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Der "Lange Johann" Leben im Mikrokosmos Hochhaus

Der "Lange Johann" in Erlangen gilt als Bayerns größtes Wohnhochhaus – mit 27 Stockwerken, 24.000 Quadratmetern Nutzfläche und fast 400 Wohnungen. Wer lebt dort – und warum? Ein Einblick in den Mikrokosmos Hochhaus.

Von: Carlo Schindhelm

Stand: 18.01.2018 | Archiv

Der "Lange Johann": Leben im Mikrokosmos Hochhaus

In der Straße St. Johann in Erlangen steht ein Hochhausturm mit knapp 400 Wohnungen. Eine unvorstellbar große Zahl von Menschen, die da 80 Meter hoch in Wohnungen übereinander gestapelt leben. Manche wohnen hier, weil sie nichts anderes gefunden haben. Für andere geht ein Wohntraum mit Ausblick in Erfüllung. Denn im "Langen Johann" gibt es auch die luxuriöse Penthouse-Wohnung für die Besserverdienenden.

Kleine Wohnungen im Ostturm, luxuriösere im Westturm

Baulich besteht eine gewisse Trennung zwischen den sozialen Schichten: Im Ostturm befinden sich die günstigen Einzimmerappartements, im Westturm die Zwei- bis Dreizimmerappartements. Spätestens auf den Gängen oder in den Aufzügen kommen sich die Bewohner dann aber doch näher. Und ein Abtauchen in die völlige Anonymität ist eh nicht möglich, denn ein Klingelschild muss schon sein. Darauf achtet die Hausverwaltung.

Ambiente wie eine alte Bahnhofshalle

Es ist gar nicht so einfach, in das Hochhaus hineinzukommen. Der Eingangsbereich ist videoüberwacht. Auch rund um den Koloss hängen Videokameras. Zur Sicherheit der Bewohner, steht auf einem Schild. Der Boden im Eingangsbereich ist braun gefliest. Die Aufzugstüren sind orangefarben. Daneben hängen stählerne Aschenbecher – obwohl Rauchen im Eingangsbereich eigentlich verboten ist. Das Ambiente erinnert ein bisschen an alte Bahnhofshallen. Kein Wunder: Der Mammutbau wurde Anfang der 70er-Jahre vollendet.

"Als das Haus in den 60er-Jahren geplant wurde, wollte jeder ins Hochhaus. Das war ein Prestigeobjekt. Und dann in den 70ern kam der Umschwung, als dann alle in den Speckgürtel gezogen sind. Ursprünglich als Prestigeobjekt geplant wurde es dann problematisch, als die ganzen Siemensianer, die hier einziehen sollten, eben nicht eingezogen sind."

Alexander Günnewig, Immobilienmakler

Makler für Hochhaus-Wohnungen

Seit seiner Kindheit üben Hochhäuser einen besonderen Reiz auf Alexander Günnewig aus. Andere Immobilienmakler vermitteln Einfamilienhäuser. Er hat erfolgreich daran Gefallen gefunden, auch kleine Wohnungen in Hochhäusern in Erlangen, Nürnberg und Fürth zu vermitteln. Es sei eine Nische, in der er sich wohl fühle, sagt er. Im "Langen Johann" ist er Eigentümer von drei Wohnungen. Immer wieder vermittelt er Mieter auch an andere Eigentümer.

Ganz oben wohnen

Zwei Personenaufzüge bedienen die ersten 17 Stockwerke, die beiden anderen sind Expressfahrstühle und fahren direkt bis in den 16. Stock und bedienen von dort nur die darüber liegenden Stockwerke. Martin Klomp wohnte acht Jahre lang mit seiner Frau ganz oben, in einer Penthouse-Wohnung mit großer Dachterrasse. Der Umzug ins Hochhaus war seinerzeit Martin Klomps Wunsch. Schwindelfrei ist er von Berufs wegen und er liebt die Höhe.

"Ich habe eine Dachwohnung oder eine Wohnung in der Höhe gesucht, weil ich Antennentechniker bin. Wir haben früher oft Mittagspause auf Hochhausdächern gemacht. Und ich habe das immer ein bisschen beneidet, wegen des Blicks und weil man weit weg ist von Nachbarn und vom Autoverkehr."

Martin Klomp

Seine Frau war anfangs skeptisch. Allein der Blick aus dem Schlafzimmer ließ ihr den Atem stocken.

"Als meine Frau das erste Mal hier war, hat sie gleich gesagt: Um Gottes Willen, ist das hoch, da ziehen wir nicht hin. Die Höhenangst hat sich aber schnell gelegt. Am Schluss musste ich schon aufpassen, dass sie beim Fensterputzen nicht rausfällt. Da war sie mir fast zu unvorsichtig."

Martin Klomp 

Hochhausturm - oder Häuschen im Grünen?

Vor kurzem ist Familie Klomp wieder ausgezogen, wegen ihres Sohnes. Damit er in der Natur, mit Garten aufwachsen kann. Noch immer ist das Häuschen im Grünen die Wunschvorstellung der meisten Menschen. Dabei schafft ein Hochhausturm viel mehr Wohnraum und vernichtet viel weniger Natur als ein Neubaugebiet für Einfamilienhäuser. Der Naturliebhaber müsste also eigentlich im Hochhaus wohnen. Im Trend liegt es trotzdem nicht.

Carlo Schindhelm hat für sein Feature das Leben im "Langen Johann" in Erlangen beobachtet und mit vielen weiteren Bewohnern und auch Vermietern gesprochen – "Zeit für Bayern" mit diskreten Einblicken in den Mikrokosmos Hochhaus.


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