Johannes Calvin Die Vollendung
Die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen geistlichem und weltlichem Regiment bleibt ein beständiger Zankapfel. Während der folgenden fünfzehn Jahre ringen Calvin und der Magistrat immer wieder um die Klärung des entscheidenden Zwists, immer wieder verweigern führende Bürger, sich den verhängten Zuchtmaßnahmen zu beugen. Immer wieder regt sich Kritik gegen den Machtanspruch der Kirche, immer wieder sieht sich Calvin schärfsten Angriffen und erbitterten Zusammenstößen, Konflikten, Beschwerden ausgesetzt.
Sieg auf ganzer Linie
Im Mai 1555 kulminiert der Dauerstreit zwischen den Ansprüchen des weltlichen und des geistigen Regiments in einem Aufruhr, den Anhänger des Generalkapitäns (Stadthauptmann) Ami Perrin anzetteln. Sie prangern die Herrschaft der "französischen Pfarrer" an und fordern, die Souveränität der weltlichen Gewalt wiederherzustellen. Die Proteste werden niedergeschlagen, Verhaftungen vorgenommen, Todesurteile gefällt. Calvin hat sich durchgesetzt. Seine Anhänger dominieren nun den Magistrat, sein Einfluss auf die Gesetzgebung wächst, der Kampf ist ausgefochten.
Die Kirchenzucht setzt sich durch
Bis zu seinem Tod kann Calvin sein reformatorisches Werk in Genf nun ohne nennenswerte Widerstände fortsetzen. Der Einfluss der Pfarrerschaft spielt jetzt die entscheidende Rolle im öffentlichen Leben, die Verantwortung kirchlicher Instanzen in kirchlichen Entscheidungen ist gestärkt. Das Konsistorium hat seine Machtbefugnisse ausgeweitet, die Pfarrer haben mehr Mitspracherechte bei der Auswahl der Ältesten, das Gremium ist jetzt befugt, die auch die vordem allein der weltlichen Obrigkeit vorbehaltenen Exkommunikationen auszusprechen. Nachdem die Gegner ausgeschaltet sind, erfährt die Anwendung der Kirchenzucht eine beständige Ausweitung. 1555 macht das Konsistorium 80 Verstöße anhängig, 1556 sind es bereits doppelt und 1557 bis 1561 jeweils dreimal so viele. Im Rahmen dieser "sittlichen Reinigung" werden allein 1559 über dreihundert Genfer Bürger zeitweise exkommuniziert.