Der Kreislauf Kleine Geschichte der Herzmedizin
Bereits der Philosoph Aristoteles beschäftigt sich mit dem Herzen, er hält es für den Sitz des Verstandes. Der Römer Galen wendet sich im zweiten Jahrhundert nach Christus als Arzt dem Herzen zu. Blut, meint er, wird in der Leber produziert und fließt von dort ins Herz. Hier gelangt es über unsichtbare Öffnungen von der rechten in die linke Herzkammer, um dann im Gewebe zu versickern. Von der Existenz eines Kreislaufes ahnt Galen nichts. Folgende Generationen übernehmen Galens Medizin. Die Tabuisierung der Leichenöffnung bei den Römern und im frühen Christentum behindert die Erforschung des Herzens erheblich.
Leonardos Leichenstudium
Im Jahr 1506 bekommt Leonardo da Vinci von einem alten Mann die Erlaubnis, den Körper nach seinem Tod zu öffnen, um 1510 widmet er sich dem Studium der Leichen von Selbstmördern und Hingerichteten an der Universität Padua. Leonardo entdeckt eine Arterienverkalkung, betrachtet Herzen und malt Strömungslinien, um den Fluss des Blutes zu ergründen. Das Universalgenie versteht sogar die Arbeitsweise der Herzklappen - Mediziner rätseln noch heute, wie er zu der Erkenntnis gelangt, denn bei Toten lässt sich kein Blutfluss beobachten.
Harvey beschreibt den Blutkreislauf
In den 1620er Jahren entdeckt der englische Anatom und königliche Leibarzt William Harvey den Blutkreislauf. Bei der Betrachtung von Armvenen erkennt er, dass Klappen den Blutfluss in nur eine Richtung gestatten. Harvey kommt sein Interesse für Pumpentechnik zugute, präzise erklärt er, wie das Herz das Blut in einem geschlossenen Gefäßsystem zirkulieren lässt.
Blutdrucktests bei Pferden
Seit Harvey ist bekannt, dass das Herz eine Pumpe ist. Folglich muss das Blut unter Druck fließen. Den Beweis liefert der englische Landpfarrer und Naturforscher Stephen Hales. Um 1710 widmet er sich Tierversuchen. Er führt unter anderem Glasrohre in die Halsschlagadern lebender, am Boden fixierter Pferde ein. Er beobachtet das aufsteigende Blut und misst den Druck. Erst 1896 präsentiert der Italiener Scipione Riva-Rocci eine ungefährliche Blutdruckmessung - mithilfe eines Fahrradschlauches. Die von Riva-Rocci entwickelte Druckmanschettenmessung ist bis heute gebräuchlich.
Forßmanns Selbstexperiment
Im frühen 20. Jahrhundert verfügen Mediziner über ein beträchtliches Wissen zu Herz und Kreislauf. Doch wie sollen die Erkenntnisse in der Praxis angewandt werden? Es gilt diagnostische und therapeutische Verfahren zu finden.
Werner Forßmann, ein junger Arzt am Auguste-Viktoria-Heim in Eberswalde, führt sich 1929 ungeachtet des Verbots seines Chefarztes einen Blasenkatheter über die linke Ellenbeuge ein und schiebt ihn 65 Zentimeter weit bis zum Herzen vor. Dann geht er - über Treppen - zu einem Röntgengerät, um die Position des Katheters im Vorhof des Herzens zu betrachten. Entgegen aller Befürchtungen verblutet Forßmann nicht. Ferdinand Sauerbruch, einer der führenden Mediziner dieser Zeit, unterschätzt die Nützlichkeit des Forßmann'schen Versuchs ("Zirkus-Kunststückchen").
Tatsächlich ist Forßmanns Tat ein Meilenstein der Medizin. Nun sind Herz- und Kranzgefäßuntersuchungen jederzeit möglich, im Notfall gelangt ein Arzt schnell durch die Adern ins Zentralorgan. Die Amerikaner André Frédéric Cournand und Dickinson W. Richards machen die Herzkatheterisierung klinikreif. Werner Forßmann wird 1956 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Heute kommen dünne Sonden, die Kontrastmittel für die Röntgenuntersuchung abgeben, meist von der Leistenarterie ausgehend, als Herzkatheter zum Einsatz.
Herz-OP und Herzverpflanzung
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts macht die Herzmedizin rasante Fortschritte. 1952 bewährt sich in den USA die erste Herz-Lungen-Maschine, indem sie den Blutkreislauf bei einer Operation umleitet. 1958 setzt der Schwede Ake Sennig in Stockholm den ersten Herzschrittmacher ein, drei Jahre später implantieren amerikanische Ärzte die erste künstliche Herzklappe.
1967 sorgt Christiaan Barnard in Kapstadt für weltweite Aufmerksamkeit, als ihm die erste Mensch-Mensch-Herzverpflanzung gelingt. Ende der 1960er Jahre beginnt der Siegeszug der Bypassoperationen, verengte Gefäße können fortan überbrückt werden. Dann fasziniert die Idee der nichtchirurgischen Wiedereröffnung verengter Adern Mediziner wie den in Zürich arbeitenden Andreas Grüntzig. 1977 wagt Grüntzig eine Ballondilatation und dehnt ein verengtes Herzkranzgefäß eines 38-jährigen Mannes mittels Katheter aus. Und seit einigen Jahren erhalten Patienten, wenn es an Spenderherzen mangelt, vorübergehend Kunstherzen.