Bayerns Wälder Die Sache mit der Jagd
Die Jagdgeschichte in Deutschland - und das gilt auch für Bayern - wird in vier Phasen eingeteilt: Freier Tierfang, Inforestation, Regalität und Revierjagdsystem.
1. Phase des freien Tierfangs (bis 7./8. Jahrhundert)
Jeder darf jedes Wild auf jedem Gebiet auf jede Art fangen oder töten. Vom Beginn der Menschheitsgeschichte bis zum Neolithikum (Jungsteinzeit) ist das Beutemachen für Jäger- und Sammlergesellschaften überlebenswichtig. Nach der Sesshaftwerdung wird vor allem gejagt, um Wild von Äckern fernzuhalten und Nutztiere vor Raubtieren zu schützen.
2. Phase der Inforestation (bis 12./13. Jahrhundert)
Die freie Jagd wird seit dem frühen Mittelalter durch die Errichtung von Bannforsten eingeschränkt. Bannforste sind Waldgebiete, die dem ausschließlichen Jagdrecht des Königs oder eines von ihm Privilegierten unterstehen, nachdem sie durch Bannspruch (Wildbann) der allgemeinen Jagdfreiheit bei Androhung hoher Strafen entzogen worden sind. In den zwischen den Bannforsten gelegenen Allmenden können die Bauern weiterhin frei jagen.
3. Phase der Regalität (bis 1848)
Während die königliche Zentralgewalt im Laufe des Mittelalters schwindet, nimmt die Macht der Landesherren beständig zu. Ab 1500 beanspruchen Fürsten, Herzöge und Bischöfe das uneingeschränkte Jagdausübungsrecht (Jagdregal) in ihren Machtbereichen. Es erfolgt eine Einteilung in Hohe Jagd (sie bleibt dem Hochadel vorbehalten) und Niedere Jagd (sie wird vom niederen Adel und den Bauern ausgeübt). Entsprechend gibt es eine Unterscheidung von Hochwild (Paarhufer außer dem Reh, sowie Auerhahn, Stein- und Seeadler) und Niederwild (Arten wie Hase, Fasan). Ein Berufsstand von Jägern bildet sich heraus, der dem Adel zu Diensten ist. Jagdordnungen werden erlassen, Bauern müssen oft Frondienste bei der Jagd leisten. Wilderei wird hart bestraft.
4. Phase des Revierjagdsystems (bis heute)
Im Zuge der Revolution von 1848 fallen die Jagdregale. Das Recht zur Jagd geht auf die Grundeigentümer über. 1850/51 werden erste Jagdgesetze erlassen. Die neue Revierordnung macht die Jagdausübung allerdings vom Besitz einer bestimmten Mindestfläche abhängig. Die Grundflächen einer Gemeinde, die die Mindestfläche nicht erreichen, werden zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk zusammengefasst; dann verpachtet die Grundeigentümergemeinschaft den Jagdbezirk an Jäger. Zudem wird der Gedanke der Hege eingeführt (unter anderem Schonzeiten für einzelne Wildarten). Eine weitere Neuerung ist die Abschussplanung: Rehe und Hirsche werden unter Berücksichtigung der Alterklassensstruktur und des Geschlechterverhältnisses erlegt. Heute wird bei der Festlegung der Abschussquoten in besonderem Maße der Zustand der Vegetation berücksichtigt. Wo das Wild viel "verbeißt", wird der Abschuss erhöht, um den Wald zu schonen und ihm die Chance zu geben, sich selbst zu verjüngen.
Bayerische Herrscher und die Jagd
Kurfürst Max III. Joseph (reg. 1745-1777) schätzt Parforcejagden und gibt, obwohl er als sparsamer Machthaber gilt, beträchtliche Summen dafür aus. Weit weniger jagdbegeistert ist sein Nachfolger Kurfürst Karl IV. Theodor (1777-1799). Er macht den Untertanen sogar Teile seines Münchner Jagdgebietes zugänglich. So kann Sir Benjamin Thomson (1753-1814), der später zum Grafen Rumford geadelt wird, ab 1789 den Englischen Garten anlegen.
Im Zuge von Säkularisation und Mediatisierung kommt das Königreich Bayern im frühen 19. Jahrhundert in den Besitz beträchtlicher Waldflächen. Wälder um München und Ingolstadt, im Gebirge und im Spessart beansprucht das Königshaus als Jagdreviere für sich. Andere neu hinzugewonnene Gebiete werden an Adelige verpachtet.
Der erste Regent des neuen Königreichs Bayern, Maximilian I. Joseph (1806-1825), liebt die Jagd im Gebirge. Quellen berichten, dass er bei einer Jagd am Priesberg 1822 allein 95 Gämsen erlegte. König Ludwig I. (1825-1848) nimmt sich nur wenig Zeit zum Jagen. 1848 dankt er ab, bald wird als Folge der Revolution das Jagdregal aufgehoben. In ganz Bayern kommt es zu jagdlichen Exzessen, viele Reviere werden von Bauern und Bürgern regelrecht leer geschossen. Erst nach dem Inkrafttreten des Jagdgesetzes vom 30. März 1850 erholen sich die Wildbestände wieder.
Prinz Luitpold (1886-1912), der Onkel des "Märchenkönigs" Ludwig II., übernimmt im Juni 1886 die Regentschaft. Der begeisterte Jäger sorgt für eine Erhöhung der Wildbestände und fördert auch die bürgerliche Jagd. In ganz Bayern entstehen lokale Jagdschutzvereine. In den Revieren tummeln sich bald unzählige Rehe, Hirsche und Gämsen. Die Überhege hat verheerende Folgen für den Wald. Rot- und Rehwild verursachen Verbiss- und Schälschäden, eine natürliche Verjüngung des Waldes ist in vielen Regionen kaum noch möglich. Um die Jahrhundertwende beginnen die Bauern zu rebellieren. Unter Führung des späteren Reichstagsabgeordneten Georg Eisenberger, der aus der Gegend von Ruhpolding stammt, organisieren sich Waldbauern. Aus dem Zusammenschluss geht der Bayerische Bauernbund hervor.
Als Luitpold hochbetagt stirbt, wird sein Sohn bayerischer Herrscher. Am 7. Oktober 1918 geht König Ludwig III. (1913-1918) ein letztes Mal zur Pirsch. Er muss fünfmal schießen bevor seine Beute, ein "Zehnerhirsch", liegt. Vier Wochen später bricht die Revolution aus, der Sozialist Kurt Eisner proklamiert den Freistaat Bayern. Die königlichen Jagden sind Geschichte.
Wo es Wild gibt, gibt es Wilderer
Seit der Schaffung ausschließlicher Nutzungsrechte an Wald und Jagd liegt im Wildern ein Ausdruck der Rebellion gegen die Obrigkeit. Unter Berufung auf altes oder natürliches Recht missachten Wilderer trotz schwerster Strafen das aristokratische Jagdprivileg und damit die ständische Ordnung. Weitere Motive für Wilderei sind der Versuch, Felder vor Wildschäden zu schützen und die Beschaffung von Fleisch in Notzeiten.
Bei der Auseinandersetzung zwischen Jagdpersonal und Wilderern kommen immer wieder Menschen ums Leben. So werden allein im Zeitraum 1822 bis1833 in den Wäldern des Königreichs Bayern 31 Wilddiebe und sechs Förster getötet. 1834/35 sterben im Isarwinkel 13 Wilderer und vier Förster bei Schießereien.
Durch ihr Rebellentum steigen Wilderer zu "Helden" auf. Ein Beispiel hierfür ist der legendäre Matthias Klostermayer (1736-1771), der "Bairische Hiasl". Die Bauern sind ihm dankbar, weil er Wild schießt, das die Felder verwüstet. Der berühmteste "Wildschütz" des Oberlandes ist der Holzknecht Georg Jennerwein (1848-1877), der während einer Brotzeit von einem Jäger hinterrücks erschossen wird. Noch heute liegt an manchem Todestag Jennerweins eine frisch geschossene Gams auf dessen Grab.
Wenn der Bock zum Gärtner wird…
Nach dem Ersten Weltkrieg, zur der Zeit Eisner-Regierung und der Räteunruhen, "legalisieren" die roten Machthaber die Wilderei in Bayern. Wilderer erhalten eine Anstellung als "Volksjäger" und sollen helfen, die katastrophale Versorgungslage im revolutionsgebeutelten Freistaat zu verbessern. Die Forstämter müssen ihren ehemaligen Gegnern dabei Hilfe leisten. Im Werdenfelser Land erhalten die ”Volksjäger” Ende 1918 beispielsweise den Auftrag, pro Woche 50 Stück Rotwild und 50 Gämsen zu erlegen und das Fleisch in Hungergebiete zu liefern.
Nach der Niederschlagung der Räterepublik werden die "Volksjäger" schnell wieder entwaffnet. Viele jagen erneut illegal und die Wilderei kommt vor allem im Gebirge nicht zum Erliegen - zumal die Nachfahren der Wildschützen die "Familientradition" fortsetzen. Noch heute gibt es Wilderer in Bayern, ihre Zahl ist allerdings stark zurückgegangen.