Bayern genießen Bunt gemischt - Bayern genießen im März
Heutzutag ist ja alles bunt: Die Kleidung, das Essen, die Güter des täglichen Bedarfs, die Welt sowieso und selbstverständlich Bayern und ganz besonders München. Eine bunte Mischung an Genussthemen aus den Regionen bietet Bayern genießen im März
Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "bunt gemischt"
- Oberbayern: Bunt gegessen: Resterl kochen in Oberbayern (Angela Braun)
- Niederbayern: Bunt Bauen. Natursteine im barocken Straubing (Birgit Fürst)
- Oberpfalz: Bunte Sorten. Der gemischte Satz beim Baierwein an der Donau. (Thomas Muggenthaler)
- 'Oberfranken: Bunte Stoffe aus dem Fichtelgebirge (Anja Bischof)
- Mittelfranken: Bunte Sammlung. Die Stühle des Werner Löffler (Ilona Hörath)
- Unterfranken: Bunt geschmeckt. Kräuter-Mix in Abtswind. (Jürgen Gläser)
- Schwaben: Bunte Auswahl. Gutsle aus Augsburg (Barbara Leinfelder)
Heutzutag ist ja alles bunt: Die Kleidung, das Essen, die Güter des täglichen Bedarfs, die Welt sowieso und selbstverständlich Bayern und ganz besonders München. Das war, wen wunderts, nicht immer so. Das Wort bunt für vielfarbig ist erst am Ende des Mittelalters aufgekommen. Vorher war bunt eine Bezeichnung für schwarze Stickerei auf weißem Untergrund. Von lateinisch punctus, spätlateinisch puntus = Stich, Stechen. Diese alte Bedeutung klingt noch an, wenn heute von schwarzbunten oder rotbunten Kühen die Rede ist, also solchen, die schwarze oder rote Flecken auf weißem Grund haben. Genauso spricht man bei Rindern und Pferden auch von Schecken: scheckig, gescheckert wird bis heute als Synonym für bunt benutzt, war ursprünglich aber auch einmal schwarzweiß. Es hängt nämlich zusammen mit dem Schachspiel und dessen schachigen, scheckigen Spielbrett. In Zeiten von mehr oder weniger kostbaren Naturfarben, trugen die meisten ganz selbstverständlich natürliches Leinenweiß oder Wollbraun – jedenfalls die normalen Bürger. Ganz anders war das bei den sogenannten randständigen Personen, wo Farben zugleich Werbung und Warnung waren: den Gauklern und Komödianten, den Huren und – Narren.
Bunt gebaut. Natursteine im barocken Straubing
In Zeiten synthetischer Farben, in denen man schier unendlich viel Farbnuancen zur Auswahl hat, macht man es sich kaum bewusst, dass Farben noch vor rund 200 Jahren so etwas wie Luxus waren, den man sich gegönnt hat. Und es waren meist mehr oder minder aufwendig zu gewinnende Naturfarben und ihre Schattierungen. Und die Namen dafür kamen auch aus der Natur: Rot zum Beispiel, nach schwarz und weiß das älteste Farbwort und im Prinzip die Farbe schlechthin, rot hat einmal soviel wie Schatz bedeutet und war in Urzeiten einmal die Bezeichnung für alle Metalle: Gold, Kupfer Bronze. In vielen Sprachen bedeutet rot gleichzeitig schön. Krasnaja Ploschtschad, der Rote Platz in Moskau, bedeutet eigentlich Schöner Platz. Und auch bei uns hat man im Mittelalter die Leute, die für Kaiser, Könige und Kardinäle den teuren roten Purpur verarbeitet haben und mit ein bisserl Rot auch minderwertige Kleidung ansehnlich machen konnten, Schönfärber genannt. Und – selbstverständlich – beginnt der folgende Beitrag über bunte Natursteine in der barocken Architektur Niederbayerns mit einem roten Stein.
Bunt sortiert. Der gemischte Satz beim Baierwein an der Donau
Alle Gscheithaferl der Welt wissen ja, dass Weiß und Schwarz im engen Sinn keine Farben sind. Trotzdem sind sie nicht nur, wie schon erwähnt, die ältesten Farbworte, sondern bezeichnen bis heute entweder die Abwesenheit oder die Anwesenheit aller Farben im Spektrum. Und dazwischen gibt’s eigentlich bloß rot am einen Ende und blau am anderen mit allen möglichen Schattierungen von einem tischschwarz samtigen rosenrot bis hin zu einem tiefschwarz samtigen Veilchenviolett. Man könnt auch so sagen: Eigentlich gibt es in der Natur außer schwarz und weiß bloß noch eine Farbe: Rot in allen Schattierungen. Besonders deutlich wird das am Wein: Aus Blauburgunder oder Blaufränkisch oder Blauem Traminer wird selbstverständlich Rotwein gekeltert. Ursprünglich waren übrigens alle Trauben rot, bzw. blau. Alle anderen Weinsorten: Grüner Veltliner oder Gelber Muskateller beispielsweise sind Züchtungen, bei denen sich die Haut der Trauben nicht so stark verfärbt. In weniger klimabegünstigten Zeiten hat man obendrein unterschiedliche Sorten in einen Weinberg gepflanzt. Das ist bis heute so in den Weinbergen des Baierweins bei Regensburg, deren Tradition bis in die Römerzeit zurückgeht.
Zugegeben: So einfach ist es gar nicht, einmal in den Genuss des Römerweins aus Altbayern zu kommen. Hier sind Bezugsadressen.
Bunt genäht: Stoffe aus dem Fichtelgebirge
Ziemlich in der Mitte des Spektrums liegt gelb. Eigentlich handelt es sich dabei um ein verblasstes Rot. Während aber die rote Mutter einmal als edelste der Farben galt, hielt man die gelbe Tochter für die ordinärste. Gelb – der Name hängt zusammen mit gellen und bedeutet soviel wie schreiend. Entsprechend war das schreiende Gelb im Mittelalter die Farbe sozialer Außenseiter wie der Huren und der Juden. Die mussten gelbe Hüte aufsetzen – eine schlimme Tradition, die sich durchgezogen hat bis ins 20. Jahrhundert zum gelben Judenstern. Huren wiederum mussten sich gelbe Flecken unter die Achseln nähen. Gelb war auch eine wichtige Farbe für die Gaukler und Narren. Doch da eben nur eine Farbe unter mehreren, die sich dann zu einem außerordentlich gscheckerten Aufzug zusammenfanden. So bunt, wies höchstens heute wieder in der Mode zugeht. Der einzige Unterschied zu damals: Im Mittelalter mussten gewisse Leute sich bunt anziehen – heute tun sie es freiwillig. Na gut, man muss ja nicht alles anziehen.
Bunt gesammelt. Die Stühle des Werner Löffler
Es ist ja schon angeklungen: Unser Wort Bunt steht im übertragenen Sinn für Vielfalt, für eine eben bunt zusammengestellte Mischung. Und es ist ja immer so, dass so eine bunte Mischung mehr ist als die Summe der Einzelteile, aus denen sie besteht. Man kann einen menschlichen Körper als bunten Haufen, als Mixtur unterschiedlichster Zellen definieren, er ist aber unbestreitbar mehr als das. Er ist auch eine Sammlung oder Versammlung, eine Kollektion – eine Zusammenstellung. Die unterscheidet sich von einer bloß mehr oder weniger zufälligen Mixtur dadurch, dass sie sinnvoll ist, nach einem gewissen Plan oder nur unter bestimmten Voraussetzungen und Gesetzmäßigkeiten zustandekommt. Vielleicht gerade deshalb, weil der Mensch selbst, eine, wenn man so will, Kollektion Gottes ist, die es sich zur höchsten Aufgabe erkoren hat, ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten vollständig zu ergründen, versucht der Mensch auch in allem anderen solche Gesetzmäßigkeiten zu suchen. Und wo er sie nicht findet, erschafft er sie eben selbst. Deswegen ist der Mensch ein Sammler geworden, der aus mehr oder weniger bunt zusammen gewürfelten Einzelteilen immer und überall Kollektionen bastelt. Zum Beispiel aus Stühlen.
Bunt geschmeckt. Kräuter aus Abtswind in Unterfranken
Unsere Wörter mischen und Mischung kommen ja direkt aus dem Lateinischen: miskere, miscere, spätlateinisch, romanisch und dann auch deutsch eben mischere. Auch auf Altgriechisch heißt es so: misgein. Dahinter liegt, wie so oft, eine jahrtausendealte Wortwurzel meig-, die ebenfalls mischen, vereinigen bedeutet. Unser deutsches Wort Menge hängt auch damit zusammen. Jede Menge entsteht ja dadurch, dass Einzelteile miteinander vermengt, eben gemischt werden. Jedes Essen, jedes Gericht entsteht so. Es ist da ganz ähnlich wie bei der Stuhlsammlung vorher. Da werden nicht bloß einzelne Zutaten zusammengebazt, da wird nach einem Plan, einem Rezept vorgegangen. So sind halt die menschlichen Mischungen – auch wenn sie noch so bunt sind: Meistens hat sich jemand was dabei gedacht, es sind Kollektionen. Und um so eine Kollektion zustandezubringen, da brauchts Geschmack – im wahren Wortsinn.
Es muss ja nicht bloß Knoblauch sein: Wer auf der A3 Würzburg-Nürnberg fährt, dem kann es bei Abtswind im Lkr. Kitzingen – am Anstieg zum Steigerwald – tatsächlich passieren, dass es im Auto auf einmal nach Thymian, Majoran, Estragon und Rosmarin riecht. Das wären dann die Einzelteile, die muss man man bloß unterbewusst registrieren. Höchst bewusst kriegt man dann vielleicht Appetit auf Lammbraten.
Bunt geschleckt. Gutsle aus Augsburg
Na gut, Lamm muss net jeder mögen. Aber es gibt etwas, das mag praktisch jeder: Süßes. Weil das so viele Leute lieben, weils buchstäblich in jedermanns Mund ist und die Münder jedes einzelnen eben höchst unterschiedlich sind, bunt gemischt, gibt’s dafür auch nur ganz individuelle Wörter. Die Rede ist konkret vom Bonbon. Dieses französische Fremdwort, das übersetzt ja nix anderes heißt als Gutgut ist das übergeordnete Wort, auf das man sich geeinigt hat, weil man sich sonst nie hätte einigen hätt können: Im Rheinland spielen in diesen Tagen Kamellen keine ganz unbedeutende Rolle. Woanders heißen sie Klümpchen, Bontjes oder Zeltli, in Franken Bomberla, in Altbayern Zuckerl oder Guatl oder in Schwaben Guetsle. Eine bunte Mischung an Wörtern für eine noch buntere Mischung an Formen, Farben und Geschmäckern. Zu Fasching, Fastnacht, Karneval war schon immer nur das Beste gut genug. Einmal im Jahr wollte auch der arme Mann fürstlich genießen. Und Süßigkeiten waren halt die meiste Zeit in der Menschheitsgeschichte vornehmlich was für die Reichen. Denn Rohrzucker war teure Importware. Im 19. Jahrhundert kam dann der billige raffinierte Rübenzucker auf. Zeitgleich gründeten sich im Rheinland die Karnevalsvereine. Da konnten dann plötzlich die dortigen närrischen Fürstlichkeiten mit Zuckerwerk nur so um sich werfen. In Augsburg, im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit vielleicht die reichste Stadt Mitteleuropas, da soll allerdings bereits im 16.Jahrhundert eine Zuckerraffinerie gegründet worden sein. Sowas rentiert sich natürlich bloß dann, wenn nicht bloß ein paar Adlige zur Kundschaft gehören. Und in dieser alten Augsburger Zucker-Tradition steht heute eine junge Frau, die aus ihrem Hobby und der Lust am Kreativen einen neuen Beruf für sich gemacht hat.
Aber so schön die Guzzies sind – es gibt sie nicht zu kaufen. Man muss schon bei einer der zahlreichen Veranstaltungen in der Augsburger Guzzie-Manufaktur dabei sein oder dort selbst eine Veranstaltung, zum Beispiel einen Geburtstag ausrichten, um in den Genuss zu kommen. Sie können da auch Lehrgänge zur Bonbonmacherin, zum Bonbonmacher absolvieren.
Bunt gegessen: Resterl kochen in Oberbayern
Guatl sind ja der Inbegriff an bunter Mischung. Und zwar mit Absicht bunt gemischt hergestellt – also wieder eine Kollektion. Es gibt aber auch bunte Mischungen, die sammeln sich einfach so an und unsereins muss, um die dann genießen zu können, erst eine regelrechte Kollektion draus machen. Aber reden wir nicht kryptisch um den heißen Brei herum. Wir reden von Restln. Essensreste, Überbleibsel, in der Bibel heißt es Brosamen, genießen ja – ganz im Gegensatz zum Zucker – kein besonders hohes Ansehen. Klingt immer irgendwie von gestern, vertrocknet, übriggeblieben. Vollkommen zu unrecht, wie vernünftige Leute schon immer gewusst haben. Manche Sachen werden überhaupt erst zum Schmankerl, wenn sie nicht zum erstenmal gekocht werden.
Eben geht mit einem Teller
Witwe Bolte in den Keller,
Daß sie von dem Sauerkohle
Eine Portion sich hole,
Wofür sie besonders schwärmt,
Wenn er wieder aufgewärmt.
So heißt es ganz zu Recht bei Wilhelm Busch. Das haben ja vor allem unsere Mütter und Großmütter meisterhaft und scheinbar immer schon beherrscht: das Resterlkochen.
In den letzten Überflussjahrzehnten aber, so scheints, absolut in Vergessenheit geraten. Obwohl unsere Küchen mit Kühl, Gefrier- und Vakuumgeräten ausgestattet sind wie nie, schmeißen wir so viel Essbares weg wie nie. Keine Generation der Menschheitsgeschichte hat jemals Essen weggeworfen. Dafür war es viel zu schwer zu beschaffen. Sowas fällt bloß unserer Überflussgeneration in unserer kleinen westlichen Provinz ein. Weil aber alles Reden bisher nix geholfen hat, hat die Bundesernährungsministerin jetzt sogar eine Aktion mit dem Motto „Beste Reste“ gestartet. Wer will, kann da über eine App erfahren, was man aus Essenresten alles machen kann. Naja. Ich bin überzeugt, dass wir die nicht brauchen. Bei uns blüht sie ja immer noch, die Resterlkochkunst.
Bei uns weiß jeder aus allem möglichen alles Mögliche zu machen. Und dabei auch noch kulinarische Highlights zu produzieren. Und meine Oma hat schon immer gesagt, wer Essen wegwirft ist verdirbt=verdorben.
Der bunte Mix auf einen Blick
Noch einmal zurück zum bunten oder gscheckerten Gwand. Wie gesagt: Früher den gesellschaftlichen Außenseitern vorbehalten. Oder den Narren. Den natürlichen und den Berufsnarren genauso wie den vorübergehenden. So ein vorübergehender Narr war ja nach allgemeinem Verständnis ein jeder. Spätestens dann, wenn er für eine eng begrenzte Zeit im Winter einen solchen gespielt hat. Danach hat wieder eine Ruh hergehn müssen. Jetzt könnt man ja drüber philosophieren, warum der Fasching bei uns abseits des vereinsmeierisch organisierten Karnevals eher an Auszehrung leidet. Vielleicht weil heutzutag das ganze Jahr über quasi Fasching ist und nur mit allergrößter Müh und Not stille Tage wie Aschermittwoch oder Allerheiligen aufrechterhalten werden können. Dabei wärs das doch eigentlich: Erst Festtagsbraten, dann Resterlessen, erst Festgelage, dann Fastenspeisen. Erst Süßes, dann Saures – und dann wieder Süßes: Varietas delectat. Die Abwechslung braucht der Mensch. Die bunte Mischung machts. In diesem Sinn: Schönen Fasching, schöne Fastenzeit. Und mittenheinein ein Starkbier!