen Kolonien beantragte.
Der transatlantische Sklavenhandel
Unter einem Sklaven versteht man einen entrechteten Menschen, der, wie ein Eigentum eines anderen Menschen behandelt wird und gegen seinen Willen festgehalten, gekauft und verkauft, getauscht, verschenkt, verschleppt, misshandelt und wirtschaftlich ausgebeutet werden kann. Seit der Frühzeit menschlicher Kulturgeschichte sind Kriege, Piraterie, Profitgier, Verschuldung, Bestrafung, Unterdrückung und Rassismus der Motor dafür, dass Menschen andere Menschen zu ihrem Besitz erklären, sie entrechten, erniedrigen und ausbeuten.
Dies vor Augen begann die wohl berüchtigtste Phase in der Geschichte der Sklaverei im 15. Jahrhundert mit der Entdeckung der afrikanischen Küsten und, etwas später, der Eroberung und Kolonialisierung von Amerika durch europäische Großmächte. Hier wurde der Boden bereitet für eine Völkerverschleppung in gigantischem Ausmaß: dem transatlantischen Sklavenhandel, der sich als hochprofitabler Pfeiler im so genannten Dreieckshandel zischen Europa, Westafrika und Amerika etablierte. Die Praxis, Arbeitskräfte in Form von schwarzen Sklaven zu "importieren", breitete sich mit Beginn des 16. Jahrhunderts auf sämtliche europäischen Kolonien und Inseln in Mittel- und Südamerika aus. Im 17. Jahrhundert erreichte die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften für die Plantagen, vor allem für die Zuckerrohplantagen auf den karibischen Inseln, ein nie gekanntes Ausmaß. Das Geschäft mit Sklaven aus Afrika wurde zum lukrativen Wirtschaftszweig: Für Portugal, Frankreich, Holland, Dänemark und vor allem für England, das unter anderem mit der "English Royal African Company" über die größte Flotte an Sklavenschiffen verfügte, die zumeist über Liverpool und Bristol verkehrten.
Das Prinzip Dreieckshandel
Beladen mit Waffen, Branntwein, Stoffballen und billiger Manufakturware legten die Schiffe an den westafrikanischen Küsten an, wo mit Stammesfürsten oder afrikanischen und arabischen Zwischenhändlern die mitgeführten Güter gegen Sklaven eingetauscht wurden. Hatte man die Schiffe nun mit Sklaven voll beladen, ging die zweite Etappe Richtung Amerika, hier, in der Neuen Welt, verkauften die europäischen Händler ihre "Menschenware" zu höchstmöglichen Preisen. Mit dem Erlös beluden sie ein drittes Mal ihre Schiffe, jetzt mit den in der Heimat begehrten Rohstoffen aus den Kolonien: Zucker, Tabak, Baumwolle, tropische Früchte, Kakao und Kaffee, Perlen, Silber und Gold. Damit waren auf jeder der etwa 18 Monate dauernden Dreiecksfahrten die Schiffe nicht nur immer voll ausgelastet, obendrein konnten die europäischen Reedereien an jedem Umschlagplatz sich vervielfachende Gewinne erzielen. Der innerafrikanische Sklavenhandel, der bereits lange Zeit vor Ankunft der Europäer existierte, gereichte da den Profitinteressen zum Vorteil, selten gingen die Europäer selbst auf Sklavenjagd. Die wiederum entwickelte sich in Afrika zur gewinnträchtigsten Betätigung für die lokalen Herrscher und ihrer Zulieferer, weshalb die Nachfrage nach der "Ware Mensch" auch zu einem Anstieg an kriegerischen Konflikten unter den Stämmen führte. Schließlich konnten so Gefangene gemacht werden, die sich als Sklaven an die weißen Sklavenhändler wieder verkaufen ließen. Den Gegenwert bildeten u.a. Waffen, womit der Kreislauf geschlossen wäre.
Das Schicksal der Sklaven
Über dreieinhalb Jahrhunderte währte der transatlantische Sklavenhandel, in dessen Verlauf, so schätzt man, etwa 40 Millionen Menschen in die Neue Welt verschleppt wurden. Vor allem auf junge, gesunde und kräftige Männer machte man Jagd, doch auch (gebärfähige) Frauen und Kinder waren die Opfer. Die Gefangenen wurden mit einem glühenden Eisen als "Ware" gebrandmarkt und über den Atlantik buchstäblich verfrachtet. Sie wurden angekettet, geschlagen, ausgepeitscht, vergewaltigt und verstümmelt. Ihre Rechtlosigkeit als Sklaven öffnete der Barbarei Tür und Tor.
Viele kamen bereits auf den anstrengenden, oft monatelangen Fußmärschen vom Inneren Afrikas an die Küsten ums Leben, andere überlebten die grausamen Strapazen der Überfahrt nicht. Denn um hohe Gewinne zu erzielen, beförderten die Händler auf ihren Schiffen so viele Sklaven wie möglich, Verluste kalkulierten sie kalt, ja zynisch mit ein. Wie Gepäckstücke stapelten sie die Gefangen in Fächern übereinander und nebeneinander, jeweils zu zweit aneinandergekettet. Die so Eingepferchten konnten sich weder auf den Rücken legen, noch aufrecht hinsetzen und schon gar nicht hinstellen. Schlechte Luft, Schmutz, Hunger, Durst und Krankheiten machten ihnen die Wochen dauernde Überfahrt zur Hölle auf Erden, ganz zu schweigen von den Misshandlungen, denen sie schutzlos ausgeliefert waren. Schätzungen gehen davon aus, dass nur jeder vierte Schwarzafrikaner die mörderische Überfahrt überlebte. Viele starben an Krankheiten wie Skorbut oder Ruhr, wenn sie nicht schon vorher wegen Ansteckungsgefahr einfach über Bord geworfen wurden. Andere bereiteten ihrem Leben selbst ein Ende, indem sie nichts mehr aßen oder den sprichwörtlichen Freitod im Meer suchten. Es gab aber auch jene Mutigen, die revoltierten. Sie hatten kaum eine Chance und bezahlten nicht nur mit ihrem Leben. Zur Abschreckung und zur Strafe ließen sich ihre Peiniger unvorstellbare Grausamkeiten für ein qualvolles Sterben einfallen.
Die Überlebenden aber sahen einem ungewissen Schicksal entgegen. Medizinisch versorgt, aufgepäppelt und anschließend auf den Sklavenmärkten meistbietend verkauft, schufteten sie auf Plantagen, im Bergwerk, im Haushalt, in Transport und Verkehr, kurz, in praktisch allen Bereichen, die das wirtschaftliche Leben der Neuen Welt und ihrer Siedler ausmachten. Nur wenige hatten da das, wenn auch zweifelhafte, Glück an einen "Herrn" oder an eine "Herrin" zu geraten, die sie menschenwürdig behandelten, ihnen eine Ausbildung ermöglichten, sie gar für ihre Arbeit entlohnten oder ihnen eines Tages die Freiheit zurückgaben. Auf das Gros der Deportierten wartete ein Leben in Sklaverei – rechtlos, ausgebeutet und über den Tod hinaus zur Massenware erniedrigt.
Ein belastendes Erbe
Mit Beginn des Jahres 1808 verbot England den Sklavenhandel in die britischen Kolonien qua Gesetz. Dänemark hatte diesen Schritt schon ein paar Jahre zuvor getan und nach dem Wiener Kongress im Jahre 1815 schlossen sich auf Druck der Briten alle am Sklavenhandel beteiligten europäischen Länder nach und nach an. Bis zur endgültigen Abschaffung der Sklaverei in Amerika dauerte es indes noch Jahrzehnte, erst im Jahre 1865, nach einem vier Jahre währenden Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten, konnten die Abolitionisten auch hier einen Sieg erringen. Allein, bis heute ist sich die Geschichtsforschung uneins darüber, was zum Sinneswandel im Sklavengeschäft geführt haben mag. Waren es wirtschaftliche Gründe, weil der Sklavenhandel mit Beginn der industriellen Revolution unrentabel geworden war? Oder waren es die ethisch-moralischen Gründe der Abolitionisten, die sich im Zeitalter der Aufklärung, der humanistischen Ideale und Menschenrechte, immer mehr Gehör verschaffen konnten?
Die Gründe, die zum Verbot des Sklavenhandels führten, mögen vielleicht im Verborgenen bleiben. Eines steht jedoch fest: Die über Jahrhunderte währende gewaltsame Verschleppung von Millionen Schwarzafrikanern, ihre Degradierung zum Exportgut haben in der afrikanischen Geschichte tiefe Spuren hinterlassen. Afrikas Menschen verhalfen den Ländern auf der Nordhalbkugel nicht nur zu ihren Errungenschaften und zu ihrem Wohlstand, ohne selbst die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Man zerstörte ihnen auch ihre afrikanische Kultur, ihre Identität, ihr Selbstbewusstsein, und beschnitt sie damit um ihre Möglichkeiten für Fortschritt und Wohlstand. Unterentwicklung, Armut und Krieg, wie es heute in vielen Ländern Afrikas Realität ist, mögen darin ihre historische Wurzel haben. So ist das Trauma des Sklavenhandels nach wie vor ein belastendes Erbe - für den afrikanischen Kontinent ebenso wie für seine Menschen. Und es ist auch unser Erbe.