Gerangel im Tempel Der Kampf um die letzten freien Plätze in der Walhalla
Wer verdient einen Platz in der Walhalla? Über diese Frage wird seit 175 Jahren gestritten. Am 18. Oktober 1842 wurde der Ruhmestempel der Deutschen von König Ludwig I. eröffnet. Und der Streit spitzt sich zu, je rarer die freien Plätze werden.
Drei neue Büsten wären jetzt noch unterzubringen. Markus Söder und weite Teile der CSU wollen eine für Franz Josef Strauß. Weil er „der bedeutendste Bayer der Nachkriegsgeschichte und ein großer Deutscher gewesen sei“. Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher und weite Teile seiner SPD wollen eine Büste für Wilhelm Högner, den „Vater der bayerischen Verfassung“. Denn der sei „die prägende Persönlichkeit Bayerns in der Nachkriegszeit gewesen“.
Joseph Berlinger, der Autor des Zeit-für-Bayern-Features, hat keine Statements aus den Parteizentralen abgeholt. Er hat sich vor Ort umgehört. Wen wünschen sich die Walhalla-Bewohner selbst? Wen hätten die Geister der Büsten gern als ihre neuen Nachbarn?
Da wünsch ich mir die Salome Asam. Das ist die Schwester des berühmten Bruderpaares Cosmas Damian und Egid Quirin Asam, die in der Barockzeit gelebt haben. Denn ohne ihre Schwester hätten sie diese grandiosen Kunstwerke gar nicht fabrizieren können.
Einer der letzten Plätze müsste Ludwig II. gehören. Ludwig II. ist für mich ein sehr interessanter bayerischer König. Ein König ist dazu da, dass er eine eigene Kultur schafft, dass er einen eigenen Stil schafft, dass er eigene Bauwerke schafft, er muss immerhin die ganzen Handwerker beschäftigen, er muss die Künstler beschäftigen, und er muss eine neue Musik schaffen. Er hat eine Sache vollendet, die Ludwig I. angefangen hat, und die hat er weitergeführt. Was wären die Bayern ohne die Königsschlösser? Nix! Ein ganz langweiliges Land eigentlich, ja?! Also nur Tegernsee geht ja auch nicht!
Mein Kandidat hat protestiert, und das bedeutet, er hat für etwas Zeugnis abgelegt unter Lebenseinsatz, für ein wahrhaftiges Deutschland, das den Frieden in der Welt bewahren hilft. Er wäre ein gutes Gegenstück unter uns Walhallesen, gegen über fast einem Drittel Landsknechten, Heerführern, Feldmarschällen und kriegerischen Kaisern und Königen. Wahrhaftig, er wäre ein guter Kamerad für den Grafen Stauffenberg und das liebe Fräulein Sophie Scholl. Mein Mann heißt Dietrich Bonhoeffer.
Ich, ich dürfte mir das wünschen? Tjaaa, natürlich, Bernhard. Thomas. Thomas Bernhard. Thomas Bernhard sollte in die Walhalla. Der Thomas Bernhard. Unvergessen, diese Geschichte von dem Klavierspieler. Der mit einem Schlag nicht mehr Klavierspielen kann und nicht mehr Klavierspielen will. Weil er die Größe, weil er die Größe des Idols erkannt hat, und sie ihn erschlagen hat. Und das nur, weil er meine Musik gehört hat. Die hat jemand gespielt, und es hat ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Dieser Bernhard, dieser Bernhard hat verstanden, was diese Töne bewirken. Der hat es verstanden. Der hat erfasst, es hat ihn erfasst, in aller Tiefe, und er hat es umgesetzt. Er hat keinen Ton gespielt, aber er hat mit der Sprache gespielt. Er hat Sprache musiziert, er hat Fugen geschrieben, Fugen, endlose Sätze, Konstrukte, die ineinandergreifen, die verwirbeln, die zum Ausgangspunkt zurückkehren, die sich neu verschichten, und die, vielleicht ähnlich wie meine Kompositionen, einen wegsaugen, einem bis zu einem gewissen Punkt vielleicht sogar den Verstand rauben…
Gerangel im Tempel