Süße Droge Harmloser Genuss oder fiese Killerdroge?
Zu viel Zucker tut uns nicht gut. Das ist unbestritten, das wissen wir alle. Doch warum fahren wir trotzdem so sehr auf Süßes ab? Weshalb können wir der Versuchung nicht einfach gelassen widerstehen? Weil uns die Zuckerlust angeboren und mit der Muttermilch antrainiert ist. Wir mögen einfach alles, was süß ist. Wir sind auf Zucker geeicht, haben Zucker quasi von der Pike auf gelernt. Dafür hat die Evolution gesorgt. Süße Dinge haben eine starke Signalwirkung. Sie sagen uns: Greif zu! Wir sind reif, wir sind nicht giftig, wir sind genießbar, wir sorgen dafür, dass du satt und zufrieden bist! Wir haben uns so an Zucker gewöhnt, dass wir ihn einfach nicht mehr missen wollen.
In der Zuckerfalle
Manche Zuckerkritiker gehen noch einen Schritt weiter. Sie sprechen nicht nur von Gewöhnung, sondern von Abhängigkeit. Der Psychologe Anthony Sclafani und andere Verfechter der Hörigkeitstheorie halten Zucker sogar für einen regelrechen Suchtstoff, der unmittelbar das Belohnungszentrum im Gehirn anspricht und dieselben Aktivitätsmuster wie Drogen erzeugt. Aber macht Zucker wirklich süchtig? Und wird er genau deshalb von der Lebensmittelindustrie kalkuliert eingesetzt, um uns zu willenlosen, kauflustigen Zuckerjunkies zu machen? Zwei steile Thesen mit vielen Anhängern, für die es bislang keine stichhaltigen Beweise gibt. Weder für den Suchtstoffcharakter, noch für die ruchlose Saccharosemafia.
Slow food, slow sugar!
Aber dass Zucker und Übergewicht tatsächlich zusammenhängen, lässt sich auch ohne Verschwörungstheorie gut erklären. Die in Vollkornprodukten, Brot, Kartoffeln, Nudeln, Obst oder Gemüse enthaltenen Mehrfachzucker müssen in einem mehrstufigen Prozess zu Einfachzucker aufgespalten und zerlegt werden, bevor sie verwertbar sind. Und das ist gut so. Die so gewonnene Glucose geht langsam und stetig ins Blut und wird nur allmählich in den Zellen verbrannt. Daher lassen natürliche Mehrfachzucker den Blutzuckerspiegel nach dem Essen weniger stark ansteigen und halten ihn länger auf einem konstanten Niveau. Wir fühlen uns über Stunden hinweg satt, essen und naschen weniger und bleiben dadurch schlank.
Der Feind in meinem Blut
Ganz anders wirken die in Fertigprodukten, Süßwaren und Softdrinks enthaltenen Zweifachzucker. Sie werden deutlich rascher zerlegt, gelangen dadurch besonders schnell in die Blutbahn und jagen den Blutzuckerspiegel rasant in die Höhe. Das setzt einen regelrechten Teufelskreis in Gang: Um die plötzlich anflutende Zuckermenge zu bewältigen, schüttet die Bauchspeicheldrüse große Insulinmengen aus. Das hohe Insulinangebot putzt die Blutbahn in kürzester Zeit zuckerfrei. Der Glucosespiegel sackt rapide ab, das Hirn befürchtet einen Zuckerengpass und löst Heißhungerattacken aus, um den Nachschub zu sichern. Besonders heftig schlägt dieser Insulinbumerang bei stark gesüßten Getränken zu. Softdrinks liefern zwar schnell viel Energie, aber sie sättigen nicht. Im Gegenteil: Sie heizen die Insulinausschüttung noch kräftiger an und schicken den Blutzuckerspiegel desto schneller in den Keller. Da holt uns dann nur der nächste Zuckerschuss wieder heraus.