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Das Thema Die Ausrottung

Stand: 21.06.2012 | Archiv

Spielende, junge Wölfe | Bild: Bayerwald-Tierpark Lohberg

Wölfe faszinieren die Menschen, sie werden geliebt und vergöttert. Doch Wölfe rufen auch tiefes Misstrauen hervor, man hasst und verteufelt sie.

Wölfe wecken Emotionen

Umfragen ergeben regelmäßig ein zwiespältiges Bild: Man schätzt den Wolf - solange er weit weg ist. Doch je näher das Raubtier der eigenen Wohngegend kommt, desto größer ist die Ablehnung. Die Beziehung Mensch - Wolf, das steht fest, ist keinesfalls rational.

Der Wolf wird zur blutrünstigen Bestie

In der Antike ist das Verhältnis noch unbelastet. Menschen und Wölfe können einander aus dem Weg gehen, ihre Lebensräume überschneiden sich kaum. Die Lage ändert sich im frühen Mittelalter. Die Bevölkerung wächst, im Zuge des Ausbaus der Landwirtschaft werden Wälder gerodet. Die Bauern jagen und vertreiben Wild, sie beanspruchen Weideflächen. Wölfe nähern sich den Siedlungen und reißen Haustiere. Ein Jahrhunderte langer Konkurrenzkampf beginnt.

Gottesmänner erklären den Wolf zum Teufel und werden nicht müde, Vergleiche mit Jesus, dem Hirten, und den Gläubigen, den Schafen, anzustellen. Der vermeintlich mit bösen Mächten im Bunde stehende Wolf wird als Todfeind des Menschen gnadenlos verfolgt, in Fallen und Gruben gefangen, bei groß angelegten Treibjagden getötet. Als besonders wirksam erweisen sich Giftköder. Karl der Große (748-814) lässt Wolfsposten einrichten, die sich mit Nachdruck um die Vernichtung der Raubtiere bemühen. Sie werden Vorbilder für die französische Louveterie. Noch in Napoleonischer Zeit ist die militärisch organisierte und von Offizieren geführte Wolfsjägertruppe im Einsatz.

Die Legenden vom bösen Wolf

Berichte von Menschenfressern machen die Runde, der Wolf, so heißt es, verspeist bevorzugt Frauen und Kinder und raubt ihre Seelen. Wolfsexperten warnen davor, Schafs- und Wolfsfelle zusammenzunähen - geschieht dies, verliert der Schafspelz die Haare. Ähnliches gilt für Lauten: Werden Wolfssehnen eingespannt, verstummt das Instrument.

Auch die mythologische Vorstellung vom Werwolf macht die Runde: Es soll sich dabei um Menschen handeln, die ihre Seele an den Teufel verkauft haben und zeitweise - meist nachts -die Gestalt eines Wolfes annehmen. Auch uneheliche Söhne von Priestern geraten in den Verdacht, Werwölfe zu sein. Eine gewisse Berühmtheit erlangt der Fall des 1589 in Bedburg hingerichteten Peter Stump, der mehrere Morde und Vergewaltigungen "in Gestalt eines Werwolfs" begangen haben soll. Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert sind zahlreiche Werwolfprozesse belegt.

Der Ausrottungsfeldzug

Auch in der Neuzeit geht der Krieg gegen die Wölfe weiter, in ganz Europa werden Prämien für erlegte Tiere gezahlt. Im 16. Jahrhundert ist der Wolf in England ausgerottet, im 18. Jahrhundert auch in Irland und Schottland. Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges gibt es Schreckensmeldungen über Angriffe von Wölfen, die den Hass auf die Tiere weiter schüren. Vermutlich versprengen die herumziehenden Armeen das Wild und die Wölfe finden keine Nahrung mehr. So fressen sie Tote auf den Schlachtfeldern.

Wolfsgärten und Wolfssteine

Weil in Deutschland immer wieder Wölfe aus dem Osten zuwandern, zieht sich das Massaker in die Länge. Adelige lassen in ihren Wäldern Wolfsgärten errichten. In diese Umzäunungen treiben Männer der umliegenden Dörfer die Wölfe, anschließend werden sie vom Jagdherrn und seiner Entourage umgebracht. Vielerorts wird dem letzten erschossenen Wolf oder den Erlegern ein Denkmal gesetzt, der so genannte Wolfsstein.

Im Anschluss an die Französische Revolution kommt es europaweit zu Kampfhandlungen. In den 1790er Jahren fallen französische Truppen im Rheinland ein, später verursachen die Feldzüge Napoleons Zerstörungen. Die Wölfe scheinen von den Kriegswirren zu profitieren, die Bestände nehmen wieder zu. In Archiven und Sterberegistern mehrerer deutscher Orte wird von Attacken auf Nutzvieh und Menschen berichtet. In Gegenden, in denen die Tollwut grassiert, greifen mehrere kranke Wölfe Menschen an. Mit Unterstützung französischer Besatzungstruppen werden große Wolfsjagden abgehalten. Im Sommer 1810 nehmen allein an einer Aktion in Niederkrüchten (heute Nordrhein-Westfalen) 3.250 Treiber, 385 Jäger zu Fuß und 69 Berittene teil! In Friedenszeiten beruhigt sich die Lage wieder, Ende des 19. Jahrhunderts ist Deutschland wolfsfrei.


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