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Kaffeekannen, Kunst und Politik Das Porzellanimperium der Rosenthals

Philip Rosenthal junior blickte buchstäblich über den Tellerrand. Er machte die Porzellan-Firma seines Vaters zur weltweit bekannten Marke und revolutionierte die deutschen Wohnzimmer – von der oberfränkischen Provinz aus.

Von: Thomas Senne

Stand: 26.09.2018 | Archiv

Rosenthal Porzellan | Bild: picture-alliance/dpa

Es ist dünn, elegant und zerbrechlich und soll manchmal sogar Glück bringen: Porzellan. Auch Philipp Rosenthal senior hatte daran einen Narren gefressen. 1855 war er als Sohn eines Porzellanhändlers in Werl geboren worden, verließ dann aber als 17-Jähriger seine Heimat – der Beginn einer Erfolgsgeschichte.

Die Neuerfindung des "weißen Goldes"

Philipp Rosenthal senior

Die Geschichte von Rosenthal ist die Geschichte zweier Männer: Vater und Sohn erfinden das "weiße Gold" neu. Der ältere von beiden, Philipp Rosenthal, ist ein cleverer Geschäftsmann, erkennt in den USA schnell das Potenzial von bemaltem Porzellan. Er verlegt seinen Wohnsitz nach Deutschland und lässt im fränkischen Adelsschlösschen Erkersreuth sogenannte Weißware mit dem Pinsel veredeln: die Keimzelle der Weltmarke "Rosenthal".

1891 gründet Rosenthal in Selb eine eigene Porzellanfabrik und hat bald mit seinen Produkten Erfolg. Aufmerksam beobachtet der Unternehmer den Markt und setzt auf Innovation. Außer Geschirr produziert er bald auch – vor allem in seiner Fabrik in Kronach – luxuriöse Zierporzellane für gehobene Käuferschichten. 1900 gewinnen Kunstporzellane von Rosenthal auf der Pariser Weltausstellung eine Silbermedaille.

Weißes Geschirr – ein Verkaufsschlager

1916 bringt Philipp Rosenthal senior das Service "Maria" auf den Markt: die erste Geschirrform in Weiß. Sie wird ein Verkaufsschlager. Benannt ist sie nach der zweiten Frau des Fabrikanten. Die 35 Jahre jüngere Gattin schenkt ihm im selben Jahr einen Sohn, den das Paar Philip nennt. Das Verhältnis zum Vater ist durch einen riesigen Altersunterschied geprägt.

Kein Nazi, aber fasziniert

Im Dritten Reich gerät Philipp Rosenthal senior, einst Aushängeschild für die deutsche Porzellanindustrie, zunehmend ins Fadenkreuz der braunen Machthaber. Bei Hitlers Machtergreifung ist Philip Rosenthal junior 16 Jahre alt. Obwohl selber kein Nazi, ist er lange Zeit vom äußeren Glanz der Braunhemden fasziniert und  will unbedingt in die "Hitler-Jugend".

Philip Rosenthal junior kämpft schließlich in der Fremdenlegion "gegen Läuse und Langeweile", desertiert, lebt unter falschem Namen und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg steigt er in den Betrieb des Vaters ein. Mit Porzellan hat er zunächst nichts im Sinn, aber gestalterisch tätig zu sein interessiert ihn. Er wird 1950 zunächst Werbeleiter und steht bereits zwei Jahre später in der Firma an der Spitze der Abteilung Produktgestaltung. 1958 ist er dann Vorstandsvorsitzender im Konzern.

"Erfolg kommt von: etwas Sein, etwas Schein und sehr viel Schwein."

Philip Rosenthal junior

Prominente geben sich die Klinke in die Hand

Philip Rosenthal junior – gezeichnet von Andy Warhol.

Enge Verbündete für seinen engagierten Feldzug für besser designtes, modernes Porzellan findet Rosenthal bei zeitgenössischen Künstlern. Nicht nur Andy Warhol besucht Rosenthal junior im Fichtelgebirge. Angesagte Künstler wie Dali werden zu Aushängeschildern des Unternehmens. Und viele andere Prominente schauen ebenfalls bei Rosenthal im Schloss Erkersreuth vorbei, etwa bei sogenannten "Politparties": die Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt oder der frühere Grünen-Politiker Otto Schilly, aber auch der britische Premierminister Edward Heath, den Rosenthal von der Schule her kannte.

Ausflug in den Bundestag

Rosenthal ist aber nicht nur Gastgeber in seinem Erkersreuther Wohnsitz, sondern eine Weile auch Bundestagsabgeordneter der SPD. Unter Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller bekleidet er für kurze Zeit den Posten eines Parlamentarischen Staatssekretärs. Obwohl er sich für die Humanisierung der Arbeitsplätze einsetzt und 1963 ein Beteiligungssystem für seine Beschäftigten einführt – Klassenkampf ist bei Philip Rosenthal nicht angesagt, obwohl er mit der Arbeiterbewegung durchaus sympathisiert.

Irrungen und Wirrungen

Er leitet heute die Rosenthal GmbH: der Italiener Pierluigi Coppa.

Selb, dieser abgelegene Winkel im damaligen deutschen Zonenrandgebiet, war also lange Zeit geradezu die Brennkammer für reformerische Ansichten im künstlerischen, gestalterischen, politischen und wirtschaftlichen Bereich. Doch dann zeichnete sich der Niedergang der Porzellanbranche ab. Und Philip Rosenthal junior segnet 2001 das Zeitliche. Im Garten von Schloss Erkersreuth befindet sich heute die Urne des Unternehmers, Sozialpolitikers und Kunstfreundes. Nach Jahren der wirtschaftlichen Turbulenz übernimmt eine italienische Firma das Porzellanunternehmen und leitet heute die Rosenthal GmbH.


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