Längen- und Breitengrade Ein Autodidakt blamiert die gelehrte Elite
John Harrison hat ein Faible für Zeitmesser. Als er knapp zwanzig Jahre alt ist, beginnt der Tischlersohn mit der Konstruktion von Pendel- und Standuhren. Das Handwerk eines Uhrmachers hat er nie gelernt, alles was er braucht, bringt er sich durch genaues Beobachten, durch unermüdliches Experimentieren und mit Hilfe eines wachen Verstandes selbst bei.
Besessen von einer Idee
Ab 1727 setzt sich Harrison mit dem Längenproblem und der Konstruktion von Schiffsuhren auseinander. Er wird sein restliches Leben nichts anderes mehr tun. In den folgenden Jahren geht der Autodidakt daran, die Ganggenauigkeit seiner Uhren durch eine Reihe genialer Erfindungen zu verbessern. Die Detailversessenheit zahlt sich aus. 1735 präsentiert Harrison einen Chronometer, der auf einer Testfahrt die Anforderungen des Longitude Acts mehr als erfüllt. Doch die von Anhängern der astronomischen Methode dominierte Längenkommission hält das Preisgeld zurück. Als Grund muss ein formaler Fehler herhalten: Die Länge der Reise habe nicht den Bedingungen der Ausschreibung entsprochen, lässt man Harrison wissen.
Durchbruch und später Triumph
Das Vorgehen hat Methode und wiederholt sich mit leichten Abwandlungen: Harrison wird hingehalten, mit Bruchteilen des Preisgelds abgespeist, durch veränderte Formalia gefoppt und zu Nachbesserungen aufgefordert. Unter diesen Bedingungen stellt er in den folgenden 25 Jahren zwei weitere Modelle vor, die allerdings nicht getestet werden, weil sich England mit Spanien im Krieg befindet. 1759 präsentiert Harrison schließlich sein von Grund auf neu konstruiertes Modell H4. Der Chronometer besteht den Härtetest mit Bravour. Nach 81 Tagen weicht er weniger als fünf Sekunden von der Ortszeit in Greenwich ab. Damit ist die Vorgabe nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Trotzdem weigert sich die Längenkommission erneut, den Gewinn in voller Höhe anzuweisen. Erst der Einsatz König Georgs III. bewirkt, dass dem Überwinder des Längenproblems drei Jahre vor seinem Tod das restliche Preisgeld schließlich doch ausbezahlt wird.