Intuition Die Tücken der Intuition
Intuition ist ein Hype. Eine Megathema. Und eine heiße Handelsware. Auf dem Psycho- und Coachingmarkt wird sie als eine Art Allroundviagra zur Steigerung der existenziellen Standhaftigkeit angepriesen, als gehyptes Werkzeug zur Persönlichkeits-, Kreativitäts- und Karriereentfaltung mit Unfehlbarkeitsgarantie.
Vertrauen ja, aber nicht blindlings!
Dass es gute Gründe gibt, der Intuition zu vertrauen, ist keine Frage. Aber sie kann auch täuschen, tricksen, manipulieren. "Bauchentscheidungen können gewaltig irren", warnt Gigerenzer. Wie zuverlässig eine Bauchentscheidung ist, hängt aus seiner Sicht von mehreren Faktoren ab. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Vorerfahrung und spezifisches Wissen: Wer in einem bestimmten Bereich viel Erfahrung hat, kann sich auf seine Intuition eher verlassen als jemand mit wenig oder keinen Kenntnissen. "In Situationen mit hoher Ungewissheit und fehlender Vertrautheit auf die Zuverlässigkeit der Intuition zu setzen, ist eine reine Illusion."
Ein System trickst sich aus
Noch skeptischer ist Daniel Kahnemann. Er konnte in zahllosen Experimenten zeigen, wie leicht Bauchentscheidungen zu verzerrtem Denken, voreiligen Schlüssen und Vorurteilen führen. Zum einen, weil das intuitive Denken dazu neigt, aufgrund seiner Vereinfachungsstrategien und Heuristiken wichtige Fakten zu ignorieren. Obendrein übertragen intuitive Überzeugungen häufig Erinnerungen an frühere Geschehnisse auf aktuelle Ereignisse, die in ihrer Besonderheit dann gar nicht mehr wahrgenommen werden. "Das Intuitive Denken zieht Schlüsse, lange bevor das bewusste Denken in Fahrt kommt", wirft Kahnemann ein. Es gibt Interpretationen für Fakten aus und geht vorgefassten Konzepten, emotionalen Projektionen oder Mustern auf den Leim, die das Denken verzerren.
Blackbox ohne Kontrollinstanz
Besonders problematisch ist dabei der Blackbox-Charakter des intuitiven Denkens. Wir bekommen ja nur das Ergebnis präsentiert, wissen aber nicht, auf welcher Grundlange und mithilfe welcher Operationen es zustande kommt. Es gibt also keine intuitive Prozesskontrolle, keinen intuitiven Funktionscheck, der manipulative Strategien oder Wahrnehmungsverzerrungen aufspüren und dem Bewusstsein rückmelden würde. Dadurch sind der unbemerkten Selbsttäuschung durch kaschierte Vorurteile, durch Fehlinformationen, durch versteckte Sympathien und Antipathien allzeit Tür und Tor geöffnet.
Misstraut dem Allzuvertrauten!
Bei alledem kann sich das Bauchgefühl ziemlich sicher sein, straflos davon zu kommen. "Niemand wird je zugeben, dass er eine wichtige Entscheidung aufgrund unbewusster Faktoren oder gar Vorteile getroffen hat", sagt Kahneman. Eher begründen und rationalisieren wir unsere intuitiven Entscheidungen im Nachhinein. "Fragt man uns dann nach einer Erklärung, konstruieren wir ein plausibles Stützgerüst und sind von der Wahrheit unserer selbsterfundenen Geschichte noch überzeugter als zuvor!"