Füssener Zeit-Geschichte Schlagengel, Verkündigungsautomat und Mondgesicht
In Füssen gehen die Uhren - nicht unbedingt anders als in anderen Städten, aber sie ticken doch ein wenig spezieller als anderswo. Nur acht Jahre nach Gründung der ersten Lautenmacher- und Geigenbauzunft Europas wurde in der kleinen Stadt am Lech 1574 auch die Uhrmacherzunft etabliert.
Impulsgeber war das Benediktinerkloster St. Mang. Uhrmacher aus der freien Reichsstadt Füssen, die zudem an der Fernhandelsstraße Via Claudia Augusta von Augsburg nach Venedig lag, belieferten Klerus und Adel in ganz Europa.
"Es war im Endeffekt der Adel oder Klerus, der normale Bürger konnte sich das nicht leisten, da ist der Uhrmacher neben dem Geigenbau als Künstler entstanden. Vom Stand her war er nicht so hoch, er hat von seinem Handwerk kaum leben können, er hatte Nebenberufe, war fast ein Tagelöhner, auch Johann Maurer, der das Augsburger Tor gehütet und Pflastergeld, also Zoll, eingetrieben hat."
Uhrmacher und Juwelier Dieter Prinz
Auch die breite Bevölkerung wurde indirekt zum Nutznießer der Kirchen- und Turmuhren. Allgäuer Kunstschmiede kreierten prunkvolle Standuhren, aber auch kostbare Spindeltaschenuhren. Die Füssener Uhrmacherfamilie Kiening war spezialisiert auf astronomische Uhren und Holzkastenuhren, unter anderem für die Wunderkammer von Rudolf II. in Prag.
Am Beispiel der Uhrmacherei in Füssen lässt sich die ganze Palette der Instrumente zur Zeitmessung aufzeigen: Turmuhren, Konvent-Uhren, Stadtuhren, Bruderschafts-Uhren, Buchuhren etc. bis hin zu den berühmten Füssener Totenkopfuhren von Johann Maurer, die heute im Britischen Museum in London zu bewundern und im Zusammenhang mit dem berühmten Füssener Totentanz von 1602 zu sehen sind.
"Diese Uhr wurde nicht in Füssen gefertigt, sondern in Reutte, von einem Nikolaus Friedl um 1672, aber die ganzen Darstellungen, die auf dem Buchrücken eingraviert sind, zum einen der heilige Magnus als Drachentöter für Füssen, zum anderen der Totenschädel – Totentanz in Füssen – und die Patrona Bavariae im Strahlenkranz wie drüben in der St.-Mang-Kirche. Und vorn auf dem Zifferblatt ist eine Gravur der Stadtansicht von Füssen aus dem Tiroler Ansichtswinkel. Die Uhr hat nur einen Zeigen, erst ab 1700 hat man Minutenzeiger eingeführt. Die Schwierigkeit bei der Restaurierung war ein Uhrwerk aus dieser Zeit zu finden, um davon Teile verwenden zu können, hat Jahre gedauert, der Kunde hat dann die Uhr wieder mitgenommen und sie war verschollen, durch Zufall habe ich sie im Katalog eines Auktionshauses in Lindau entdeckt, war zum Verkauf angeboten, habe sie erworben, restauriert und für Füssen erhalten können."
Uhrmacher Dieter Prinz und Ralph Prinz
Wem die Stunde schlägt. An die 150 Stunden wird Ralph Prinz wohl in die Restaurierung dieser 2.20 Meter hohen Standuhr in Geigenform investieren müssen. Dann aber wird auch diese historische Füssener Uhr von Lauten und leisen Tönen erzählen. Von der Musik, von der Zeit und auch vom Tod.
Andrea Zinnecker dokumentiert in Zeit für Bayern die Besonderheiten der bayerischen Zeit-Geschichte.