Bayern 2 - Zeit für Bayern


9

Bayern genießen Neu genießen im Januar

Prosit Neujahr! Ob gut oder schlecht, wird später klar hat Wilhelm Busch einmal gereimt. Wie oft bei ihm lapidare Worte mit großer Tiefe. Schließlich gibt es wohl kaum eine Zeit im Jahr, zu der wir so angestrengt in die Zukunft schauen, das Zukünftige erforschen, erfragen wollen, wie um Neujahr.

Von: Gerald Huber

Stand: 05.01.2019 | Archiv

Bayern genießen 2018: Bayern genießen: Neu - Die ganze Sendung

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "neu"

  • Neujahrsgenuss. Schmalzgebackenes aus Oberbayern
  • Neue Welt. Mitten im alten Bayerischen Wald
  • Neuer Wert. Vom Reiz der Antiquität Neu anfangen.
  • Oberpfälzer Jungbrauer und das Reinheitsgebot
  • Neualte Tradition. Der Würzburger Neujahrsdukaten
  • Neuer Geschmack. Insekten auf der Speiskarte
  • Neuer Mensch. Was Masken mit uns machen

Feines Weizenmehl – heute überall, jederzeit und billig zu haben – war die meiste Zeit in der Menschheitsgeschichte eine rare Spezialität. Semmeln und Brezen waren bereits zur Römerzeit begehrte Geschenke.

Neujahrsgenuss Schuxen: Schmalzgebackenes aus Oberbayern

Im Mittelalter hat es Riesensemmeln von mehreren Pfund Gewicht gegeben, die meistens offizielle Weihnachts- oder Neujahrsgeschenke einer Stadt an besonders zu ehrende Bürger oder Gäste waren. Denn Gebäck aus feinem weißen Mehl schmeckt beim Kauen leicht süßlich – und das war in Zeiten, in denen der Zucker noch mit Gold aufgewogen wurde, was ganz Besonderes. Deswegen gehört Weizengebäck bis heute zu allen unseren Festtagen – besonders natürlich auch in der Weihnachtszeit. Wer sich kein Weißmehl leisten hat können – und das waren gar nicht wenige -, der war natürlich aufs gewöhnliche Roggenmehl angewiesen.

Um das Gebäck in Zeiten des Zuckermangels trotzdem festtäglich zu machen, hat man es oft extranahrhaft gemacht, indem man es in viel Schmalz herausgebacken hat. Auf lateinisch heißt kochen coquere oder cuquere. Daraus unsere Wörter kochen, Küche und Küachl; Ausgekochtes, Ausgebackenes heißt excoctus, spätlateinisch scoctus, scuctus und daraus haben sich die Schuxen entwickelt. Die haben also trotz ihrer Form nix mit Schuhen zu tun, sondern sind ebenso, wie Krapfen, Küachl oder Auszogne ein typisch schmalziges Feier- und Festtagsgebäck.

In manchen Gegenden Oberbayerns, in Aschau im Chiemgau beispielsweis, gibt’s Schuxen besonders auf Neujahr oder Dreikönig., Des heißt: Gebn tutses bloß dann, wenns noch jemand machen kann.

Schuxen - Schmalzgebackenes zu Neujahr

Da sieht man halt, dass Köstlichkeiten zur rechten Zeit nicht nur Leib und Seele, sondern auch Ehen zusammenhalten. Das Schuxen-Rezept aus Auschau im Chiemgau gibt’s hier.

Neue Welt - Mitten im alten Bayerischen Wald

Neue Welt Neu ist ein Wort, das es auf dem ganzen riesigen eurasischen Kontinent gibt – von Indien bis an den Atlantik. Ein Urwort der ersten Bauernkulturen, das perfekt in die Zeit des Jahreswechsels passt. Von der Zukunft, in die man jetzt gern schauen tät, ist nicht viel zu sehen. stattdessen feiern wir den Moment, in dem der Zeiger hinüberspringt ins Neue Jahr und für einen Augenblick alles stillzustehen scheint.

Dieser Punkt ist das Nu, das Nun, das jetzt – im Prinzip das einzige was wirklich existiert. Und mit diesem Nu und dem nun ist unser Wort neu verwandt. Das Jetzt kommt in jedem Augenblick neu daher. In einem Nu kann unser Leben eine neue Wendung nehmen. Und mit jedem Nun sehen wir ein bisserl mehr von dem, was auf uns zukommt, von der Zu-kunft. Und selbstverständlich ist alles, was neu ist, interessant, weil unbekannt. Und da ist es schon bemerkenswert, wie lang etwas neu sein kann.

Viele Städte bei uns heißen Neustadt oder Neuburg – allesamt schon viele hundert Jahre alt. Und heut noch reden wir von Amerika als der Neuen Welt, obwohl der Kontinent schon vor einem halben Jahrtausend entdeckt worden ist. Und im Bayerischen Wald gibt’s eine Neue Welt, die zwar jünger ist als die Neue Welt in Amerika. Dafür ist sie eine Neue Welt mitten in der Alten Welt. Sachen gibt’s.

Eine genaue Beschreibung, wie Sie sich die Neue Welt erwandern können – grad auch jetzt im Winter –, auf dem Weberweg nämlich, gibt’s hier.

Neuer Wert. Vom Reiz der Antiquität in Oberfranken

Die Vergangenheit ist, wenn man so will, der immer mehr anschwellende Wohlstandsbauch, den sich die Gegenwart ansammelt, indem sie sich durch unsere Zukunft frisst. Kaum glaubt man, man hat sie nun erreicht die Zukunft, da ist sie in einem Nu auch schon Gegenwart und im gleichen Nu nicht mehr neu – sondern auch schon Vergangenheit geworden, alt. Das Alte, der solcherart ernährte Bauch der Vergangenheit, schwillt immer mehr an. Und nix anderes heißt alt auch. Es hängt zusammen mit lateinisch alere, ernähren. Lateinisch altus heißt groß, erhaben.

Die Al-pen sind sogar himmelhoch gewachsen. Ein Kind wird al-imentiert, ernährt und dabei allmählich groß, eben alt. Neu ist etwas bloß in dem Moment, dem Nu, in dem es Gegenwart ist. Alles, was vorbei ist, ist alt und existiert bloß noch in der Erinnerung. Alt und neu sind halt zwei Seiten einer Medaille. Das eine gibt’s nicht ohne das andere – und nur so ist es zu verstehen, dass Altes immer noch und immer wieder der letzte, neueste Schrei ist.

Neu anfangen. Oberpfälzer Jungbrauer und das Reinheitsgebot

Altes kann wunderbar sein – solang es sich dem Neuen nicht in den Weg stellt. Denn das ist das unbeugsame Gesetz der Geschichte, die ja nix anderes ist, als die große Erzählung vom Leben, dass man am Alten nicht festhalten kann – man steigt niemals in den gleichen Fluss. Im Gegenteil das Alte braucht das Neue – sonst würde es ja gar nicht existieren. Freilich stimmts auch andersherum: Wenn wir unsere Wege in der Vergangenheit nicht kennen würden, dann wüssten wir nicht einmal die ungefähre Richtung, die wir in der dunklen Zukunft einschlagen sollten. Will heißen: Wir brauchen die Vergangenheit als Material, als Steinbruch, mit dessen Hilfe wir an unserer Zukunft bauen können. Wir dürfen das Alte aber nicht als Bollwerk gegen die Zukunft einsetzen. Die Versuchung dazu ist immer wieder groß. Nehmen wir einmal das Bayerische Reinheitsgebot von 1516. Es verfügt bekanntlich, dass – so wörtlich – zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Das war eine gute Definition. Allerdings hat man in der bayerischen Braugeschichte bei Bedarf immer auch Ausnahmen erlaubt. Und letztlich war das Brauen in Bayern immer ein altes Herkommen – das Reinheitsgebot war bald vergessen. Hervorgeholt hat man es erst wieder im 20. Jahrhundert. Da sollte mit seiner Hilfe zuerst in den 50er Jahren der Import von sogenannten Zuckerbieren aus anderen deutschen Bundesländern nach Bayern verhindert werden. Später dann der Import ausländischer Biere nach Deutschland.

Mittlerweile kommen die schärfsten Kritiker am Reinheitsgebot aus den eigenen Reihen – aus der Brauergilde. Viele junge Biermacher wünschen sich mehr Vielfalt und Innovationen. Erneuerung, Neuheiten eben. Vielleicht ist es, grad unter dem Genuss-Aspekt, tatsächlich Zeit für eine Gesetzes-Novelle, eine Erneuerung des Reinheitsgebots. Grad in dem Land, wo das Radler erfunden worden ist. Wir wollen an dieser Stelle nicht zu viel Werbung für alle möglichen Produkte machen. Wer einmal nicht reinheitsgebotgebundene Bierspezialitäten ausprobieren will: Im Internet gibt’s eine ganze Menge.

Neualte Tradition aus Mainfranken: Der Würzburger Neujahrsdukaten

Ein Würzburger Neujahrsdukaten

Im Mittelalter hat man kein eigenes Neujahrsfest gekannt. Man hat das neue jahr einfach an Weihnachten beginnen lassen, also am Tag der Wintersonnwende. erst im Jahr 1691 hat Papst Innozenz XII. beschlossen Weihnachten und Neujahr zu trennen. Künftig sollte das Neujahrsfest am 1. Januar begangen werden, an dem Tag also, an dem schon im alten Rom Weihnachten gefeiert wurde. Weil Weihnachten und Neujahr so lang das gleiche Fest waren, deswegen muss man auch vorsichtig sein, wenn in früheren Zeiten von Neujahrsgeschenken die Rede ist – sie könnten auch Weihnachtsgeschenke gewesen sein. Andererseits wiederum ist auch unser heutiges Neujahrsfest ein kleiner Geschenktermin. Der Postbote, die Zeitungsfrau oder die Müllmänner kriegen auf Neujahr oft ein kleines Präsent. Darüber hinaus war Neujahr schon immer auch ein wichtiger Termin für das Zahlen von Steuern und Abgaben aller Art, die oft mit einem eigens geprägten silbernen Neujahrspfennig beglichen wurden. Wohlhabendere Leute haben da oft solche Pfennige pfundweise entrichtet oder die Summe dann in Gold umgerechnet und in Gulden oder Dukaten gezahlt. Reiche Städte konnten dafür auch eigens einen Neujahrsdukaten prägen. Eine ganz neue, spezielle Goldmünze also, für die Abgabe an Neujahr.

Die Stadt Würzburg war so eine Stadt, in der's schon im Mittelalter Neujahrsdukaten gegeben hat. In den letzten Jahren ist dieser alte Brauch für einen guten Zweck wiederaufgenommen worden.

Wir können Sie beruhigen: Sie müssen, wenn Sie so einen Neujahrsdukaten haben wollen, nicht eigens dafür nach Würzburg fahren. Sie fahren ja wahrscheinlich sowieso hin: Wegen dem guten Wein vom Stein, ins Bürger- oder Juliusspital oder in den Hofkeller. Und da können Sie ihn dann ja gleich mitnehmen, oder?

 Neuer Geschmack. Insekten auf der Speiskarte. 

Letztendlich wird alles so sein wie immer: Am Ende des Jahres wird sich herausstellen, dass 2019, mag es uns jetzt auch neu vorkommen, das alte Jahr geworden ist. neu kommt uns 2019 bloß deshalb vor, weil noch völlig unbekannt ist, was es uns bringen wird. So ist es übrigens mit allem, was neu ist. Wenn etwas sehr neu ist, dann ist es meistens unbekannt – und stößt regelmäßig auf Ablehnung.

Dass etwas neu ist und daher gesagt werden sollte, merkt man erst, wenn man auf scharfen Widerspruch stößt. Konrad Lorenz

Beim Essen ist das nicht anders.

"Was der Bauer net kennt, das frisst er net."

Sprichwort

genau – und deswegen gibt’s jahrein jahraus die gleiche kulinarische Ödnis von Aufschnitt und Schweinsbraten. Nix dagegen – im Gegenteil. Aber jahrein, jahraus? Weswegen ich an dieser Stelle immer wieder dafür eintrete, dass man Neues, Ungewohntes zumindest einmal probiert haben sollte. um dann ein tatsächlich kompetentes Urteil fällen zu können. Man muss je nicht gleich mitten in Bayern gebratene Heuschrecken verzehren – oder vielleicht doch?

Neuer Mensch. Was Masken aus Diedorf mit uns machen

Es ist ja nix Neues, dass an Neujahr in Wirklichkeit eigentlich gar nix Neues beginnt. Es sind bloß wir, die immer etwas Neus brauchen und haben wollen. Weil es bekanntlich die Abwechslung ist, die erfreut. Und dann braucht man eben zur Abwechslung mal was anderes. Ein anderes, verändertes Leben. Gute Vorsätze sind dazu die eine, vielgenutzte Methode, das Leben zu verändern. Aber gute Vorsätze scheitern oft grad in dem Moment, in dem man sich der zweiten Lebensänderungsmethode hingibt – dem Fasching: Und es kommt keinesfalls von ungefähr, dass sowohl Vorsätze wie auch Fasching mit dem Neujahr ihren Anfang nehmen. Es ist, wie wenn die tollen Tagen grad dazu erfunden wären, dass man mit ihnen alles fahren lassen kann, was man sich – streng mit sich selbst – vorgenommen hat. Schließlich hat man ja ganz einfach die Chance, schon mittels einem Kostüm, einer Maske zum ganz neuen Menschen zu werden.

Das klingt nur aufs erste Hinhören neu. Aber wenn wir überlegen: Von unserem jeweiligen Image reden wir nicht selten. Und ein Image, ein Bild, ist ja nix anderes als eine Maske, deren aussehen wir maßgeblich selbst beeinflussen.

Neun - Mit dieser Zahl begann das Zählen von Neuem ...

Zzum Schluss hab ich noch ganz was Neues zu neu: Ham Sie gewusst, dass unsere Zahl neun mit neu zusammenhängt? In ganz alten Kulturen hat man an den Fingern abgezählt und zum Draufdeuten auf die Finger die Daumen benutzt – weswegen die Daumen nicht mitgezählt worden sind. nach acht Fingern war Schluss und man hat mit dem ersten Finger neu anfangen müssen – von neuem - eben neun! So ist es in allen alten Sprachen. Auch im lateinischen. Da heißt neu novus und neun deswegen novem. Weil acht also quasi die letzte Zahl war, galt sie deswegen schon immer als Symbol für Vollkommenheit und für Unendlichkeit. Dafür steht heute noch die liegende Acht. Ganz wurscht aber, ob das neu für Sie war oder ob ich Ihnen jetzt wider Erwarten nix Neues erzählt hab: ich wünsch Ihnen jedenfalls im Neuen Jahr viele Neuigkeiten – lauter angenehme versteht sich!

Bayern genießen: Neu genießen im Januar

Das ist Bayern genießen im Januar – mit Gerald Huber und sieben Beiträgen aus den sieben bayerischen Regierungsbezirken. Regina Fanderl aus unserem Studio Oberbayern hat demonstriert wie Schuxen gemacht werden. Thomas Muggenthaler aus dem Studio Ostbayern war in der Neuen Welt im Bayerischen Wald unterwegs. Vom Neuen Wert alter Sachen hat Carlo Schindhelm aus unserem Studio Franken erzählt. Uli Scherr aus unserem Ostbayern-Studio hat mit jungen oberpfälzer Brauern für die Erneuerung des Bayerischen Reinheitsgebots plädiert. Irina Hanft aus dem Studio Mainfranken hat sich die neuen alten Würzburger Neujahrsdukaten angeschaut. Die neuen Insektenspezialitäten in einem Nürnberger Restaurant hat Ilona Hörath aus unserem Studio Franken probiert. Und Andreas Herz aus dem Studio Schwaben hat sich erklären lassen, wie Masken aus uns neue Menschen machen.


9