Bayern genießen im Mai Triebe (aller Art)
Fett und schwer glänzt das Grün nach dem Regen der vergangenen Tage, und allerorten zeigen sich neue Triebe. Wir haben demnächst das Schlimmste überstanden und einen hoffentlich schönen Mai vor der Tür stehen.
Triebe aller Art aus den Regionen Bayerns - die Themen
Frisch getrieben – Fichtensprossen und Löwenzahn genießen
Lustgetrieben – Wie es die Tiere im Nürnberger Tiergarten treiben
Umtriebig – Frostharte Feigen aus Bayern
Weintriebe – Neues aus Weinfranken
Veredelte Triebe – Im Allgäu werden jetzt Obstbäume gepelzt
Triebgesteuert – mit den Triebwagen der Tram durch München
Oberbayern
Lustvoll auf Trieben (Sprossen) kauen: (Christine Gaupp)
Treiben und Trieb hängen mit dem Reiben und dem Dreschen zusammen. Lateinisch tritubulare heißt reiben, dreschen. So haben die Römer zum Weizen triticum gesagt, also Dreschgetreide. Über die auf dem Boden ausgebreiteten Ähren mussten die Ochsen das tribulum ziehen, das Dreschbrett.
Weil die Ochsen das nicht freiwillig gemacht haben, hat das Wort tribulare – dreschen bald auch die Bedeutung Ochsen antreiben, bedrängen oder pressen gekriegt. Aus dem Lateinischen ist es mit diesen Bedeutungen dann ins Deutsche gekommen und hat dort vielfältige Formen angenommen. Alles was irgendwo hervor drängt und –treibt ist bei uns jetzt ein Trieb. Vor allem in der Natur zeigen sich jetzt Triebe aller Art. Und genießen davon kann man viel mehr, als man vorderhand glaubtTriebe an sich haben ja schon immer etwas Phallisches.
Viele Bilder zu frischen Frühjahrstrieben wie Fichtenspitzen, Löwenzahn, Brennesseln und Rezepte zum Beispiel für das Knospenbrot finden sie hier.
Eine Kräuersuppe lässt sich ganz verschieden zaubern, je nachdem, was da ist:
Mittelfranken/Oberfranken
Tierische Triebe im Tiergarten Nürnberg (Inga Pflug)
Das phallische Gemüse schlechthin ist seit der Antike der Spargel. Vor allem wahrscheinlich seiner Form wegen. Unzählig sind bei den Römern die entsprechenden Vergleiche und die Spargelrezepte, mit denen man müden Herren im wörtlichen Sinn auf die Sprünge helfen wollte. Die meisten Tiere brauchen so was nicht. Ihnen langt der Lenz, und schon geht das fröhliche Treiben los. In Zoos wie dem Nürnberger Tiergarten kann man die Viecher ganz ungeniert dabei beobachten.
Niederbayern/Oberpfalz
Widerstandsfähige Triebe- die Baumschule Plattner aus Aldersbach hat die "Bayernfeige Violetta" gezüchtet (Birgit Fürst)
Schon vor über 1.200 Jahren hat Kaiser Karl der Große in seiner Landgüterverordnung festgelegt, welche Heilkräuter, Nutzpflanzen und Obstbäume auf seinen Krongütern angepflanzt werden mussten. Darunter waren auch bereits Feigen. Im warmen Klima des Hochmittelalters dann waren Feigen nördlich der Alpen weit verbreitet. In manchen Weinbauregionen haben sie bis heute überlebt. Wie der Wein sind sie danach in altbayerischen Gärten selten geworden.
Der Baumschulgärtner Anton Plattner aus Aldersbach im Landkreis Passau aber hat sich so lange mit Feigen beschäftigt, bis er vor etwa 30 Jahren die Bayernfeige Violetta gezüchtet hatte, eine Sorte, die Fröste bis minus 20 Grad vertragen kann.
Mainfranken
Völlig neue Triebe im Fränkischen Weinbau (Jürgen Gläser)
Es gibt viele Beispiele dafür, wie sich die Bedeutungen von Wörtern ändern können. Pampini, so haben die Römer die Triebe, die Schößlinge des Weinstocks genannt. Die weniger literarisch gebildete Bevölkerung hat das Wort umgangssprachlich bald ganz anders gebraucht. Aus den Trieben des Weinstocks wurden bald die Schößlinge der Menschen, in Italien sind bambini heute noch die Kinder, genauso wie die Bambsn in Bayern. Mit Wein haben Bambsn und bambini heutzutage weniger zu tun, obwohl es in der großen Weinfamilie immer noch frischen Nachwuchs gibt.
Gerade in Bayern werden immer wieder fremde Rebsorten ausprobiert und neue gezüchtet, was zu beträchtlichen Steigerungen in der Geschmacksvielfalt der sowieso schon äußerst vielfältigen fränkischen Weinlandschaft führt.
Treiben hängt ursprünglich mit dreschen und drängen zusammen. Erst in zweiter Linie hat man das Wort auch für Dinge gebraucht, die aus sich heraus irgendwo hervordrängen. Für diesen Vorgang gibt’s aber noch eine zweite uralte Wortwurzel. Die lautmalerische Wortwurzel bl- oder bul- wie in pling oder blubb funktioniert heute noch genauso gut wie in den allerersten Sprachen der Menschheit. Und sie steckt in vielen Wörtern drinnen, die etwas Hervorquellendes oder Pochendes bezeichnen: Die Blase, das Platzen, der Puls, der durch die Haut zu spüren ist, oder der Pilz, der aus der Erde hervordringt, gehören in diese Reihe. Aber auch der Pelz, dessen Haare durch die Haut kommen.
Schwaben
Besuch beim Pomologen Anton Klaus in Oberneufnach: Triebe veredeln an Apfelbäumen (Viktoria Wagensommer)
Auch der Bolzen gehört dazu und das Pelzen von Obstbäumen. Bei diesem Vorgang, zu dem man außerhalb Bayerns auch Pfropfen sagt, werden edle Obst-Triebe einem weniger edlen, dafür robusteren Stamm eingesetzt. Ende April, Anfang Mai, bevor die Knospen hervorbrechen, ist die beste Zeit dafür. So kommt beispielsweise der Pomologe, also Apfelexperte, Anton Klaus aus Oberneufrach im Unterallgäu zu rund 500 Apfelsorten in seinem Garten.
Ein Lieblingsrezept von Apfelliebhaber Anton Klaus für Curry-Fisch- mit Apfel finden Sie hier
München:
Die Welt der Trambahnen:
Triebgesteuert mit dem Weiß-Ferdl auf der Linie 8 durch München (Arthur Dittlmann)
Trieb, treiben, dreschen und reiben gehen, wie gesagt, auf den gleichen Wortstamm zurück. Auch das Drehen gehört in diese Wortfamilie. Nicht umsonst nennt man die Kurve, in der sich die Richtung eines Gefährtes dreht, im Bairischen Reibn - Reibe.
Und genauso wie zum Dreschen hat man die Ochsen und später die Pferde vor der Kutsche angetrieben. Im Englischen treibt man heute noch das Auto: bekanntlich heißt to drive nichts anderes als fahren. Zu den allerersten öffentlichen Verkehrsmitteln in unseren Städten gehören die Straßen- oder Trambahnen, zu deren Triebwagen gerade die Münchner ein besonders inniges Verhältnis haben. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass solche literarischen Kaliber wie Ludwig Thoma oder Eugen Roth immer wieder Trambahngeschichten geschrieben haben, und dass Weiss Ferdls "Wagen von der Linie 8" zu einem, heute würde man sagen, Mega-Hit der Nachkriegszeit wurde ... Triebwagen, Antriebe, Umtriebe – und das alles gespeist vom Sammeltrieb...
Das war unser "Bayern genießen" rund um manches, was so in Bayern treibt oder getrieben wird. Triebhaft geht’s auch bei unseren Kollegen vom Fernsehen weiter. In "Zwischen Spessart und Karwendel" gibt’s einen Bayern-genießen-Beitrag von Sandra Wiest zum wichtigsten Triebmittel in der Küche, zur Hefe.
Das ist Bayern genießen im Mai
Musikberatung: Angela Breier,
Redaktion: Gerald Huber